Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Weigerung eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung aufzunehmen. Unzumutbarkeit des 1-Euro-Jobs wegen der Arbeitszeit

 

Orientierungssatz

Eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung iS des § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 ist bei einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden unzumutbar, und eine Absenkung des Arbeitslosengeld II gem § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 ist bei Ablehnung eines solchen 1-Euro-Jobs nicht zulässig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2008; Aktenzeichen B 4 AS 60/07 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Mai 2006 und die Bescheide vom 2. und 13. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2005 aufgehoben sowie die Bescheide vom 26. Oktober 2005 und 17. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2005 zusätzlich monatlich 103,50 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Absenkung der Regelleistung um 30 v.H. in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2005 und der Wegfall des Zuschlages nach Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) I streitig.

Der 1950 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Ingenieur für Kunststoffe durchlaufen und war bis 19.09.2001 beschäftigt. Anschließend bezog er bis 09.03.2003 Alg I und bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Die Beklagte bewilligte ab 01.01.2005 Alg II in Höhe von 970,33 EUR, wobei sie neben der Regelleistung von 345,00 EUR und den Kosten der Unterkunft und Heizung von 465,33 EUR einen befristeten Zuschlag nach Bezug von Alg I von 160,00 EUR bewilligte. Mit Bescheiden vom 14.04. und 08.08.2005 bewilligte sie die Leistungen in gleicher Höhe für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2005.

Am 04.08.2005 bot die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsgelegenheit in Form einer Tätigkeit als Gemeindearbeiter bei dem Markt W. im Umfang von 30 Stunden in der Woche an. Die Tätigkeit war bezeichnet als "1,50 EUR Job" und befristet bis 17.12.2005. Die Verwaltungsgemeinschaft B. teilte am 11.08.2005 mit, der Kläger habe sich nicht gemeldet bzw. beworben.

Der Kläger gab mit Schreiben vom 07.08.2005 an, er habe eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen.

Mit Bescheid vom 02.09.2005 teilte die Beklagte mit, für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2005 werde die Leistung um 30 v.H. der Regelleistung, somit um 103,50 EUR, abgesenkt. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung werde gemäß § 48 Abs.1 SGB X insoweit aufgehoben. Während dieses Zeitraums bestehe kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach Bezug von Alg I. Mit Bescheid vom 13.09.2005 stellte sie dann die für Oktober 2005 zustehende Leistung von 686,71 EUR fest, wobei sie Einkommen aus der geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 20,12 EUR anrechnete und im Übrigen die Regelleistung um 103,50 EUR und um den zuvor bewilligten Zuschlag von 160,00 EUR kürzte.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, der Grundsatz des Vorrangs von Angeboten nach Maßgabe des SGB III sei nicht beachtet worden. Darüber hinaus sei die Vermittlung einer Tätigkeit mit einem wöchentlichen Umfang von 30 Stunden nach § 16 Abs.3 Satz 2 SGB II nicht zulässig. Auch sei er aus medizinischen Gründen nicht in der Lage, diese Tätigkeit auszuüben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Arbeitsgelegenheit hätte im Falle einer tragfähigen Arbeitsaufnahme jederzeit abgebrochen werden können.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und weiterhin vorgetragen, die Vermittlung einer Tätigkeit mit einem wöchentlichen Arbeitszeitumfang von 30 Stunden sei nicht zulässig. Diese Tätigkeit wirke im Hinblick auf die zu erreichende Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt kontraproduktiv. Darüber hinaus habe es sich nicht um eine "zusätzliche" Arbeit im Sinne des § 16 Abs.3 Satz 2 SGB II gehandelt.

Die Beklagte hatte zuvor mit Bescheid vom 26.10.2005 für die Zeit vom 01.11. bis 31.12.2005 monatlich 463,19 EUR bewilligt. Auf den Widerspruch hin bewilligte sie mit dem Änderungsbescheid vom 17.01.2006 für November 525,36 EUR und für Dezember 534,00 EUR. Gleichzeitig hob sie unter Anrechnung des im Oktober 2005 bezogenen Einkommens die Bewilligung für diesen Monat in Höhe von 8,64 EUR auf und rechnete mit diesem Betrag gegen die dem Kläger für November 2005 zustehende Leistung auf. Neben der Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 292,50 EUR bewilligte sie die um 103,50 EUR gekürzte und nach der Aufrechnung mit 8,64 EUR verbliebene Regelleistung von 232,86 EUR. Für Dezember 2005 bewilligte sie 534,00 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2006 zurück.

Die...

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