Entscheidungsstichwort (Thema)
Blindheitsbegutachtung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Blindheitsbegutachtung können im Rahmen von Plausibilitätskontrollen nicht bei der unmittelbaren Visus- und Gesichtsfeldbestimmung auch die Ergebnisse von Untersuchungen berücksichtigt werden, die nicht mit dem Goldmann-Perimeter (mit der Reizmarke III/4e) oder mit Landoltringen (Fernvisus) entsprechend der Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze bzw. der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft durchgeführt worden sind (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits das Urteil v. 31.01.2013 L 15 BL 6/07).
2. Diesen zusätzlichen Untersuchungsmethoden darf jedoch keine Beweiskraft zugemessen werden. Etwas Anderes kann nur in seltenen Ausnahmefällen entsprechend Teil B Vorbem. Nr. 4 VG gelten.
Normenkette
VersMedV § 2 Anlage Teil B Vorbem. Nr. 4; BayBlindG Art. 1 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, Abs. 3; BayBlindG § 7 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) durch den Beklagten streitig.
Mit Antrag vom 31.01.1991 beantragte die Klägerin erstmals Blindengeld, im Einzelnen Pflegegeld an Zivilblinde nach dem Zivilblindenpflegegesetz (ZPflG). Mangels Blindheit wurde dieser Antrag (wohl am 06.04.1991) abgelehnt. Auch ein weiterer Antrag wurde abgelehnt und der hiergegen erhobene Widerspruch am 14.05.1992 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf den weiteren Antrag auf Gewährung von Pflegegeld an Zivilblinde vom 11.06.1992 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 01.09.1992 ab 01.06.1992 Zivilblindengeld. Vorangegangen war ein "ärztliches Gutachten" von G, in dem am 29.07.1992 festgehalten wurde, dass nach Angaben der Klägerin seit 1989 Lesen und Schreiben nicht mehr möglich sei und sie nicht mehr allein zurechtkomme.
Am 18.04.1994 und 19.09.1994 kam es zu Nachbegutachtungen durch die Augenärzte H und S. Hieraus folgte, dass Blindheit jeweils nicht festzustellen gewesen sei, da Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin bestanden hätten. Daraufhin nahm der Beklagte mit Bescheid vom 26.10.1994 die Bewilligung des Zivilblindengelds gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab 01.04.1992 zurück und verpflichtete die Klägerin, die zu Unrecht empfangenen Leistungen zu erstatten. Es wurde ausdrücklich die Entscheidung in dem Bescheid getroffen, dass Blindheit nicht vorliege und auch nicht vorgelegen habe.
Rechtsmittel gegen den Rücknahmebescheid blieben ebenso erfolglos wie eine Eingabe an das StMAS. Entsprechendes gilt für den Widerspruch gegen die Ablehnung eines erneuten Antrags vom 16.04.1998 durch den Beklagten (Widerspruchsbescheid vom 15.04.1999) sowie für weitere Eingaben und Blindengeldanträge. Im Rahmen der Rechtsmittel ist auch ein Berufungsverfahren vor dem Senat (L 15 BL 5/96) anhängig gewesen, in dem u.a. ein Gutachten von K (L-Universität M) eingeholt worden ist. Mit Urteil vom 30.10.1997 wies der Senat die Berufung zurück; eine beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde wieder zurückgenommen. Im vorausgegangenen sozialgerichtlichen Verfahren hatte das Sozialgericht (SG) Bayreuth ein Gutachten von K1 (Universitäts-Augenklinik E) eingeholt, in dem u.a. eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen schlechter Sehfunktion bei den Untersuchungen, für welche die Mitarbeit der Klägerin erforderlich gewesen sei, und den Ergebnissen ihrer Sehfunktion bei allen nicht mitarbeitsbezogenen Untersuchungen gewesen (Urteil des SG Bayreuth vom 09.05.1996).
Der weitere Antrag der Klägerin auf Blindengeld vom 03.03.2010 wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 28.06.2010 abgelehnt, nachdem zuvor der Augenarzt T die Klägerin untersucht und festgestellt hatte, dass ihre Angabe bei der Visusprüfung "nulla lux" mit dem morphologischen Befund nicht erklärbar sei und auch durch die erhaltene Lichtreaktion der Pupille und die Auslösbarkeit von Folgebewegungen widerlegt sei. Der gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 07.06.2013 stellte die Kläger einen weiteren Blindengeldantrag (Eingang 11.06.2013). Mit Bescheid vom 07.10.2013 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erstellte R am 17.11.2014 bezüglich der Klägerin ein augenfachärztliches Gutachten, in dem er festhielt, dass die von der Klägerin angegebenen Gesichtsfeldausfälle in keiner Weise erklärbar seien. Die Sehschärfe sei bei der Klägerin schwierig zu bestimmen. Die Angabe der vollständigen Erblindung sei weder durch den morphologischen Befund noch durch die elektrophysiologische Untersuchung erklärbar. Es habe sich bei der Klägerin eine prompte Pupillenreaktion un...