Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Vierpersonenhaushalt im Landkreis Hof in Bayern. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzept. Vergleichsraumbildung. Datenauswertung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Landkreis Hof stellt nicht einen einzigen Vergleichsraum zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten dar.
2. Werden (maßgeblich) Daten über Unterkunftskosten der Leistungsberechtigten zur Ermittlung von Angemessenheitsgrenzen herangezogen, so ist zu beachten, dass es sich dabei regelmäßig um Mieten für Wohnungen einfachen Standards handelt.
Nachgehend
Tenor
I. Ziffer I. des Tenors des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2016 wird zur Klarstellung dahingehend abgeändert, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015, des Bescheides vom 07.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2016 und des Bescheides vom 17.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2016 dem Grunde nach verurteilt wird, den Klägern für die Zeit vom 15.01.2015 bis 29.02.2016 Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld unter Berücksichtigung eines weiteren monatlichen Bedarfs für Unterkunft und Heizung iHv 40,46 € für Januar 2015 und 71,40 € für Februar 2015 bis Februar 2016 zu zahlen.
II. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2016 wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat den Klägern auch ihre außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 15.01.2015 bis 29.02.2016.
Die 1982 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter des 2002 geborenen Klägers zu 3. und des 2013 geborenen Klägers zu 4. Zusammen mit ihren Kindern und dem Kläger zu 2. (geboren 1966) zog sie - nach eigenen Angaben ohne die vorhergehende Einholung einer Zustimmung durch den zuständigen Jobcenter - zum 15.01.2015 nach A-Stadt, Ortsteil B.. Die Kläger zu 1., 3. und 4. erhielten zuvor Alg II bzw Sozialgeld vom Jobcenter S.-Kreis, der Kläger zu 2. bezog bis 31.01.2015 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Stadt J.. Weiter erhielt der Kläger zu 2. eine bis 31.01.2017 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Für die von den Klägern bewohnte 147 m² große Wohnung haben sie eine Gesamtmiete von 600 € monatlich zu zahlen (Nettokaltmiete 430 €, kalte Nebenkosten 50 €, Heizkosten 100 € und Garage 20 €). Die Heizung der Wohnung erfolgt mittels Gas-Sammelheizung. Die Warmwasserkosten sind in den Heizkosten nicht enthalten.
Zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten wurde im Auftrag des Landkreises B-Stadt und der Stadt B. eine "Mietwerterhebung zur Ermittlung von KdU-Richtwerten" (Konzept) von der (A&K) für den Bereich Stadt und Landkreis B-Stadt erstellt. Zur regionalen Differenzierung seien aufgrund des Ergebnisses einer Clusteranalyse drei Wohnungsmarkttypen zu bilden: A-Stadt, D-Stadt, Verwaltungsgemeinschaft F., K-Stadt, C-Stadt, M-Stadt, N-Stadt, O-Stadt, R-Stadt, E-Stadt und S-Stadt als Wohnungsmarkttyp I; B-Stadt, G-Stadt, H-Stadt, Verwaltungsgemeinschaft L-Stadt, Verwaltungsgemeinschaft Sch., C-Stadt, S-Stadt, Verwaltungsgemeinschaft S., T-Stadt und Z-Stadt als Wohnungsmarkttyp II sowie die Stadt B. als Wohnungsmarkttyp III (Seite 7 des Konzeptes). Dabei seien Kommunen mit vergleichbaren Strukturen anhand verschiedener Parameter wie Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit, Bodenpreis und Zentralität zusammengefasst worden. Die Datenerhebung über Bestandsmieten sei von Februar 2012 bis Juli 2012 zum Stichtag 01.03.2012 erfolgt (Seite 13 des Konzeptes). Zur Erlangung eines möglichst umfassenden Überblicks über das örtliche Mietniveau sei es notwendig, auch die Mieten kleinerer Vermieter in der Erhebung zu berücksichtigen, so dass kleinere Vermieter ebenfalls identifiziert und angeschrieben worden seien. Des weiteren sei der Erhebungsdatensatz durch Daten der Jobcenter der Stadt und des Landkreises unter Sicherstellung, dass es sich nicht um bereits in der Vermieterbefragung erhobene Daten handele, ergänzt worden (Seite 12 des Konzeptes). Nach Vornahme einer Extremwertkappung seien in die Auswertung der Bestandsmieten für den Wohnungsmarkttyp I 1.731 Werte und für den Wohnungsmarkttyp II 543 Werte eingestellt worden (Seite 16 des Konzeptes). Zusammen mit den 115 Vier-Personen-Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II gebe es im Bereich des Landkreises B-Stadt 722 Nachfrager für Wohnungen über 75qm bis 90 qm im unteren Marktsegment (Seite 19...