TOP 1 § 200 RVO / § 29 KVLG - Mutterschaftsgeld;

hier: Beginn der Schutzfrist während unbezahlten Urlaubs

Sachstand:

Weibliche Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben oder denen wegen der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, erhalten Mutterschaftsgeld. Für Mitglieder, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG u. a. in einem Arbeitsverhältnis stehen, wird als Mutterschaftsgeld das um die gesetzlichen Abzüge verminderte durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG gezahlt. Es beträgt höchstens 13 EUR für den Kalendertag (vgl. § 200 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 RVO / § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 KVLG).

Für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld ist u. a. der Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG als Tatbestand (Versicherungsfall) leistungsauslösend. Voraussetzung ist allerdings, dass zu diesem Zeitpunkt eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht (Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft vom 23. Februar 2005, Abschnitt 7.1.2).

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Februar 2004 – B 1 KR 7/02 R – (Anlage 1) besteht erst ab dem Zeitpunkt ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld, ab dem der unbezahlte Urlaub während der Schutzfristen endet, wenn zu Beginn der Schutzfrist eine Mitgliedschaft vorlag (vgl. auch o.a. Rundschreiben, Abschnitt 7.2.2.3). In dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt war die betroffene Klägerin vom Beginn der Schutzfrist an durchgehend eigenständiges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Demnach waren nach Ende des unbezahlten Urlaubs die Anspruchsvoraussetzungen nach § 200 Abs. 1 RVO / § 29 Abs. 1 KVLG erfüllt (Mitglied zu Beginn der Schutzfrist und während der Schutzfristen kein Arbeitsentgelt). Im Hinblick auf die in § 200 Abs. 1 Alternative 2 RVO / § 29 Abs. 1 Alternative 2 KVLG enthaltene Voraussetzung, wonach wegen der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, führte das BSG in seiner Urteilsbegründung Folgendes aus:

Zitat

Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass der den Leistungsanspruch auslösende "Versicherungsfall der Mutterschaft" mit dem Tag des Beginns der Schutzfristen gleichzusetzen und auf diesen begrenzt sei, so dass an diesem Tag sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld vorliegen müssten (so zB Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 5. Aufl 1999, § 200 RVO RdNr 16); der Anspruch soll daher nicht mehr entstehen können, falls ein bei Beginn der Schutzfristen noch andauernder unbezahlter Urlaub während der Fristen endet (so die Besprechungsergebnisse der Krankenkassen-Spitzenverbände vom 19. Januar 1996 und vom 11./12. [richtig] November 1996). Dem folgt der Senat nicht. […] Ob und von wann an der Versicherungsfall der Mutterschaft den Anspruch auf Mutterschaftsgeld auslöst, d.h., zum Leistungsfall wird, bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls, sondern nach dem Ursachenzusammenhang zwischen Beschäftigungsverbot und Entgeltausfall. […] Ohne dass der Fall der Klägerin Anlass bietet, zu den Konsequenzen dieser Unterscheidung im Einzelnen Stellung zu nehmen, kann doch festgestellt werden, dass jedenfalls im Rahmen von § 200 Abs 1 Alt 2 RVO eine Rückbeziehung der Bedarfslage auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht gerechtfertigt ist. Wie schon das LSG entschieden hat, kommt es vielmehr für das Bestehen von Ansprüchen auf Mutterschaftsgeld auf eine Betrachtung der gesamten Dauer der Schutzfristen an (ebenso: LSG Niedersachsen, Urteile vom 25. April 2001 - L 4 KR 68/99 und vom 28. August 1996 - L 4 KR 56/96; ferner Kruse in: LPK-SGB V, 2. Aufl 2003, Anhang 6 zu § 24a,b RdNr 19; ders in: GK-SGB V, § 24b SGB V Anhang 6, § 200 RVO RdNr 19). Dies führt dazu, dass Mutterschaftsgeld - wie hier - auch noch von einem Zeitpunkt nach Beginn der Mutterschutzfristen an zu gewähren ist, wenn und solange die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

Fraglich ist somit, ob ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld auch dann einzuräumen ist, wenn zum Zeitpunkt des Beginns der Schutzfrist während eines unbezahlten Urlaubs eine Familienversicherung nach § 10 SGB V besteht, somit der o. a. Grundsatz, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls eine Mitgliedschaft bestehen muss, durchbrochen wird.

Die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene und der GKV-Spitzenverband haben anlässlich der Besprechung zum Leistungsrecht am 17./18. Juni 2009 (TOP 2) das Urteil des BSG vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 17/07 R – (Anlage 2) erörtert und diesem im Ergebnis zugestimmt. Das BSG hat festgestellt, dass bei Beginn des Arbeitsverhältnisses während der Schutzfrist auch ohne Arbeitsleistung und Entgeltzahlung durch den Arbeitgeber eine Mitgliedschaft zustande kommt. Dies wurde u. a. damit begründet, dass es nic...

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