Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit: Rentenrechtliche Beurteilung des Leistungsvermögens eines zahnmedizinischen Fachangestellten. Medizinische Beweiswürdigung. Zeitliches Leistungsvermögen Stuhlassistenz. Kniegelenksbeschwerden. Legasthenie
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
Orientierungssatz
1. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
2. Die Tätigkeit eines zahnmedizinischen Fachangestellten erschöpft sich nicht in der Stuhlassistenz, sondern umfasst ein deutlich größeres Tätigkeitsspektrum, zu der auch patientenorientierte Tätigkeiten, Serviceleistungen und Verwaltungstätigkeiten gehören.
3. Ob und inwieweit ein zahnmedizinischer Fachangestellter im Rahmen seines bestehenden Arbeitsverhältnisses entsprechend eingesetzt wird oder werden könnte, spielt für die rentenrechtliche Beurteilung seines Leistungsvermögens keine Rolle. Entscheidend ist, welche Beschäftigungsmöglichkeiten üblicherweise für zahnmedizinische Fachangestellte auf dem Arbeitsmarkt zu finden sind.
Normenkette
SGB VI §§ 43, 240
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.03.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aufgrund ihres Antrags vom 28.08.2013 hat.
Die 1959 geborene Klägerin hat in der Zeit vom 01.09.1975 bis 14.03.1979 den Beruf einer Zahnarzthelferin erlernt und war anschließend in diesem Beruf bis 1982 versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Kindererziehung war die Klägerin erneut ab 1991 zunächst wieder in Vollzeit als Zahnarzthelferin tätig. Im Jahr 1997 erkrankte die Klägerin an einem Mammacarzinom, das operativ behandelt wurde. Danach war die Klägerin in Teilzeit weiterhin als Zahnarzthelferin versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt im Umfang von 16,5 Wochenstunden. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 ist seit 1998 zuerkannt.
Am 28.08.2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente unter Hinweis auf erhebliche orthopädische Beschwerden, daraus resultierende Schmerzen und die Folgen der Brustkrebserkrankung. Vorgelegt wurde hierzu ein Attest des behandelnden Orthopäden Dr. S. vom 08.08.2013, wonach die Klägerin seit Jahren laufend in orthopädischer Behandlung sei, unter fortgeschrittenen - deutlich über die Altersnorm hinausgehenden - degenerativen Erkrankungen des gesamten Bewegungsapparates leide und sie infolge dessen in den letzten zehn Jahren in Eigeninitiative die wöchentliche Arbeitszeit laufend habe absenken müssen. Sie sei nun in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit soweit eingeschränkt, dass ihr Arbeiten, welche eine Kraftausübung bzw. längere Zwangshaltungen erfordern würden, nicht mehr als drei Stunden täglich zugemutet werden könnten.
Die Krankenkasse BKK Mobil Oil übersandte eine Auflistung der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin.
Die Beklagte holte ein orthopädisches Gutachten von Dr. S. ein, der am 16.10.2013 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin trotz ihrer bestehenden orthopädischen Einschränkungen noch in der Lage sei, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Zahnarzthelferin bis auf Weiteres mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu beachten seien qualitative Leistungseinschränkungen hinsichtlich der Schwere der Tätigkeit, der Vermeidung von Zwangshaltungen, Überkopftätigkeiten, Tätigkeiten an gefährlichen Arbeitsplätzen wie auf Leitern, Gerüsten oder an laufenden Maschinen sowie hinsichtlich stresshafter Arbeitsbedingungen. Es sollte keine Tätigkeit mit Anforderungen an die grobe Kraft beider Arme bei erhaltener Feinmotorik der Hände bei vorhandenen PC-Kenntnissen verrichtet werden. Eine quantitative Leistungseinschränkung lasse sich nicht nachvollziehbar feststellen. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ebenfalls ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen.
Nach Einholung einer prüfärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 22.10.2013 lehnte die Beklage mit streitgegenständlichem Bescheid vom 30.10.2013 eine Rentengewährung ab. Der hiergegen am 26.11.2013 eingelegte Widerspruch wurde vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 17.02.2014 dahingehend begründet, dass die Klägerin schwerbehindert sei und unter massiven neurologisch-psychiatrischen Gesundheitsstörungen leide. Ferner lägen Gesundheitsstörungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet vor. Die Klägerin versuche derzeit wieder ihrem Arbeitsplatz mit 3,4 Arbeitsstunden täglich ge...