Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt in Sonderfällen. Zwischenbeschäftigung. Unterhaltsgeldbezug. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
§ 133 Abs 1 S 1 SGB 3 ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Bemessung des Arbeitslosengeldes nach Zwischenbeschäftigung das Mindestbemessungsentgelt auch dann zugrunde zu legen ist, wenn im Dreijahreszeitraum Unterhaltsgeld nach dem SGB 3 bezogen wurde.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.04.2004 aufgehoben, die Bescheide vom 28.06.2001/06.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2001 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.07.2001 höheres Alg, ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.390,00 DM, zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt für die Zeit ab 01.07.2001 höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Der ... 1946 geborene Kläger war vom 01.07.1978 bis 31.05.1997 als Schaltungstechniker beschäftigt. Vom 02.06.1997 bis 04.10.1997 bezog er von der Beklagten Alg nach einem Bemessungsentgelt (BE) von zuletzt 1.390,00 DM. Im Zeitraum vom 06.10.1997 bis 02.10.1998 nahm der Kläger an einer von der Beklagten geförderten beruflichen Bildungsmaßnahme teil. Unter anderem wurde ihm Unterhaltsgeld (Uhg) bewilligt, das zuletzt 526,19 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt - BE - 1.390,00 DM, Leistungsgruppe C) betrug. Vom 05.10.1998 bis 30.06.2001 war der Kläger als Elektrotechniker tätig mit einem Gesamtarbeitsentgelt von 61.802,00 DM bei einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 37 Stunden/Woche. Am 09.05.2001 meldete er sich zum 01.07.2001 arbeitslos.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit den Bescheiden vom 28.06.2001/06.07.2001 ab 01.07.2001 Alg für 780 Tage in Höhe von 463,82 DM wöchentlich (BE 1.180,00 DM, Leistungsgruppe A). Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, ihm stehe höheres Alg zu, da das BE der letzten 3 Jahre bestandsgeschützt sei. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 08.10.2001 zurück. Der Kläger habe innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Entstehung des Anspruchs (01.07.2001) weder Alg noch Alhi bezogen, so dass eine Besitzstandswahrung nach § 133 Abs 1 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) nicht in Betracht komme. Der Bezug von Uhg könne einem Alg/Alhi-Bezug nicht gleichgesetzt werden.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Diese hat das SG mit Urteil vom 20.04.2004 abgewiesen, weil § 133 Abs 1 SGB III über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus nicht auf den Bezug von Uhg ausgedehnt werden könne. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen Alg/Alhi und Uhg habe differenzieren wollen. Alg stelle eine Lohnersatzleistung aus der Arbeitslosenversicherung dar, während Uhg mit anderer rechtlicher Zuordnung den Lebensunterhalt während einer beruflichen Maßnahme sichern solle.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt: Aus Gründen des Art 3 Grundgesetz (GG), im Hinblick auf die gemeinsame Lohnersatzfunktion und die rechtliche Weiter- und Zueinanderentwicklung sei der Uhg-Bezug dem Alg/Alhi-Bezug gleichzusetzen. Entscheidend sei die identische Zielrichtung, nämlich den Arbeitslosen während der Arbeitslosigkeit zu stützen und diese zu beenden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.04.2004 aufzuheben, die Bescheide vom 28.06.2001/06.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ab 01.07.2001 höheres Alg, ausgehend von einem wöchentlichen BE von 1.390,00 DM, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Gesetzgeber habe in § 133 Abs 1 SGB III bewusst nur auf den Bezug von Alg/Alhi abgestellt, denn trotz zahlreicher Gesetzesänderungen habe er hier keine Änderung vorgenommen. Vorliegend habe der Kläger auch nicht aus der Arbeitslosigkeit heraus eine schlechter bezahlte Tätigkeit aufgenommen, sondern zunächst an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teilgenommen, die zur Wiedereingliederung erforderlich gewesen sei und in deren Verlauf Arbeitslosigkeit gerade nicht vorgelegen habe.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Kläger hat ab 01.07.2001 Anspruch auf höheres Alg als ihm bereits von der Beklagten mit den Bescheiden vom 28.06.2001/06.07.2001 gewährt wurde.
Nach § 117 Abs 1 SGB III haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die 1. arbei...