Merkblatt zur BK Nr. 4112 der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)
Bundesarbeitsblatt Nr. 11/2002, S. 64-65
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Als kristalline Modifikationen des Siliziumdioxids (SiO2) werden in diesem Merkblatt Quarz, Cristobalit und Tridymit behandelt. Quarzhaltige Stäube in Kohlengruben sind nicht Gegenstand dieser Berufskrankheit. (vgl. auch Abschnitt IV).
Quarz ist das zweithäufigste Mineral in der Erdkruste. Es kommt in vielen Gesteinen zu nicht unerheblichen Anteilen und demzufolge auch in den daraus durch Verwitterung entstandenen Böden vor.
Arbeitsbedingte Gefahrenquellen bestehen durch Staubentwicklung bei der Gewinnung, Be- oder Verarbeitung insbesondere von Sandstein, Quarzit, Grauwacke, Kieselerde (Kieselkreide), Kieselschiefer, Quarzitschiefer, Granit, Gneis, Porphyr, Bimsstein, Kieselgur und keramischen Massen.
Insbesondere sind die Natursteinindustrie bei der Gewinnung, Verarbeitung und Anwendung von Festgesteinen, Schotter, Splitten, Kiesen, Sanden, das Gießereiwesen - insbesondere beim Aufbereiten von Formsanden und Gußputzen, die Glasindustrie (Glasschmelzsande), die Emaille- und keramische Industrie (Glasuren und Fritten, Feinkeramik), die Herstellung feuerfester Steine sowie die Schmucksteinverarbeitung zu nennen. Weiterhin wird Quarzsand bzw. Quarzmehl als Füllstoff (Gießharze, Gummi, Farben, Dekorputz, Waschpasten), als Filtermaterial (Wasseraufbereitung) und als Rohstoff, z.B. für die Herstellung von Schwingquarzen, Siliziumcarbid, Silikagel, Silikonen und bei der Kristallzüchtung eingesetzt. Die Verwendung als Schleif- und Abrasivmittel (Polier- und Scheuerpasten) oder als Strahlmittel ist ebenfalls zu erwähnen.
Mit dem Vorkommen von Cristobalit und Tridymit ist zu rechnen, wenn Diatomeenerden, Sande oder Tone einer hohen Temperatur ausgesetzt wurden, so z.B. in feuerfesten Steinen und gebrannter Kieselgur. Solche Cristobalitsande und -mehle werden als Füllstoffe in Farben, Lacken und Kunststoffputz, in keramischen Fliesenmassen, in Scheuermitteln sowie als Bestandteil von Einbettmassen für den Dental-, Schmuck- und anderen Präzisionsguß verwendet.
Als potentiell besonders durch lungengängige Quarzstäube exponierte Berufsgruppen sind Erz- (einschließlich Uranerz-) bergleute, Schachthauer sowie Gesteinshauer (auch im Steinkohlenbergbau, soweit diese Tätigkeiten des Schacht- und Gesteinshauers die gesamte Quarzstaubdosis überwiegend bedingt hat), Tunnelbauer, Gußputzer, Sandstrahler, Ofenmaurer, Former in der Metallindustrie zu nennen, weiterhin Personen, die bei der Steingewinnung, -bearbeitung und -verarbeitung oder in grob- und feinkeramischen Betrieben sowie in Dentallabors beschäftigt sind.
II. Pathophysiologie
Die allgemeinen Wirkungen von kristallinen SiO2-Partikeln beruhen auf einer direkten Wechselwirkung der Kristalloberfläche mit Zellmembranen oder Zellflüssigkeiten.
Bezüglich der Wirkung von einatembarem kristallinem Siliziumdioxid sind zwei pathogenetische Mechanismen zur unterscheiden:
a. |
Die nach Alveolardeposition von Fibroblasten ausgehende fibrogene Wirkung, deren Kenntnis zur Aufnahme der Silikose und Siliko-Tuberkulose in die Liste der Berufskrankheiten führte (vgl. Merkblätter zu Nrn. 4101 und 4102 Anl. BKV) und |
b. |
eine primär die Epithelzellen der mittleren und tiefen Atemwege betreffende kanzerogene Wirkung. |
Allgemein wächst die Gefährdung mit der Zunahme des alveolengängigen Anteils an der Staubfraktion, mit dem Gehalt an kristallinem Siliziumdioxid (SiO2) sowie der Expositionszeit.
Die Erkenntnisse aus Studien bei Tier und Mensch veranlassten die IARC (International Agency for Research on Cancer), im Jahre 1997 Quarz als "krebserregend für den Menschen" einzustufen. Auch durch die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde 1999 die krebserzeugende Wirkung von "Siliziumdioxid, kristallin - Quarz-, Cristobalit-, Tridymitstaub (alveolengängiger Anteil - identisch mit der älteren Definition "Feinstaub"; - Formel SiO2)" nach Kategorie 1 als für den Menschen gesichert krebserzeugend eingestuft.
Nach Adjustierung auf die Rauchgewohnheiten als wichtigstem Confounder zeigt sich in Metaanalysen, daß sich das Lungenkrebsrisiko beim Vorliegen einer Silikose sowohl für Nichtraucher als auch für Raucher im Mittel um mehr als das Zweifache erhöht.
In einer Reihe von Industrie- und Wirtschaftszweigen wurden epidemiologisch solche Überhäufigkeiten von Lungenkrebs beobachtet. Dies gilt vorrangig für den Erzbergbau, die Gewinnung und Bearbeitung von Naturstein, die keramische Industrie, Silikat- und Tonsteinindustrie, die Aufbereitung und den Umschlag von Diatomeenprodukten und die Gießereiindustrie. Die Datenlage zum Lungenkrebsrisiko von Steinkohlenbergleuten ist noch uneinheitlich, so dass diese derzeit vom Geltungsbereich der Nr. 4112 Anl. BKV ausgenommen sind.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Lungenkrebs im Sinne dieser BK ist das Bronchialkarzinom.
Bezüglich der aus der fibrogenen Wirkung von Quarzstau...