Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Verjährung. Anwendung von § 27 Abs 2 S 2 SGB 4

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 27 Abs 2 S 2 SGB 4 ist auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anwendbar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.06.2010; Aktenzeichen B 10 LW 4/09 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 6. Juli 2005 und des Bescheides vom 29. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2004 verurteilt, dem Kläger die für den Zeitraum 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1999 entrichteten Beiträge entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beiträgen, die der Kläger im Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 an die Beklagte entrichtet hat.

Mit Schreiben vom 22.6.1998 wurde die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, dass der Pflanzen-Blumenmarkt C. zum 1.7.1998 von der bisherigen Betriebsinhaberin an den Kläger übergeben wird. Die bisherige Besitzerin teilte mit, die übernommenen Grundstücke würden wie bisher bewirtschaftet. Ein von ihr unterhaltenes Ladengeschäft sei vom Betriebsnachfolger übernommen worden. In dem daraufhin an den Kläger übersandten Fragebogen gab dieser an, dass er Blumen- und Zierpflanzenanbau betreibe. Die von ihm bewirtschafteten Pachtflächen beliefen sich auf 4.500 qm. Die Flächen würden wie folgt bewirtschaftet: Blumen- und Zierpflanzenanbau: Freiland (4.350 qm), Hochglas (150 qm).

Mit Bescheid vom 16.7.1998 stellte die Beklagte fest, dass für den Kläger für die Zeit ab 1.7.1998 als landwirtschaftlicher/gärtnerischer Unternehmer Versicherungspflicht zur Alterskasse für den Gartenbau besteht. Die monatliche Beitragshöhe wurde ab 1998 auf 335.- DM festgesetzt.

Mit Schreiben vom 29.1.2004 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit der Bitte um Überprüfung der Beitragspflicht zur Alterskasse. Sein Betrieb sei kein Gartenbaubetrieb. Es werde nichts angebaut oder ähnliches. Es handele sich um ein reines Einzelhandelsunternehmen (Einkauf/Verkauf).

Im Rahmen einer Besichtigung der Betriebsstätte durch die Beklagte am 17.4.2004 wurde festgestellt, dass es sich bei dem Betrieb um ein reines Handelsgeschäft (Blumengeschäft) mit angrenzendem Gartencenter handele. Dienstleistungen im Bereich Gartenbau würden nicht ausgeführt. Urpoduktion fände keine statt und dies bereits seit 1.7.1998. Die falschen Angaben in dem Fragebogen vom 10.7.1998 und den jährlichen Arbeitswertnachweisen seien vom Steuerberater gemacht worden. Dieser habe wohl die Angaben von der vorherigen Betriebsinhaberin übernommen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 29.4.2004 nahm die Beklagte den Bescheid über die Veranlagung zur Versicherungspflicht als gärtnerischer Unternehmer gemäß § 1 ALG zurück. Der Kläger sei nicht Landwirt/Gärtner i.S.d. § 1 ALG. Landwirt/Gärtner sei nur derjenige, der als Unternehmer ein landwirtschaftliches/gärtnerisches Unternehmen betreibt, welches auf Bodenbewirtschaftung beruht und die von der Alterskasse festgesetzte Mindestgröße erreicht bzw. überschreitet. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung sei festgestellt worden, dass entgegen den bisherigen Angaben keine Flächen zur Urpoduktion genutzt würden. Die für die Zeit vom 1.1.2000 bis 30.4.2004 gezahlten Beiträge in Höhe von 9.510,24 Euro seien zu Unrecht entrichtet und würden erstattet. Die Erstattung der vom 1.7.1998 bis 31.12.1999 zu Unrecht entrichteten Beiträge sei nach § 27 Abs. 2 SGB IV wegen Verjährung ausgeschlossen.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge auch für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Alterskasse verstoße gegen Treu und Glauben gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. sei rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft. Die Fehlversicherung seit dem 1.7.1998 habe aufgrund falscher Beratung durch die Beklagte bestanden. Die Beklagte habe ihre gemäß §§ 14,16 Abs. 3, 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I bestehenden Pflichten zur Beratung und Interessenförderung verletzt. Ein Hinweisblatt zum Ausfüllen sei dem Kläger nicht übermittelt worden. Erforderliche Hinweise seien nicht ergangen. Dem Kläger sei kein Verschulden vorzuwerfen, da die Angaben in dem Antragsformular, dass der Kläger Blumen- und Zierpflanzenanbau betreibe, ohne weitere Erläuterungen nicht eindeutig seien. Es sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er hierunter auch den Einkauf fertig gezüchteter Pflanzen und das Einsetzen dieser in die Erde bis zum Endverkauf eingeordnet habe, zumal der Vorpächter dieselbe Betriebsart führte und über Jahrzehnte bei der Beklagten versichert gewesen sei. Selbst der Steuerberater des Klägers, der den Fragebogen ausgefüllt habe, habe dies nicht erkannt. Auch habe die Beklagte über Jahre allein aufgrund der einmaligen Angabe, Blumen- ...

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