Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Ruhensregelung nach § 29 Abs 2 AbgG
Orientierungssatz
1. § 29 Abs 2 S 2 AbgG idF vom 21.12.2004 verstößt nicht gegen das GG.
2. Hierbei verstößt die Umsetzung der Doppelalimentationsbegrenzung durch Verminderung der gesetzlichen Rente anstatt einer Minderung der Abgeordnetenentschädigung ebenfalls nicht gegen Art 14 GG.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
2. Die dem Kläger entstandenen notwendigen Aufwendungen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit des Teilruhens der gesetzlichen Altersrente wegen gleichzeitigen Bezugs einer Entschädigung für Abgeordnete des Deutschen Bundestags.
Der 1945 geborene Kläger gehörte von 1990 bis zum 22.10.2013 (Ende der 17. Legislaturperiode) dem Deutschen Bundestag an. Bis August 2005 war er daneben bei einem Automobilhersteller abhängig beschäftigt und legte Pflichtversicherungszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung zurück.
Mit Erreichen der Regelaltersgrenze stellte er einen Antrag auf Altersrente. Im Vordruck R 100 gab er an, als Mitglied des Bundestags tätig zu sein und Abgeordnetendiäten zu erhalten.
Mit Bescheid vom 29.07.2010 gewährte die Beklagte ab dem 01.08.2010 Regelaltersrente. Der Zahlbetrag ergab sich nach Abzug eines Beitragsanteils des Rentners zur Krankenversicherung sowie des Pflegeversicherungsbeitrags von der Bruttorente (ca. 1.900 €). Eine Teilruhendstellung der gesetzlichen Rente nach § 29 Abs. 2 Satz 2 Abgeordnetengesetz (AbgG) nahm die Beklagte in diesem Bescheid nicht vor. Zu einer Zahlung kam es nicht.
Denn nach Bekanntgabe wurde die Beklagte auf die gesetzliche Verpflichtung zur Ruhendstellung der gesetzlichen Rente aufmerksam. Gleichzeitig erhob der damals freiwillig gesetzlich versicherte Kläger Widerspruch gegen den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und die Nichtgewährung eines Beitragszuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung.
Am 27.08.2010 erließ die Beklagte sodann einen weiteren Rentenbescheid und berechnete die bisherige Regelaltersrente ab dem 01.08.2010 neu. Als laufenden Zahlbetrag setzte die Beklagte nunmehr ab dem 01.09.2007 nur noch 407,90 € fest. Für den Monat August 2007 wurde eine Nachzahlung in gleicher Höhe festgesetzt. Aus den Bescheidgründen geht hervor, dass eine Neuberechnung erforderlich sei, weil sich die mit der Rente zusammentreffenden anderen Ansprüche sowie die Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisse geändert haben. In Anlage 10 des Bescheids nahm die Beklagte eine Kürzungs-/Ruhensberechnung gem. § 29 Abs. 2 AbgG vor, die zu einer Verminderung der Bruttorente um 80 v. H. führte. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wurden nicht mehr in Abzug gebracht, jedoch ein Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung gewährt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger erneut Widerspruch, nunmehr mit der Begründung, dass die Kürzung seiner gesetzlichen Rente auf der Grundlage des § 29 Abs. 2 AbgG gegen die Art. 3, 12 und 14 Grundgesetz (GG) verstieße.
Die Beklagte erließ daraufhin einen weiteren Bescheid ohne Datumsangabe, der am 21.01.2011 abgesandt wurde. Darin heißt es, dass "in Ergänzung zum Bescheid vom 27.08.2010 und dem Widerspruchsbescheid hierzu vom 03.11.2010 der Bescheid vom 29.07.2010 für die Zeit ab dem 01.08.2010 nach § 45 SGB X zurückgenommen“ werde. Im Schreiben vom 03.11.2007 hatte die Beklagte zuvor mitgeteilt, dass der Widerspruch der Widerspruchsstelle zur Entscheidung vorgelegt werde.
Am 16.02.2011 erließ die Beklagte einen weiteren „Ergänzungsbescheid“. Der zuvor ergangene Bescheid ohne Datum (abgesandt am 21.01.2011) werde "folgenderweise ergänzt" als der Bescheid vom 29.07.2010 nach § 45 SGB X zurückgenommen werde, weil der Kläger als Mitglied des 17. Deutschen Bundestages Abgeordnetenbezüge erhalte. Somit sei nach § 29 Abs. 2 AbgG das 80%ige Ruhen der Rente aus der gesetzlichen Versicherung vorzunehmen. Die Rücknahme des Bescheides sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil dem Kläger bekannt gewesen sei, dass bei Mitgliedern des Deutschen Bundestags bei Rentenbezug eine entsprechende Ruhensberechnung zu erfolgen habe. Auch die vorzunehmende Ermessungsprüfung führe zu keinem anderen Ergebnis. Im Wege des Ermessens halte man die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt, weil ein überwiegendes Interesse der Versichertengemeinschaft an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes bestünde. Es sei keine Zahlung mit den ungekürzten Rentenbeträgen aufgenommen worden.
Sodann wurde durch Widerspruchsbescheid vom 08.04.2011 der „Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.07.2010 in der Fassung der Bescheide vom 27.08.2010, 21.01.2011 und 16. 02 2011, soweit diesem nicht durch Bescheid vom 27.08.2010 abgeholfen worden war“, zurückgewiesen.
In der Folgezeit reichte die Beklagte noch die Rentenanpas...