Zusammenfassung
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit objektiv gebotene Maßnahmen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft unsachgemäß ausführt. Es wird diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die allgemein von einem ordentlichen, pflichtbewussten Arzt in der konkreten Situation zu erwarten ist. Folgt aus dem Behandlungsfehler ein Gesundheitsschaden, dann hat dieses sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen.
Sozialversicherung: Schadenersatz aufgrund einer Pflichtverletzung aus dem Behandlungsvertrag sowie wegen deliktischer Haftung des Arztes regeln die §§ 280 Abs. 1 und 823 Abs. 1 BGB. Strafrechtlich kann es sich um fahrlässige Tötung nach § 222 StGB oder fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB handeln. Die Verjährungsfrist der Schadensersatzansprüche ist in § 195 BGB festgelegt. Die Unterstützung der Krankenkassen bei Behandlungsfehlern enthält § 66 SGB V. Die Zivilgerichtsbarkeit hat eine ständige Rechtsprechung zum Begriff des Behandlungsfehlers entwickelt (BGH, Urteil v. 6.10.2009, VI ZR 24/09). Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten in die einschlägigen Gesetze übertragen worden. In einer Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe haften die Gesellschafter gesamtschuldnerisch für die Folgen eines Behandlungsfehlers (BSG, Urteil v. 4.5.2016, B 6 KA 24/15 R).
1 Behandlungsfehler
Ein Behandlungsfehler ist eine nicht sorgfältige, fachgerechte oder zeitgerechte Behandlung des Patienten durch einen Arzt. Er betrifft alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit beim Notfall, Krankentransport, in der ärztlichen Praxis, bei Hausbesuchen oder im Krankenhaus. Der Fehler kann medizinischer oder organisatorischer Natur sein. Dazu gehören auch Fehler nachgeordneter oder zuarbeitender Personen oder eine fehlende, unrichtige, unverständliche oder unvollständige Aufklärung des Patienten über medizinische Eingriffe und ihre Risiken sowie Dokumentationsmängel.
1.1 Fahrlässigkeit/Vorsatz
Wenn nach einer Behandlung der Erfolg ärztlicher Maßnahmen ausbleibt, können die Ursachen in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen liegen. Für den ärztlichen Behandlungsfehler sind nur die unzulänglichen Bemühungen bedeutsam. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn gegen die allgemein anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft verstoßen wird. Damit handelt der Arzt fahrlässig oder vorsätzlich.
1.2 Fallgruppen
Ärztliche Behandlungsfehler können u. a. in folgenden Fallgruppen auftreten:
- Organisationsverschulden (z. B. im Krankenhaus durch den Krankenhausträger oder den verantwortlichen Chefarzt, die Mitarbeiter nicht ausreichend über Hygienemaßnahmen aufgeklärt haben),
- Übernahmeverschulden (z. B. bei Studenten, in Ausbildung befindlichen Ärzten oder Assistenzärzten, die ohne ausreichende Fachkenntnisse eine ärztliche Behandlung ohne Aufsicht eines verantwortlichen Arzt durchführen),
- Nichtbehandlung (z. B. durch vorsätzliches oder fahrlässiges Unterlassen medizinisch gebotener Behandlung, weil der Arzt eine kontraindizierte Medikation nicht erkennt),
- abweichende Behandlung (z. B. Durchführung einer vom aktuellen ärztlichen Standard abweichenden Therapie),
- Aufklärungsfehler (z. B. durch einen unterlassenen Hinweis auf fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse einer Außenseitermethode).
2 Schadenersatzanspruch
Der Patient hat einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens durch erforderliche Heilbehandlungskosten sowie auf Schmerzensgeld, wenn der ärztliche Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist (z. B. Lähmungserscheinungen im rechten Bein aufgrund einer Nervenschädigung durch einen fehlerhaften operativen Eingriff). Der Anspruch auf Schadensersatz geht auf leistungspflichtige Sozialversicherungsträger über, soweit diese aufgrund des Gesundheitsschadens Sozialleistungen zu erbringen haben.
3 Beweislast
Wenn durch die Behandlung ein Gesundheitsschaden eintritt, wird vermutet, dass der Arzt schuldhaft gehandelt und einen Fehler begangen hat. Der Arzt trägt die Beweislast dafür, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat.
Ursachenzusammenhang
Der Behandlungsfehler muss ursächlich für den eingetretenen Gesundheitsschaden sein. Den Beweis hat der Patient anzutreten. Ausnahme: Der Arzt begeht einen groben Behandlungsfehler.
Zur Beweislast des Arztes gehört auch der Nachweis, dass der Patient in die Behandlung eingewilligt hat und über die Behandlung aufgeklärt wurde.
Behandlungsrisiko
Wenn durch die Behandlung ein Gesundheitsschaden eintritt und der Patient dieses Risiko kannte, liegt kein Behandlungsfehler vor.
Erforderliche medizinische Maßnahmen und Ergebnisse sind in der Patientenakte aufzuzeichnen und aufzubewahren. Fehlen entsprechende Aufzeic...