41 Erkrankungen durch anorganische Stäube
4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)
Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)
Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 4101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung:
Bek. des BMA vom 3. Februar 1998 - IVa 4-45206-4101/4102; Bundesarbeitsblatt 4/1998, S. 61
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Die Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) entsteht durch Einwirkung alveolengängiger Staubpartikel*), die Quarz, Cristobalit oder Tridymit enthalten. Die Gefährdung wächst mit der Zunahme der Staubkonzentration in der Atemluft, mit der Zunahme der alveolengängigen Staubfraktion sowie mit dem Gehalt an kristallinem Siliziumdioxid (SiO2) und mit der Expositionszeit (Valentin et al. 1985, Hnizdo und Sluis-Cremer 1993, Steenland und Brown 1995).
Gefahrenquellen sind z. B. die Gewinnung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Sandstein, Quarzit, Grauwacke, Kieselerde (Kieselkreide), Kieselschiefer, Quarzitschiefer, Granit, Porphyr, Bimsstein, Kieselgur, Steinkohle und keramischen Massen. Auch silikatisches Material kann, wenn freie kristalline Kieselsäure darin enthalten ist, eine Gefahrenquelle sein, z. B. Talkum.
Gefährdet sind insbesondere Erz- (einschließlich Uranerz-) und Steinkohlebergleute, Tunnelbauer, Gußputzer, Sandstrahler, Ofenmaurer, Former in der Metallindustrie und Personen, die bei der Steingewinnung, -bearbeitung und -verarbeitung oder in grob- und feinkeramischen Betrieben sowie in Dentallabors beschäftigt sind.
II. Pathophysiologie
Quarzstaub zeichnet sich durch seine makrophagenzerstörende Wirkung (Zytotoxizität) und einen Lymphotropismus aus (Woitowitz in: Valentin et al. 1985). Staubpartikel, die den Alveolarraum erreichen, werden von Alveolarmakrophagen phagozytiert, durch die physiologischen Reinigungsmechanismen in das Lungeninterstitium weitertransportiert und bevorzugt in den Lymphknoten deponiert (Rom et al. 1991, Becklake 1994).
Phagozytierte Quarzpartikel aktivieren die Alveolarmakrophagen. Es kommt zu deren Proliferation und einer Alveolitis mit erhöhter Bildung von Sauerstoffradikalen, die eine direkte Parenchymschädigung auslösen können. Zusätzlich werden z. T. zelltoxische Zytokine (z. B. Fibronektin, Tumor-Nekrose-Faktor oder Insulin like growth factor) frei, die die Fibroblastenproliferation und deren Kollagensynthese stimulieren (Begin 1987, Ghio et al. 1990, Rom et al. 1987, Lapp et al. 1993, Becklake 1994, Vanhee et al. 1995).
Der typische silikotische Herd ist bei reiner Quarzstaubbelastung ein scharf abgesetztes, konzentrisch geschichtetes hyalin-schwieliges Knötchen (Hartung und Seong Moon 1992). Diese, und infolge des lymphogenen Abtransportes auch die hilären oder mediastinalen Lymphknoten, können verkalken (Eierschalensilikose) (Reichel 1994).
Bei quarzarmen Mischstäuben, wie bei Einwirkung des Kohlegrubenstaubs, werden die Gewebsreaktionen wesentlich durch die Begleitstäube mitgeprägt. Es bilden sich Granulationsgewebsmäntel um die silikotischen Kerne, die einen breiten Saum von Staubphagozyten aufweisen (Reichel 1994).
Dicht beisammenliegende Knötchen konfluieren. Dadurch entstehen Ballungen und ausgedehnte Schwielen mit Auswirkung auf die Architektur des Parenchyms, der Bronchien und der Gefäße. Beim Fortschreiten der Silikose treten in der Regel zunehmend meßbare Störungen der Ventilation, Diffusion und Perfusion auf. Durch Einengung der Lungenstrombahn kann es zur Druckerhöhung im kleinen Kreislauf mit Druckbelastung des rechten Herzens und Rechtsherzhypertrophie kommen.
Funktionelle Auswirkungen können bei disseminiert feinherdigen Silikosen (pinhead- oder Körner-Typ) schwerwiegender sein als bei Silikosen mit größeren Herden (Ballungstyp), wenn diese nur vereinzelt vorhanden sind.
Heute beobachtet man vor allem die chronische Silikose, die sich im allgemeinen sehr langsam über Jahrzehnte entwickelt (Balaan et al. 1993, Hnizdo und Sluis-Cremer 1993). Die Silikose kann auch nach Beendigung der gefährdenden Arbeit fortschreiten oder erst in Erscheinung treten (Hessel et al. 1988, Balaan et al. 1993, Reichel 1994, Hnizdo und Sluis-Cremer 1993, Becklake 1994, Finkelstein 1994).
Akute Silikosen entwickeln sich rasch progredient nach sehr hoher Quarzstaubexposition (Banks et al. 1983, Balaan et al. 1993).
III. Krankheitsbild und Diagnose
Die Diagnose ist nur aufgrund von Röntgenaufnahmen der Lunge unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsanamnese einschließlich der Art und des Umfangs der Staubbelastung möglich (Woitowitz in: Valentin et al. 1985, Balaan et al. 1993).
Die Thoraxübersichtsaufnahme in Hartstrahltechnik stellt auch nach Einführung der computertomographischen Untersuchungsverfahren die Standardmethode der Silikosediagnostik dar. Die röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen werden nach der Internationale Staublungenklassifikation (ILO) 1980/Deutsche Version (Bohlig et al. 1981) beschrieben und bewertet (siehe Anhang). Computertomographische Untersuchungen können in besonderen Fällen ungeklärter Differentialdiagnose oder zur Früherkennung unter besonderer Fragestellung, z. B. der Hilussilikose, angezeigt sein.
Bei einer Silikose ...