Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat dem Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

In diesem Rechtsstreit geht es um einen Arzneimittelregress.

Die Klägerin betreibt eine für die onkologische Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ermächtigte Ambulanz. Dort wurde der April 1936 geborene, bei der Beigeladenen zu 2) versicherte Patient S., der an einem metastasierenden Nierenzellkarzinom (NZK) erkrankt war, in der Zeit vom März 1998 bis November 1998 wegen nicht operabler deutlich progredienter Lungenmetastasen mit dem Medikament "Proleukin" behandelt. Dabei folgte die Klägerin einem von einer Arbeitsgruppe der Universität H. entwickelten Behandlungsschema, das eine zu 90 % inhalative und zu 10 % subkutane Verabreichung empfahl. Bei dem unter dem Handelsnamen "Proleukin" im Verkehr gebrachten Arzneimittel handelte sich um ein Interleukin-2 (Il-2)-Präparat, das für die Behandlung metastasierender NZK arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Die Zulassung umfasste damals nur die intravenöse Verabreichung. Später (2001) wurde das Medikament auch für die subkutane Applikation (bei gleicher Indikation) zugelassen. Die Rezepte, mit denen das Proleukin verordnet wurde, datieren vom 15. April und 8. Mai 1998 sowie vom 22. Oktober und 4. November 1998. Die Behandlung bei der Klägerin endete im Dezember 1998. Anschließend wurde der Versicherte im Universitätskrankenhaus in H. weiter behandelt und ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.

Die Beigeladene zu 2) hat mit Schreiben vom 21. Dezember 1998 beim Prüfungsausschuss Antrag auf Überprüfung der Verordnungs- weise im Behandlungsfall S. gestellt. Bei Proleukin handle es sich um ein für die Infusionsbehandlung bei metastasierendem NZK zugelassenes Arzneimittel. Die Klägerin habe dieses jedoch als Inhalationslösung angewendet. Dabei handle es sich um eine Methode, die sich ausschließlich noch in einem experimentellen Stadium befunden habe. Erprobungen auf Kosten der Versicherungsträger seien nach Ziffer 12 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) unzulässig. Die Klägerin hat dem entgegengehalten, bei dem Patienten S. sei im Oktober 1997 ein metastasierendes NZK diagnostiziert worden und daraufhin eine Nephrektomie durchgeführt worden. Bereits fünf Monate später seien multiple, nicht operable Lungenmetastasen aufgetreten, die bei Kontrolle nach zwei Monaten deutlich progredient gewesen seien. Damit habe eine eindeutige Indikation zur Aufnahme einer Therapie bestanden. Von einer Arbeitsgruppe der Universität H. sei eine Therapie entwickelt worden, die bei pulmonal metastasierendem Nierenkarzinom die inhalative und subkutane Applikation von (Il-2) vorsehe. Seit Dezember 1989 seien insgesamt 116 Patienten mit inhalativem Il-2 behandelt worden. Dabei hätten 15 % eine Remission, 55 % einen stabilen Zustand gezeigt, 30 % seien progredient gewesen. Also hätten zwei Drittel der Patienten von der Therapie profitiert. Im vorliegenden Fall sei mit der Therapie im April 1998 begonnen worden. Zwei Behandlungsmonate bis Juni 1998 hätten zu einer Stabilisierung geführt. Das Kontroll-CT des Thorax habe am 8. Oktober 1998 nach einem dreimonatigen therapiefreien Intervall eine erneute Progression gezeigt, woraufhin die Behandlung im Oktober 1998 im Rahmen eines individuellen Heilversuchs auf der Grundlage eines klinisch erwiesenen Therapiekonzeptes wieder aufgenommen worden sei.

Der Prüfungsausschuss hat sich der Auffassung der Beigeladenen zu 2) angeschlossen und mit Bescheid vom 6. April 1999 einen Regress in Höhe von 108.031,41 DM gegen die Klägerin festgesetzt.

Dagegen hat diese Widerspruch eingelegt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, bei der inhalativen Anwendung von Il-2 habe es sich um eine verbreitete Therapieform im Sinne der BSG-Rechtsprechung gehandelt. Außerhalb M. seien an vier Zentren in Deutschland mindestens 233 Patienten in dieser Weise behandelt worden. Ca. 80 % der Patienten hätten von der nebenwirkungsarmen Behandlung profitiert. Bei der inhalativen Applikation bleibe die Lebensqualität langfristig (ca. ein Jahr) erhalten, während sie bei intravenöser Applikation bei praktisch allen Patienten ständig abnehme. Zwar sei nach der roten Liste nur die intravenöse Dauerinfusion zugelassen. Doch seien die oben genannten Daten ausreichend für die Begründung eines individuellen Heilversuchs. Es handle sich nicht um eine experimentelle Indikation, also keine klinische Studie, die nicht in der Leistungspflicht der GKV liegen würde.

Die Beigeladene zu 2) hat ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) der Krankenkassen zur inhalativen Anwendung von Interleukin bei metastasierendem NZK vom 8. Juli 1999 vorgelegt, in dem unter anderem ausgeführt wird, Il-2 sei für die systematische Anwendung intravenös oder subkutan zur Behandlung des metastasierenden NZK zugelassen. Gemäß § 29 Abs.3 ...

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