Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen eines Arbeitsunfalls (Arbeitsweg), Versicherungsschutz Wegeunfall
Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht grundsätzlich nicht auf der Fahrt von der Wohnung einer Bekannten, bei der der Versicherte die Nacht verbrachte, zu der eigenen Wohnung, um dort die Arbeitskleidung zu holen und anschließend von dort zur Arbeitsstätte zu fahren.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, 2 Nrn. 1, 4-5, § 102
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 14.07.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall des Klägers am 16.10.2011 ein Arbeitsunfall war.
Der 1980 geborene Kläger war abhängig beschäftigter Dachdecker der Firma M. (haftungsbeschränkt) & Co. KG in Z.. Er erlitt am 16.10.2011 gegen 5.15 Uhr einen Verkehrsunfall auf der B 20 zwischen C-Stadt und F-Stadt.
Laut Arbeitgeberauskunft des F. M. mit Schreiben vom 07.11.2011 (Bl. P 54 BA) und telefonischer Mitteilung vom 10.05.2012 (Bl. P 315 BA) hatte der Kläger am Samstag, den 15.10.2011, gearbeitet. Es wurde vereinbart, dass der Kläger am Sonntag, den 16.10.2011, wieder in der Firma arbeiten sollte. In der neu aufgestellten Lagerhalle sollte am Sonntag der Boden verlegt werden, wofür in der Woche keine Zeit gewesen war. Die Arbeitsstunden sollten normal über das Stundenkonto laufen. Herr M. gab an, dass in der Firma keine Möglichkeiten zum Umziehen und Duschen bestünden, weshalb die Mitarbeiter ihre Arbeitskleidung immer zu Hause anziehen.
Die Ermittlungen der Beklagten unter Auswertung der Akten der Staatsanwaltschaft ergaben Folgendes: Am Samstag, den 15.10.2011 fuhr der Kläger mit dem Pkw seines Chefs F. M., einem Audi A6, gegen 22.00 Uhr zu seiner Freundin (D. S.) in deren Wohnung in C. (A.). Gemeinsam suchten sie verschiedene Lokale auf und fuhren zwischen 2.30 Uhr und 3.00 Uhr in die Wohnung der Freundin zurück, wo sie gemeinsam fernsahen; die Freundin schlief dabei ein. Zwischen 4.15 Uhr und 5.15 Uhr verließ der Kläger die Wohnung und fuhr zu seiner Wohnung im Elternhaus in der B-Straße in A-Stadt (Stadtteil R.), um dort seine Arbeitskleidung zu holen und anzuziehen. Anschließend wollte er von seiner Wohnung zur Arbeitsstelle (W., Z.) fahren.
Bereits auf der Fahrt von der Wohnung der Freundin in C. zur eigenen Wohnung in Richtung Norden auf der B 20 Richtung F-Stadt kam der Kläger gegen 5.15 Uhr bei Kilometer 2,4 aus unbekannter Ursache mit dem Pkw nach links von der Fahrbahn ab, streifte einen Straßenpfosten, fuhr 50 m in den angrenzenden Straßengraben teilweise am Wildschutzzaun entlang, überschlug sich bei der dortigen Brücke und prallte in den Straßengraben. Zeugen für den Unfall gab es nicht. Die Polizei traf um 5.25 Uhr an der Unfallstelle ein. Auf den Ermittlungsbericht der Polizei vom 23.12.2011 und die Zeugeneinvernahmen wird verwiesen. Danach wurde im Gutachten des TÜV Süd ein technischer Defekt ausgeschlossen.
Die Arbeitsstätte befindet sich südwestlich von der Wohnung der Freundin. Die eigene Wohnung des Klägers in der B-Straße in A-Stadt lag nordöstlich von der Wohnung der Freundin. Der Unfall ereignete sich auf einer Wegstrecke der B 20 zwischen C-Stadt und F-Stadt, die beim Zurücklegen des Wegs zur Arbeitsstätte nicht in dieser Richtung befahren worden wäre, weder von der eigenen Wohnung aus noch von der Wohnung der Freundin aus.
Laut Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. N. (Uniklinik R.) vom 16.10.2011 zog er sich dabei schwere Verletzungen zu, u.a. ein Schädelhirntrauma mit Einblutungen, ein Lungenkontusion mit Kollabieren des linken Lungenunterlappens sowie multiple Frakturen (u.a. des Nasenbeins, der Halswirbelkörper 5 bis 7, von BWK 12 und LWK 1, der 5. Rippe links).
Mit Bescheid vom 06.06.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Unfall vom 16.10.2011 kein Arbeitsunfall sei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Versicherungsschutz sei dann nicht gegeben, wenn der Unfall auf unternehmensfremde Umstände zurückzuführen sei, die die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall seien. Durch Aussage der Freundin gegenüber der Polizei sei nachgewiesen, dass der Kläger mit ihr die Nacht zum 16.10.2011 durchgemacht und nicht geschlafen habe. Das reiche zum Nachweis einer nicht betriebsbedingten Übermüdung. Angesichts des Unfallhergangs mit dem Abkommen von einer offensichtlich geraden Straße handele es sich um einen typischen Geschehensablauf bei Übermüdung mit Sekundenschlaf. Andere besondere Gefahrenmomente seien nicht bekannt. Daher könne nach dem Anscheinsbeweis die Übermüdung als allein wesentliche Unfallursache nachgewiesen werden. Andere Ursachen seien nicht nachgewiesen.
Zur Begründung des Widerspruchs vom 13.06.2012 trug der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen vor, dass der...