Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewaltopferentschädigung. GdS. Differenzierung zwischen einer schädigungsbedingt bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung und einer schädigungsunabhängig rezidivierenden depressiven Störung
Leitsatz (amtlich)
In Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ist zwischen einer schädigungsbedingt bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung und einer schädigungsunabhängig rezidivierenden depressiven Störung zu differenzieren. Beträgt aus der Sicht des Schwerbehindertenrechts (§§ 2 Abs 1, 69 Abs 1 SGB 9) der Gesamt-GdB 40, sind die im Verfahren nach dem OEG eingeholten ärztlichen Gutachten schlüssig, wenn ein entschädigungspflichtiger GdS in rentenberechtigendem Grad nicht erreicht wird (hier: Zustand nach lediglich versuchter Vergewaltigung).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. März 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1943 geborene Klägerin begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetztes (BVG). Streitig ist zwischen den Parteien, ob die noch bestehenden seelischen Folgen des Vergewaltigungsversuches vom 15.11.1996 einen rentenberechtigenden Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bedingen.
Die Klägerin hat am 12.12.2002 sowohl einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG als auch auf Feststellung einer Behinderung und des Grades der Behinderung (GdB) nach § 69 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) eingereicht.
Der Beklagte hat unabhängig von der Ursache nach § 69 SGB IX mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 12.06.2003 den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 festgestellt. Hierbei sind als Gesundheitsstörungen "undifferenzierte somatoforme Störung mit Hauterscheinungen, Atem- und Wirbelsäulenbeschwerden" berücksichtigt worden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin vom 15.06.2003 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 20.11.2003 zurückgewiesen worden. In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht München die Klage mit Urteil vom 08.09.2005 - S 14 SB 1728/03 abgewiesen und sich hierbei vor allem auf das neuropsychiatrische Sachverständigengutachten des Dr. V. vom 18.04.2005 gestützt. Danach bestehe bei der Klägerin ein neurasthenisches Syndrom sowie eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit einem GdB von 30. In dem sich wiederum anschließenden Berufungsverfahren L 15 SB 133/05 hat Dr. D. mit neurologischem Fachgutachten vom 19.02.2008 bestätigt, dass auf seinem Fachgebiet ein Einzel-GdB von 30 bestehe. Der weiterhin gehörte Sachverständige Dr. L. hat mit orthopädischem Fachgutachten vom 21.02.2008 ausgeführt, dass die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen sei. Dr. R. hat mit allgemeinärztlichem Gutachten vom 21.02.2008 zusammenfassend einen GdB von 40 befürwortet, weil zusätzlich das hyperreagible Bronchialsystem mit einem Einzel-GdB von 20 und das rezidivierende urtikarielle Exanthem mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen sei. Aufgrund der übereinstimmenden Anträge der Beteiligten hat das BayLSG mit Beschluss vom 09.06.2008 - L 15 SB 133/05 - das Ruhen des Verfahrens nach dem SGB IX angeordnet.
Im Verfahren nach dem OEG hat der Beklagte die Unterlagen der Staatsanwaltschaft M. beigezogen. Am 15.11.1996 hat K. die Klägerin auf der Höhe des Hauses, in dem ihr Sohn wohnte, von hinten in den Vorgarten gedrängt und sie zu Fall gebracht. Als sie auf dem Rücken lag, kniete er sich auf sie und setzte ihr das Messer an die Kehle. Er brachte ihr dadurch einen blutigen Kratzer bei. Die Klägerin rief sofort mehrmals laut um Hilfe, worauf zwei Männer zum Tatort kamen. Daraufhin gab K. sein Vorhaben auf. Die Klägerin litt in der Folgezeit unter Herzattacken und Angstzuständen. K. ist einer Vergewaltigung mit sexueller Nötigung und einer versuchten Vergewaltigung (letztere zu Lasten der hiesigen Klägerin) für schuldig befunden worden. Das Landgericht M. hat mit Urteil vom 26.06.1997 H. K. deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Ihr Antrag vom 12.12.2002 nach dem OEG ist mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 03.06.2003 abgelehnt worden. Bei der versorgungsärztlichen Untersuchung vom 12.05.2003 hätten Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr vorgelegen.
Der Widerspruch vom 08.06.2003 dagegen ist mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 20.11.2003 zurückgewiesen worden. Nach versorgungsärztlicher Beurteilung werde durch die Folgen der Gewalttat vom 15.11.1996 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe nicht erreicht.
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