Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Vorliegen teilweiser Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Orientierungssatz
Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kann auch in Betracht kommen, wenn eine teilweise Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) vorliegt, eine Teilzeitbeschäftigung nicht ausgeübt wird und der Teilzeitarbeitsmarkt für den Versicherten als verschlossen anzusehen ist (BSG, 11. Dezember 1969, GS 4/69, BSG, 10. Dezember 1976, GS 2/75).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.12.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1974 geborene Klägerin erlernte von 1990 bis 1992 den Beruf einer Kinderpflegerin und war in der Folgezeit - mit Unterbrechungen - in diesem Beruf bis August 2010 beschäftigt. Allerdings bestand das Beschäftigungsverhältnis in den letzten Jahren nur auf Grund von Elternzeit, nachdem es bereits im Jahr 2007 im Rahmen einer Operation zu einer tiefen Venenschädigung gekommen war.
Bei der Klägerin wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt und durch Bescheid der Agentur für Arbeit A-Stadt vom 01.04.2011 erfolgte eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Im Vorfeld war die Klägerin am 29.03.2011 auf Veranlassung der Agentur für Arbeit A-Stadt durch Frau Dr. K. untersucht worden, die einen Zustand nach mehrfachen Operationen der rechten Leiste bei beidseitigem Status varicosus und eine Skoliose feststellte. Es bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter strenger Vermeidung der anhaltenden Rumpfbeugung, wie Zwangssitzen auf niedrigen Stühlen. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, den erlernten Beruf als Kindergärtnerin auszuüben, da hier das Sitzen auf kleinen Kindergartenstühlen obligat sei.
Am 29.03.2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin am 26.06.2012 durch den Internisten Dr. R. untersucht. Dieser stellte folgende Diagnosen:
1. Sekundäres Lymphödem sowie chronische venöse Stauung rechtsseitig bei Zustand nach operativer Interposition der linken Vena saphena magna nach Verletzung der Vena femoralis communis dextra, vorangegangene Stenosierung eines primären Interponats aus dem linken Oberschenkel mit Serombildung.
2. Angeborene Skoliose der Brust- und Lendenwirbelsäule.
Derzeit übe die Klägerin eine an ihre Beschwerden angepasste Verwaltungstätigkeit im Kindergarten aus in einem wöchentlichen Zeitrahmen von 12 Stunden. Die Klägerin sei für diese Tätigkeit ebenso wie für den allgemeinen Arbeitsmarkt auch über sechs Stunden täglich einsetzbar. Es müsse sich um leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - ggf. auch Bildschirmtätigkeiten - handeln. Voraussetzung sei in jedem Fall das Vermeiden von bestimmten Zwangshaltungen, da ansonsten das Thromboserisiko unverhältnismäßig stark ansteige. Zu den ausgeschlossenen Zwangshaltungen würden insbesondere Bücken, Knien und sonstige Abknickung der Hüfte zählen. Dieses Leistungsbild bestätigte der beratende Arzt der Beklagten H..
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.08.2012 den Rentenantrag ab und verwies die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Der Widerspruch der Klägerin vom 20.08.2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2012 zurückgewiesen. Neue Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 09.01.2013 am 10.01.2013 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie hat vorgetragen, dass ihre Gesundheitsstörungen nicht vollumfänglich erfasst seien, nachdem das Gutachten nicht durch einen Gefäßchirurgen erstellt worden sei. Zudem sei die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Das Sozialgericht hat einen Versicherungsverlauf der Klägerin beigezogen, in dem letztmalig Pflichtbeitragszeiten im Juni 2012 aus Leistungen der Bundesagentur für Arbeit verzeichnet sind. Zusätzlich liegen über diesen Zeitpunkt hinaus Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vor.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. W. und Dr. C. eingeholt. Anschließend hat es ein Gutachten durch den Orthopäden und Chirurgen Dr. B. erstellen lassen. Nach Einwänden der Klägerseite gegen die fachliche Ausrichtung hat Dr. B. vorab am 10.05.2013 erklärt, dass die Beschwerdesymptomatik der Klägerin zum einen das chirurgische bzw. gefäßchirurgische Fachgebiet und zum anderen das orthopädische Fachgebiet betreffen würde. Er sei im Rahmen seiner Ausbildung auch mit gefäßchirurgischen Erkrankungen beschäftigt gewesen und könne diese beurteilen. Für den Fall eines Zusatzgutachtens...