TOP 1 § 55 SGB V – Leistungsanspruch (Zahnersatz)
hier: Erhöhung der Festzuschüsse ab 1.10.2020
Sachstand:
Versicherte haben nach den Vorgaben in § 55 Abs. 1 Sätze 2 bis 7 SGB V Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Gemäß § 87 Abs. 1a SGB V hat der Vertragszahnarzt vor Behandlungsbeginn einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung beinhaltet. Dieser ist vor Beginn der Behandlung von der Krankenkasse zu prüfen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGB V entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund. Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 SGB V mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Die Festzuschüsse werden gezahlt, wenn der Zahnersatz in der bewilligten Form innerhalb von 6 Monaten eingegliedert wird (vgl. BMV-Z Stand 1.7.2020, Anlage 2 Nr. 5).
Mit dem "Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG)", welches in wesentlichen Teilen am 11.5.2019 in Kraft getreten ist (BGBl. I Nr. 18 vom 10.5.2019, S. 646 ff.), sollten neben der Verbesserung des Zugangs der Patientinnen und Patienten zur ambulanten ärztlichen Versorgung u.a. die Leistungsansprüche der Versicherten in einzelnen Bereichen der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung erweitert werden, um die Versicherten bei der Aufbringung ihres Eigenanteils zu entlasten. So werden mit Wirkung zum 1.10.2020 die befundorientierten Festzuschüsse auf 60 % der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 5 und 6 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgesetzten Beträge für die zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen für die jeweilige Regelversorgung erhöht. In der Praxis kam die Frage auf, ob die ab 1.10.2020 geltenden Festzuschüsse auch zur Anwendung kommen, wenn der Heil- und Kostenplan bereits vor dem 1.10.2020 ausgestellt wurde.
Zur Beantwortung dieser Frage wurden zwei Fallkonstellationen erörtert:
1. Der Heil- und Kostenplan wurde vor dem 1.10.2020 ausgestellt und bereits von der Krankenkasse bewilligt, jedoch wurde der Zahnersatz noch nicht eingegliedert
Die Bewilligung des Heil- und Kostenplans vor dem 1.10.2020 ist nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage, also mit dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vomhundertsatz zur Ermittlung des Festzuschusses, erfolgt. Es handelt sich bei der Bewilligung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn sie ermöglicht den Versicherten für die Dauer von 6 Monaten die auf Versorgung mit Zahnersatz gerichtete vertragszahnärztliche Behandlung unter Inanspruchnahme eines Festzuschusses (vgl. BSG, Urteile vom 6.6.1991, 3 RK 37/89, juris, Rn. 23 sowie vom 7.5.2013, B 1 KR 5/12 R, juris, Rn. 21). Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Vorschrift ermöglicht die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlass eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zu dem (dann) geltenden Recht stehen (vgl Hauck/Haines, K § 48 Rz 10 und 11). Deshalb müsse, wenn eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt, allein die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich eingetretenen Änderung verglichen werden. Erfasst wird hierbei jede Änderung von Gesetzen im materiellen Sinne (vgl. BSG, Urteile vom 3.10.1989, 10 RKg 7/89, juris, Rn. 12; 27.11.1991, 9a RV 13/90, juris, Rn. 15; 30.6.1998, B 2 U 41/97 R, juris, Rn. 19). Der Zeitpunkt der Änderung der rechtlichen Verhältnisse, auf deren Grundlage der Heil- und Kostenplan ursprünglich bewilligt wurde, ist bezogen auf die hier relevante Fallkonstellation der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsänderung auf Grundlage des TSVG zum 1.10.2020. Die Erhöhung des Vomhundertsatzes zur Ermittlung des Festzuschusses stellt eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X dar. Wesentlich ist gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistungen rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse. Hierzu zählen alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltung...