Durch den medizinischen Fortschritt und ein hohes Versorgungsniveau in Deutschland wird eine Vielzahl von Versicherten mit weiterhin bestehendem intensivpflegerischen Versorgungsbedarf aus der Krankenhausbehandlung entlassen. Für das Jahr 2020 verzeichnen die GKV-Statistiken ca. 18.000 Leistungsfälle in der außerklinischen ambulanten und ca. 2.600 Leistungsfälle in der außerklinischen stationären Intensivpflege und Leistungsausgaben in Höhe von rund 2,2 Mrd. Euro. Aufgrund der bisherigen strukturellen Rahmenbedingungen wurden diese Versicherten jedoch häufig ohne Ausschöpfung des Potenzials zur Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung in die außerklinische Intensivpflege entlassen. Dies führte insbesondere in der ambulanten Versorgung zu Fehlanreizen bei der außerklinischen Intensivpflege.

Mit dem Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG) werden die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V überführt. Ab dem 31. Oktober 2023 besteht bei diesen Versicherten kein Anspruch mehr auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Absatz 2 SGB V, wenn Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V tatsächlich erbracht werden.

Mit den im Gesetz vorgesehenen Regelungen zur außerklinischen Intensivpflege nimmt der Gesetzgeber erstmals den gesamten Versorgungspfad im Bereich der Intensivpflege - von der Krankenhausbehandlung über die Beatmungsentwöhnung bis hin zu einer qualitätsgesicherten spezialisierten außerklinischen Intensivversorgung – in den Blick. Ein Fokus liegt dabei auf der Versorgung von Versicherten mit dem Bedarf einer außerklinischen Beatmung.

Das IPReG sieht eine Vielzahl von Regelungen vor, um die besonderen Bedarfe der betroffenen Versicherten zu berücksichtigen, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung sicherzustellen sowie Fehlanreize und Missbrauch zu verhindern. So bedarf die Leistung z. B. der Verordnung durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt, die oder der für die Versorgung dieser Versicherten besonders qualifiziert ist. Bei Versicherten, die beatmet werden oder tracheotomiert sind, sind mit jeder Verordnung einer außerklinischen Intensivpflege das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung sowie die zu deren Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu erheben, zu dokumentieren und auf deren Umsetzung hinzuwirken. In der Richtlinie über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist konkretisiert worden, in welchen Fallkonstellationen und zeitlichen Zusammenhängen zur Verordnung das Potenzial zur Beatmungsentwöhnung bzw. Dekanülierung zu beurteilen ist.

Außerklinische Intensivpflege kann z. B. in vollstationären Pflegeeinrichtungen, in Wohneinheiten oder im eigenen Haushalt erbracht werden. Bei der Leistungsentscheidung der Krankenkasse ist den berechtigten Wünschen der Versicherten hinsichtlich des Orts der Leistung Rechnung zu tragen, soweit die medizinische und pflegerische Versorgung am gewünschten Leistungsort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann. Die Wahl des Wohnortes und der Schutz der Familie sind Grundrechte. Darüber hinaus dient die außerklinische Intensivpflege im Rahmen des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung auch der Verbesserung der Lebensqualität (§ 2 Absatz 1 Satz 2 AKI-RL). Deshalb sind persönliche, familiäre und örtliche Umstände im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtung zu berücksichtigen (§ 37c Absatz 2 Satz 3, 2. Halbsatz SGB V). Da Versorgungslücken im intensivpflegerischen Bereich zu schweren sowie lebensbedrohlichen Konsequenzen für die Versicherten führen können, ist die adäquate medizinische und pflegerische Versorgung an diesen Orten kontinuierlich im Pflegealltag zu gewährleisten (Gesetzentwurf GKV-IPReG vom 20.05.2020).

Die Feststellung darüber, ob die Voraussetzungen für eine intensivpflegerische Versorgung nach § 37c Absatz 1 SGB V (Anspruchsvoraussetzung) vorliegen und die Versorgung am Leistungsort nach § 37c Absatz 2 SGB V sichergestellt ist (Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung am Leistungsort), wird durch die Krankenkasse nach persönlicher Begutachtung der oder des Versicherten am Leistungsort durch den Medizinischen Dienst getroffen. Die Krankenkasse hat ihre Feststellung jährlich zu überprüfen und hierzu eine persönliche Begutachtung durch den Medizinischen Dienst zu veranlassen.

Die vorliegende Begutachtungsanleitung soll dazu beitragen, die Einzelfallbegutachtung durch den Medizinischen Dienst für die gesetzliche Krankenversicherung hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen für eine außerklinische intensivpflegerische Versorgung nach § 37c Absatz 1 SGB V und die Voraussetzungen f...

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