Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. fiktive Bemessung. Zuordnung zur Qualifikationsgruppe. Vermittlungsmöglichkeiten. Berücksichtigung der formalen beruflichen Qualifikation
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ermittlung des fiktiven Arbeitsentgeltes iS des § 132 Abs 2 SGB 3 hat sich in aller Regel auf das Segment des Arbeitsmarktes zu erstrecken, das der Arbeitslose mit seinem formalen Qualifikationsniveau realistischerweise erreichen kann.
2. Ein allein durch Berufserfahrung erworbenes Qualifikationsniveau ist regelmäßig nicht geeignet, die Arbeitsverwaltung zu veranlassen, ihre Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie auf das Segment des Arbeitsmarktes zu erstrecken, für das dem Arbeitslosen - trotz Berufserfahrung - das formale Qualifikationsniveau fehlt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 21.11.2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 07.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist Höhe des fiktiv zu bemessenden Entgeltes, das der Bewilligung des Arbeitslosengeldes zugrunde zu legen ist.
Der Kläger ist gelernter Bauschlosser. Zuletzt war er als technischer Angestellter bei der Fa. W. Fensterbau GmbH angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31.10.2006. In der Zeit vom 23.06.2004 bis 31.10.2006 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld und - für Zeiten der medizinischen Rehabilitation - Übergangsgeld.
Am 04.10.2006 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.11.2006 arbeitslos. Der Arbeitgeber bescheinigte für die zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume von Juni 2003 bis Mai 2004 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 34.615,17 EUR.
Mit Bescheid vom 07.11.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 25,70 EUR täglich.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid 20.11.2006 zurück. Der Bemessung des Entgeltes, das der Bewilligung zugrunde zu legen sei, habe fiktiv erfolgen müssen, weil der Kläger innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgeltes sei auf die Qualifikationsgruppe abzustellen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, auf die sich die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hätten. Hierbei sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger zwar einen Ausbildungsberuf abgeschlossen habe, jedoch eine höhere Qualifikation nicht nachweisen könne, so dass er lediglich in die Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs 2 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III); tägliches Bemessungsentgelt: 65,33 EUR) einzustufen gewesen sei.
Mit der gegen diesen Bescheid zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er als Bauschlosser lediglich bis 31.10.1991 gearbeitet habe. In der Folgezeit sei er in der Fa. A. ausschließlich als technischer Angestellter beschäftigt gewesen. Seit 01.01.1997 sei er unterhalb der Geschäftsführung als Betriebsleiter eingesetzt gewesen. In diesem Zusammenhang sei er für die praktische Ausführung innerhalb des Betriebes, insbesondere die Baustellenbetreuung, die gesamte Technik, die Werkstatt und die Kalkulation verantwortlich gewesen. Es sei daher nicht allein auf den Bildungsabschluss abzustellen, denn es sei anerkannt, dass bei älteren Arbeitnehmern, deren Berufausbildung oft Jahrzehnte zurückliege, nicht allein der Abschluss zähle, sondern regelmäßig die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Es sei zumindest die Qualifikationsgruppe 2 zugrunde zu legen, denn sowohl das zuletzt gezahlte Arbeitsentgelt (ca. 2.900.- EUR) als auch die Tätigkeit entsprechen den Bedingungen, unter denen ein Meister beschäftigt werde.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 21.11.2007 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach der Qualifikationsstufe 2 zu gewähren. Für die Bewilligung sei zwar auf eine fiktive Bemessung zurückzugreifen. Vorliegend dürfe man jedoch nicht allein auf die Ausbildung des Klägers abstellen, denn in diesem Beruf habe er seit 15 Jahren nicht gearbeitet und in der Folgezeit habe er sich durch seine Tätigkeit qualifiziert, so dass die Beklagte den Kläger auch in die Tätigkeit eines Betriebsleiters oder zumindest eines technischen Angestellten auf dem Niveau eines Meisters vermitteln könne.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 19.12.2007 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Allein aus der Angabe, der Kläger sei zuletzt als technischer Angestellter beschäftigt gewesen, lasse sich nicht ableiten, auf welche Tätigkeit sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten zu erstrecken hätten. Auch der Umstand, dass der Kläger die Tätigkeiten eines Betriebsleiters ausgeübt habe, ersetzte nicht die Notwendigkeit, die hierfür erf...