Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Relevanz einer psychischen Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Solange bei psychischen Erkrankungen bestehende Behandlungsoptionen nicht ausgeschöpft sind, kann von einer dauerhaften relevanten Leistungsminderung in rentenrechtlicher Hinsicht nicht ausgegangen werden.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 sowie vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R = BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2 und LSG München vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.11.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 27.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005, mit dem die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Antrag vom 19.05.2005 abgelehnt hat.

Die 1959 geborene Klägerin hat von September 1974 bis Juli 1976 den Beruf einer Bekleidungsfertigerin erlernt, den sie bis 1986 (als Näherin) auch versicherungspflichtig ausgeübt hat. 1984 und 1986 wurden ihre beiden Töchter geboren. Nach Geburt der zweiten Tochter war die Klägerin nicht mehr erwerbstätig, sie widmete sich 10 Jahre lang der Kindererziehung und meldete sich ca. 1995 arbeitsuchend. Zuletzt war sie arbeitsuchend bzw. arbeitsunfähig und bezog ab 2005 auch Arbeitslosengeld II.

Ein erster Rentenantrag der Klägerin im Jahr 1995 wurde abgelehnt, die hiergegen zum Sozialgerichts Bayreuth (SG) erhobene Klage, die unter dem Az. S 2 Ar 464/95 geführt wurde, wurde durch Rücknahme im Erörterungstermin vom 23.01.1996 beendet.

Am 19.05.2005 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten wegen vorliegender Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Herzrhythmusstörungen, Herzschrittmacher, geschwürige Dickdarmentzündung, Kniegelenke und Krampfadern. Die Beklagte holte zunächst ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr.H. ein, der am 22.06.2005 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin sowohl ihre letzte Tätigkeit als Näherin als auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.06.2005 den Rentenantrag der Klägerin ab. Nach Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte ein internistisches Gutachten von Dr.H. vom 24.08.2005, ein chirurgisches Gutachten von Dr.R. vom 19.09.2005 sowie eine psychiatrisches Gutachten von Frau Dr.F. ebenfalls vom 19.09.2005 ein. Die Sachverständigen kamen insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die Tätigkeit als Näherin nur noch 3 bis unter 6 Stunden ausüben könne, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aber mit qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich möglich seien. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei ebenso gegeben wie die Umstellungsfähigkeit. Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.06.2005 als unbegründet zurück. Es liege keine Erwerbsminderung iS des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor. Auch ein Anspruch nach § 240 SGB VI auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da die Klägerin lediglich eine Anlerntätigkeit ausgeübt habe und somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne.

Zur Begründung der am 18.10.2005 zum SG Bayreuth erhobenen Klage verwies die Klägerin darauf, dass ihre Erkrankungen insgesamt nicht ausreichend erfasst würden, insbesondere hindere sie der Umfang ihrer Darmerkrankung, der Herzschrittmacher sowie eine bestehende Stressinkontinenz an der Ausübung einer nennenswerten Arbeitsleistung. Ferner sei ihre Ausbildung nicht nur als Anlerntätigkeit einzustufen. Sie habe für die Tätigkeit als Bekleidungsfertigerin zunächst die Stufe I der Ausbildung als Bekleidungsnäherin absolvieren müssen. Die Klägerin habe lediglich die dritte Stufe der Ausbildung zur Bekleidungsschneiderin nicht absolviert. Es handle sich jedoch um eine zweijährige Ausbildung.

Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte und der Schwerbehindertenakte der Klägerin ein Terminsgutachten von Dr. eingeholt, der am 07.11.2006 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne. Bei der Klägerin stehe die depressive Störung im Vordergrund. Die übrigen Gesundheitsstörungen seien nicht sehr ausgeprägt, wobei die Herzrhythmusstörungen durch den Herzschrittmacher gut therapiert würden. Stärkere Beeinträchtigungen seitens des Bewegungsapparates bestünden nicht. Auch die chronische Darm...

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