Entscheidungsstichwort (Thema)
Abziehbarkeit von Schuldzinsen nach "Umwidmung" des Darlehens - Zinsen aus kurzfristiger Festgeldanlage nach Grundstücksveräußerung vor Ablösung der "Grundstücksschulden" steuerpflichtig - wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit Kapitaleinkünften - finaler Werbungskostenbegriff - Ermittlung des Zinsanteils bei zinsloser Stundung des Kaufpreises aus einer Grundstücksveräußerung über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten
Leitsatz (amtlich)
Wird ein mit Darlehensmitteln angeschafftes oder hergestelltes, bislang zur Erzielung von Überschußeinkünften verwendetes Wirtschaftsgut (hier: Grundstück) veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkunftserzielung eingesetzt (hier: Festgeldanlage), so können die für das aufrechterhaltene Darlehen gezahlten Zinsen als Werbungskosten (Betriebsausgaben) bei der neuen Kapitalanlage zu berücksichtigen sein (ständige Rechtsprechung: vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. Februar 1985 VIII R 59/83, BFH/NV 1985, 69; vom 7. August 1990 VIII R 67/88, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14; vom 7. März 1995 VIII R 9/94, BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697). Dieser Abzug setzt nicht zwingend voraus, daß der Darlehensgläubiger der Änderung des Darlehenszwecks zustimmt; denn die Zustimmung des Darlehensgläubigers stellt lediglich ein --wenn auch gewichtiges-- Indiz für die "Umwidmung" des Darlehens dar (Anschluß an Senatsurteil in BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697), dessen Vorliegen entbehrlich ist, wenn der Nachweis der Verwendung des "Surrogats" für Zwecke der Einkunftserzielung anhand anderer (Hilfs-)Tatsachen eindeutig geführt werden kann.
Orientierungssatz
1. Muß nach der Veräußerung eines Grundstücks etwa die Hälfte des Verkaufserlöses zur Ablösung der auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten verwendet werden, so führen die Zinsen aus einer zwischenzeitlichen Festgeldanlage des auf ein Notaranderkontos eingezahlten Verkaufspreises in voller Höhe zur Erzielung von Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn insgesamt ein Überschuß der Festgeldzinsen über die für die Grundstücksdarlehen aufzuwendenden Schuldzinsen entsteht. Dabei ist es ohne Belang, ob das Festgeldguthaben mit einem geringeren Satz als die Grundstücksdarlehensschulden verzinst wurde und ob infolgedessen ein (Zins-)Überschuß nur deshalb entstand, weil das Festgeldguthaben die valutierenden Grundstückskredite (beträchtlich) überstieg; eine Aufsplittung der Festgeldanlage in einen Teil, der zur künftigen Tilgung der Grundstückskredite bestimmt war, und einen weiteren, zur freien Verwendung durch die Kläger bestimmten Teil kommt nicht in Betracht.
2. Die Steuerbarkeit der Zinserträge hängt nicht von der Dauer des Kapitalnutzungsverhältnisses ab und ist auch dann gegeben, wenn das Kapitalnutzungsverhältnis nur eine kurze Zeit besteht (im Streitfall: dreimonatige Festgeldanlage).
3. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen ist immer dann anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Für diese Beurteilung ist auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Besteht dieser Zweck darin, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen, und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet, so sind die Kreditkosten Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart. Das bedeutet jedoch nicht, daß für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten allein auf den ursprünglichen mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck und damit ausschließlich auf die (erstmalige) Verwendung der Darlehensvaluta abzustellen wäre.
4. Entnimmt der Steuerpflichtige seinem Betriebsvermögen ein Grundstück, um es fortan zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) einzusetzen, so dient ein zu seiner Anschaffung oder zur Herstellung des aufstehenden Gebäudes aufgenommenes Darlehen nunmehr dieser neuen Verwendung, so daß die künftig entstehenden Schuldzinsen Werbungskosten bei diesen Einkünften darstellen. Umgekehrt wird ein Darlehen, das dem Erwerb eines zunächst privat genutzten Wirtschaftsguts (z.B. eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzten Grundstücks) diente, mit der Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen zu einer Betriebsschuld mit der Folge, daß die fortan anfallenden Schuldzinsen Betriebsausgaben darstellen.
5. Der für länger als ein Jahr zinslos gestundete Kaufpreis aus einer Grundstücksveräußerung ist in einen (abgezinsten) Kapitalanteil und einen nach § 20 Abs.1 Nr.7 EStG zu erfassenden Zinsanteil von 5,5 % (§ 12 Abs.3 BewG) zu zerlegen (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1996 VIII R 67/95).
6. Über eine rein finale Betrachtung hinaus sind nach neuerer BFH-Rechtsprechung als Werbungskosten alle Aufwendungen zu qualifizieren, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlaßt sind. Eine solche, auf die Einnahmeerzielung bezogene Veranlassung wird zwar üblicherweise dergestalt umschrieben, daß objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Einnahmeerzielung bestehen müsse und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Einnahmenerzielung getätigt werden müßten. Dabei ist jedoch nur der objektive Zusammenhang stets als zwingend anzusehen, wohingegen die subjektive Komponente z.B. bei unfreiwilligen Ausgaben bzw. Zwangsaufwendungen, kein notwendiges Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, §§ 21, 4 Abs. 1 Sätze 1-2, 5, Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eigentümer von Geschäftsgrundstücken in H, A, M und H-H. Die einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden für das Grundstück in H vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) und für die übrigen drei Grundstücke vom FA E getroffen.
Die vier Grundstücke wurden durch einheitlichen notariellen Kaufvertrag vom 6. November 1990 zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 11 350 000 DM veräußert und dem Käufer bereits am 2. November 1990 übergeben. Ein Kaufpreisteilbetrag in Höhe von 9 Mio DM wurde sofort fällig; der Restbetrag von 2 350 000 DM wurde zinslos für die Dauer von zwei Jahren gestundet.
Der sofort fällig gewordene Kaufpreisteil (9 Mio DM) wurde vom Käufer auf ein Anderkonto des Notars gezahlt; dieser hatte die auf den verkauften Grundstücken hypothekarisch gesicherten "Grundstückskredite" abzulösen und den verbleibenden Restbetrag an die Kläger auszuzahlen.
Der Notar legte den auf das Anderkonto eingezahlten Kaufpreisteil bis zur Ablösung der durch Grundpfandrechte gesicherten Kredite und bis zum Eingang der Löschungsbewilligungen seitens der Grundpfandgläubiger verzinslich an. Bis zur Tilgung der den Grundpfandrechten zugrundeliegenden Darlehensverbindlichkeiten am 31. Januar 1991 erwuchsen den Klägern entsprechende Zinsaufwendungen.
Die Kläger erzielten aus der verzinslichen Anlage des Teilkaufpreises bis zum 31. Dezember 1990 Zinserträge in Höhe von 58 739,32 DM. Andererseits zahlten sie für die "Grundstückskredite" im 4. Quartal 1990 die folgenden Schuldzinsen:
Grundstück Zinsen davon auf November
IV/1990 und Dezember 1990
entfallend
---------------------------------------------------------------
DM DM
H 22 835,57 15 223,71
A 16 534,74 11 023,16
M 24 719,70 16 479,80
H-H 15 264,56 10 176,37
---------- ---------
79 354,57 52 903,04
Die Zinserträge in Höhe von 58 739,32 DM wiesen die Kläger neben anderen Habenzinsen in ihrer Erklärung zur Feststellung der Einkünfte für das Grundstück in H als Einnahmen aus Kapitalvermögen aus. Diesen Einnahmen stellten sie die gesamten für das 4. Quartal 1990 gezahlten Schuldzinsen als Werbungskosten gegenüber.
In dem angefochtenen Feststellungsbescheid erkannte das FA die
auf das Grundstück in H entfallenden Schuldzinsen, soweit
diese auf die Zeit bis zum 2. November 1990 entfielen, als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung an. Den Abzug der nach diesem Zeitpunkt
angefallenen Schuldzinsen versagte das FA, weil diese nicht
mehr im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung des
Grundstücks gestanden hätten.
Des weiteren stellte das FA in demselben Bescheid die Erträge
aus der verzinslichen Anlage des Teilkaufpreises durch den
Notar, auch soweit dieser Teilkaufpreis die übrigen
Grundstücke betraf, hinsichtlich derer die Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung vom FA E festgestellt wurden, als
Einnahmen aus Kapitalvermögen fest. Dabei ließ das FA die auf
die "Grundstückskredite" gezahlten Schuldzinsen für die Zeit
vom 2. November bis 31. Dezember 1990 nicht zum Abzug als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu.
Mit ihrer nach insoweit erfolglosem Einspruch erhobenen Klage
begehrten die Kläger, den angefochtenen Feststellungsbescheid
dahin zu ändern, daß die auf die Monate November und Dezember
1990 entfallenden Schuldzinsen für die Grundstückskredite (52
904 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen abgezogen werden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht bzw. -tätigkeit entfielen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellten (BFH-Urteile vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289; vom 2. Juni 1992 IX R 155/88, BFH/NV 1993, 12; vom 7. September 1993 IX R 64/91, BFH/NV 1994, 234). Die streitigen Schuldzinsen seien auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar. Sie hätten nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den aus der Anlage des Teilkaufpreises erzielten Zinseinnahmen gestanden, weil die Kläger den Kaufpreis nicht als Kapitalanlage, sondern zur Tilgung der Grundstückskredite hätten verwenden wollen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 1993 dahingehend zu ändern, daß die Einnahmen aus Kapitalvermögen um 31 190 DM niedriger festgestellt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung des angefochtenen Feststellungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe, daß die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 34 336 DM festgestellt werden.
1. Dem FG ist zunächst darin zu folgen, daß es --stillschweigend-- die im Streitjahr 1990 durch Festgeldanlage des auf dem Notaranderkonto eingezahlten Kaufpreisteils erzielten Zinseinnahmen in voller Höhe (58 739,32 DM) als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesehen hat.
Der Auffassung der Revision, diese Zinseinnahmen hätten in Höhe des Prozentsatzes nicht zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen können, der der Relation zwischen den bei der Veräußerung der Grundstücke noch valutierenden "Grundstückskredite" (4 678 062,67 DM) und dem verzinslich angelegten Kaufpreisteil (lt. Revision: 8 810 900 DM) entsprochen habe (53,1 v.H. von 58 739,32 DM = 31 190 DM), folgt der Senat nicht. Ihr liegt die fehlerhafte Vorstellung zugrunde, daß eine Absicht der Kläger zur Erzielung positiver Einkünfte aus Kapitalvermögen insoweit nicht vorgelegen habe, als der vom Notar vorübergehend verzinslich angelegte Kaufpreisteil zur Ablösung der noch valutierenden Grundstückskredite bestimmt gewesen sei. Daß die Kläger in bezug auf die Festgeldanlage des sofort gezahlten Kaufpreisteilbetrages in Höhe von (annähernd) 9 Mio DM die Absicht verfolgt haben, positive Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen, ergibt sich indessen eindeutig bereits daraus, daß der zinsbringend angelegte Festgeldbetrag nahezu doppelt so hoch war wie die Grundstücksdarlehen, die die Schuldzinsen verursacht haben, und daß die Kläger dementsprechend auch tatsächlich einen Überschuß der Zinseinnahmen (1990: 58 739,32 DM) über die Schuldzinsen (November und Dezember 1990: 52 903,04 DM) erzielt haben. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Revision ohne Belang, ob --worauf die Kläger im Revisionsverfahren hingewiesen haben-- das Festgeldguthaben mit einem geringeren Satz als die Grundstücksdarlehensschulden verzinst wurde und ob infolgedessen ein (Zins-)Überschuß nur deshalb entstand, weil das Festgeldguthaben die valutierenden Grundstückskredite (beträchtlich) überstieg; denn eine Aufsplittung der Festgeldanlage in einen Teil, der zur künftigen Tilgung der Grundstückskredite bestimmt war, und einen weiteren, zur freien Verwendung durch die Kläger bestimmten Teil kommt nicht in Betracht. Die Festgeldanlage ist vielmehr als Einheit zu beurteilen, weil sie in einem einheitlichen Akt zu einheitlichen Konditionen erfolgte.
Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Steuerbarkeit der (gesamten) Festgeldzinsen auch ohne Belang, daß die Festgeldanlage nur mehr für eine relativ kurze Zeit (von ca. drei Monaten) erfolgte. Die Steuerbarkeit der Zinserträge hängt nicht von der Dauer des Kapitalnutzungsverhältnisses ab und ist auch dann gegeben, wenn das Kapitalnutzungsverhältnis nur eine kurze Zeit besteht.
2. Nicht beizupflichten vermag der erkennende Senat dem FG hingegen darin, daß die streitigen, auf die Zeit nach Übergabe der Grundstücke (2. November 1990) bis zum 31. Dezember 1990 entstandenen und noch im Streitjahr 1990 gezahlten Schuldzinsen keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen darstellten.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten solche Aufwendungen, die der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen dienen. Das gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).
Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen ist immer dann anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, m.w.N.).
Für diese Beurteilung ist auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Besteht dieser Zweck darin, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen, und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet, so sind die Kreditkosten Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15. Januar 1980 VIII R 70/78, BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348; vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom 18. Dezember 1990 VIII R 101/87, BFH/NV 1991, 734, 735, m.w.N.). Das bedeutet jedoch nicht, daß für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten allein auf den ursprünglichen mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck und damit ausschließlich auf die (erstmalige) Verwendung der Darlehensvaluta abzustellen wäre.
aa) Entnimmt etwa der Steuerpflichtige seinem Betriebsvermögen ein Grundstück, um es fortan zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) einzusetzen, so dient ein zu seiner Anschaffung oder zur Herstellung des aufstehenden Gebäudes aufgenommenes Darlehen nunmehr dieser neuen Verwendung, so daß die künftig entstehenden Schuldzinsen Werbungskosten bei diesen Einkünften darstellen (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824, unter C. II. 3. b, m.w.N. aus der älteren Rechtsprechung des BFH; BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 15/90, BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404, 405, unter 1. der Gründe). Umgekehrt wird ein Darlehen, das dem Erwerb eines zunächst privat genutzten Wirtschaftsguts (z.B. eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzten Grundstücks) diente, mit der Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen zu einer Betriebsschuld mit der Folge, daß die fortan anfallenden Schuldzinsen Betriebsausgaben darstellen (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824, unter C. II. 3. b, m.w.N. aus der älteren BFH-Rechtsprechung; BFH-Urteil in BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404, 405, unter 1. der Gründe).
bb) Entsprechende Grundsätze gelten nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch für die Fälle, in denen das mit Darlehensmitteln angeschaffte oder hergestellte, bislang zur Erzielung von Überschußeinkünften (z.B. Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen) verwendete Wirtschaftsgut veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkunftserzielung eingesetzt wird.
Auch in diesen Fällen können die für das aufrechterhaltene Darlehen gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei der neuen Kapitalanlage berücksichtigungsfähig sein (grundlegend BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 67/88, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14, betreffend Veräußerung eines bislang zu Vermietungszwecken genutzten Hausgrundstücks und Anlage des Veräußerungserlöses zur Erzielung von Festgeldzinsen; schon vorher: BFH-Urteil vom 26. Februar 1985 VIII R 59/83, BFH/NV 1985, 69, betreffend Aufrechnung einer zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingesetzten --refinanzierten-- Darlehensforderung mit der Kaufpreisverpflichtung, die der Steuerpflichtige zum Zwecke des Erwerbs von durch Vermietung und Verpachtung genutzten Tennishallen gegenüber dem Darlehensschuldner eingegangen war; vgl. ferner z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 34/88, BFH/NV 1991, 593, betreffend die Veräußerung eines mit Darlehensmitteln erworbenen Mitunternehmeranteils und Anlage des Veräußerungserlöses zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen; in BFH/NV 1991, 734, betreffend die Veräußerung einer mit Darlehensmitteln erworbenen, bislang zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Eigentumswohnung und Anlage des Veräußerungserlöses zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen; vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398, betreffend Veräußerung eines mit Darlehensmitteln erworbenen Einfamilienhaus auf Leibrentenbasis; in BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404, betreffend Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH gemäß § 20 des Umwandlungs-Steuergesetzes --UmwStG-- 1977 unter Zurückbehaltung von --bisherigen-- Betriebsschulden des Einzelunternehmens; vom 15. Dezember 1992 VIII R 27/91, BFH/NV 1993, 599, 602, unter 4. b der Gründe; BFH-Beschluß vom 19. Mai 1993 I B 172/92, BFH/NV 1994, 227, betreffend Verwendung des Erlöses aus der Veräußerung eines mit Hilfe von Darlehensmitteln erworbenen Hausgrundstücks zur Ablösung einer Betriebsschuld; BFH-Urteil vom 7. März 1995 VIII R 9/94, BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697, betreffend Verwendung der zunächst zu einem Grundstückserwerb vorgesehenen Kreditmittel zum Erwerb einer Festgeldanlage). Diese Auffassung entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum (vgl. z.B. Paus, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 135, 138 f.; derselbe, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1992, 634; Siegel, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1985, 207, 218; Bareis, StuW 1986, 118, 125; Günther, DStZ 1987, 228, 229; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 9 Rdnr. 82, m.w.N.; Prinz in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 21. Aufl., § 9 EStG Rdnr. 380; Claßen in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. 26 a; Bordewin in Lademann/Söffing/ Brockhoff, a.a.O., § 20 Rdnr. 686; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 9 Rdnr. 210).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall stellen die auf die Zeit nach Übergabe der Grundstücke bis zum Ende des Streitjahrs 1990 entstandenen und noch in diesem Jahr gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 52 903,04 DM Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar.
Nachdem die Grundstücke veräußert und Besitz, Nutzungen und Lasten am 2. November 1990 auf den Erwerber übergegangen waren, erfuhren die "Grundstückskredite" eine Zweckänderung in dem Sinne, daß sie fortan nicht mehr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen dienten. Letzteres folgt daraus, daß die Grundstückskredite ab dem genannten Zeitpunkt in einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem an die Stelle der Grundstücke getretenen Veräußerungserlös traten. Dieser Erlös, in dem die ursprünglichen, in die Grundstücke investierten Darlehensmittel fortexistierten, wurde von den Klägern zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingesetzt. Dies gilt nicht nur in bezug auf den sofort fälligen, auf ein Notaranderkonto gezahlten Kaufpreisteil in Höhe von (annähernd) 9 Mio DM (vgl. oben 1.), sondern ebenso hinsichtlich des "zinslos" gestundeten Restkaufpreises in Höhe von 2 350 000 DM. Dieser Restkaufpreis ist für Zwecke der Einkommensbesteuerung in einen (abgezinsten) Kapitalanteil und einen Zinsanteil zu zerlegen. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf die in seinem Urteil vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95 (BFH/NV 1997, 175) entwickelten Grundsätze.
Im Streitfall mag dahinstehen, ob die Gläubiger der (ehemaligen) Grundstücksdarlehen der Änderung des Darlehenszwecks zugestimmt haben oder nicht. Zwar hatte der erkennende Senat in seiner früheren Rechtsprechung für die einkommensteuerrechtliche Anerkennung der "Umwidmung" des Darlehens ein zumindest stillschweigendes Einvernehmen zwischen Steuerpflichtigem (Darlehensschuldner) und Darlehensgläubiger über die Änderung des Darlehenszwecks gefordert (vgl. insbesondere Senatsurteil in BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14, 16, unter 2. c der Gründe). Jedoch hat der Senat diese Auffassung in seiner neueren Rechtsprechung mit der Maßgabe aufgegeben, daß die Zustimmung des Gläubigers zur Änderung des Darlehenszwecks kein zwingendes Erfordernis für dessen einkommensteuerrechtliche Anerkennung, sondern lediglich ein (gewichtiges) dafür sprechendes Indiz im Sinne einer Beweiserleichterung bildet (BFH-Urteil in BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697, 699, unter 2. c der Gründe). Im Streitfall bedarf es der Heranziehung dieses Beweisanzeichens für die von den Klägern vorgenommene Änderung des Darlehenszwecks nicht; denn es besteht kein Zweifel daran, daß die Kläger den an die Stelle der Grundstücke getretenen Veräußerungserlös zum Zwecke der Erzielung von Kapitaleinkünften (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) eingesetzt und damit die in dem Veräußerungserlös fortwirkenden Darlehensmittel (-valuten) diesem neuen Zweck unterstellt haben.
Entgegen der offenbar vom FG vertretenen Ansicht ist es ohne Belang, ob diese Änderung des Darlehenszwecks --soweit es die verzinsliche Anlage des auf das Notaranderkonto gezahlten Kaufpreisteils angeht-- das Ergebnis einer mehr oder minder freien Entscheidung der Kläger im Sinne einer Wahl zwischen alternativ zu Gebote stehenden Handlungsmöglichkeiten war oder nicht. Das FG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, die streitigen Schuldzinsen hätten deshalb nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den aus den aus der Anlage des auf das Notaranderkonto geflossenen Kaufpreisteils erzielten Zinseinnahmen gestanden, weil die Kläger den Kaufpreis nicht als Kapitalanlage, sondern zur Tilgung der "Grundstückskredite" hätten verwenden wollen.
Dem ist nicht zu folgen. Für die einkommensteuerrechtliche Erfassung der von den Klägern erzielten Festgeldzinsen als steuerbare Kapitaleinnahmen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. schon unter 1.) spielt es keine Rolle, ob die betreffende Kapitalanlage das Ergebnis einer "freien" Entscheidung der Kläger war oder von ihnen gezwungenermaßen --wegen der mit der Ablösung der Grundstücksschulden verbundenen und von den Klägern nicht zu vermeidenden Verzögerung-- hingenommen werden mußte (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. September 1981 VIII R 39/79, BFHE 134, 281, BStBl II 1982, 113, 115, unter 4. der Gründe, betreffend die Steuerbarkeit von Verzugszinsen). Ebensowenig hindert es die Abziehbarkeit der streitigen Schuldzinsen als Werbungskosten, daß diese Aufwendungen den Klägern infolge der von ihnen nicht zu beeinflussenden Verzögerung der Kreditabwicklung zwangsläufig entstanden. Über eine rein finale Betrachtung hinaus sind nach neuerer --ständiger-- Rechtsprechung des BFH als Werbungskosten alle Aufwendungen zu qualifizieren, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlaßt sind (vgl. z.B. die Nachweise aus der BFH-Rechtsprechung bei Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rdnr. 7). Eine solche, auf die Einnahmeerzielung bezogene Veranlassung wird zwar üblicherweise dergestalt umschrieben, daß objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Einnahmeerzielung bestehen müsse und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Einnahmenerzielung getätigt werden müßten (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, unter 1. a der Gründe). Dabei ist jedoch nur der objektive Zusammenhang stets als zwingend anzusehen, wohingegen die subjektive Komponente (Förderungsabsicht), z.B. bei unfreiwilligen Ausgaben bzw. Zwangsaufwendungen, kein notwendiges Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist (vgl. z.B. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rdnrn. 7 und 55 ff., m.w.N; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 160 f. und B 155, m.w.N.).
3. Unter den gegebenen Umständen kann der Senat offenlassen, ob die streitigen Schuldzinsen, sofern sie nicht --wie oben dargelegt (vgl. insbesondere unter II. 2. b, 1. und 2. Absatz)-- der neuen Einkunftsquelle "Kapitalvermögen" zuzuordnen wären, nach den von einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung befürworteten Grundsätzen (vgl. z.B. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rdnr. 40; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 9 EStG Rdnr. 371; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 9 EStG Rdnr. 195; Paus, FR 1984, 135; ders., DStZ 1992, 634; Kessler, FR 1983, 485; Seitrich, FR 1983, 582; Söffing, FR 1984, 185; Rößler, DStZ 1992, 493; Drenseck, FR 1992, 332; a.A. insbesondere die ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. nur BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; in BFH/NV 1991, 734, unter 1. der Gründe; vom 12. Oktober 1995 IX R 115/90, BFH/NV 1996, 208, unter 1. der Gründe; ebenso z.B. Meyer, Deutsches Steuerrecht 1983, 531; ders., FR 1983, 585; ders., FR 1985, 123; ders., DStZ 1988, 200; ders., Die steuerliche Betriebsprüfung 1995, 30; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 Rdnr. C 60 bis C 66; vgl. auch Selder, DStZ 1995, 8) als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar wären.
4. Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Kläger haben ihren ursprünglichen Klageantrag im Revisionsverfahren dahingehend eingeschränkt, die Einkünfte aus Kapitalvermögen nunmehr um 31 190 DM zu ermäßigen. Dem Senat ist es deswegen gemäß § 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verwehrt, die auf die Zeit nach Übergabe der Grundstücke bis zum Ende des Streitjahres entfallenden Schuldzinsen in ihrer vollen Höhe von 52 903,04 DM zu berücksichtigen. Eine Reduzierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen um den Betrag von 52 903,04 DM käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn die Kläger ihren dahingehenden Antrag aus dem finanzgerichtlichen Verfahren im Revisionsverfahren aufrechterhalten hätten. Denn das FA hat in dem angefochtenen Bescheid versehentlich nicht die auf das Streitjahr entfallenden Einnahmen aus Kapitalvermögen erfaßt, die sich aus der nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFH/NV 1997, 175 gebotenen Aufteilung des zinslos gestundeten Kaufpreisteils in Höhe von 2,35 Mio DM in einen abgezinsten Kapitalanteil und einen Zinsanteil in Höhe von 5,5 v.H. (vgl. § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes) ergeben. Da dieser nicht erfaßte Zinsanteil, soweit er auf das Streitjahr entfällt, geringer als (52 903 DM ./. 31 190 DM =) 21 713 DM ist, war dem Revisionsverfahren eingeschränkten Klageantrag in vollem Umfang zu entsprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 66148 |
BFH/NV 1997, 291 |
BStBl II 1997, 454 |
BFHE 182, 312 |
BFHE 1997, 312 |
BB 1997, 1292-1295 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1997, 1372-1374 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1038-1041 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 542 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 679-680 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 565-567 (Leitsatz) |
StE 1997, 365 (Leitsatz) |