Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Hochschullehrer als Mitglied eines Juristischen Prüfungsamtes berufen, so ist diese Tätigkeit regelmäßig als selbständige Arbeit anzusehen. Für die Einkünfte hieraus kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 34 Abs. 5 EStG der ermäßigte Steuersatz in Anspruch genommen werden.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 5, § 34/4, § 18/1/1, §§ 19, 19/1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeit des Beschwerdegegners (Bg.) in den Prüfungskommissionen für die erste und zweite juristische Staatsprüfung als wissenschaftliche, freiberufliche Nebentätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 anzusehen ist.
Der Bg. ist ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften. Im Streitjahr war er als Mitglied der juristischen Prüfungsämter bei zwei Oberlandesgerichten und beim Landes-Justizministerium nebenamtlich tätig. Das Finanzamt versagte dem Bg. die von ihm für diese Nebeneinkünfte beantragte Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 6 EStG. Im Berufungsverfahren gab das Finanzgericht dem Antrag des Bg. statt. Es war der Auffassung, daß die Tätigkeit des Bg. bei den Prüfungsämtern als eine wissenschaftliche anzusehen sei. Die Beurteilung einer Prüfungsleistung setze wissenschaftliche Kenntnisse voraus und stelle sich als eine hochstehende, besonders qualifizierte Tätigkeit dar. Die Mitglieder der Prüfungskommissionen müßten mit den Methoden der juristischen Ausbildung eng vertraut sein. Nach den Bestimmungen der Prüfungsordnung könnten auch nur solche Persönlichkeiten zu Prüfern bestellt werden, die zur Entfaltung einer auf wissenschaftlichen Kenntnissen beruhenden hochqualifizierten Tätigkeit befähigt seien. Aufgabe und Arbeit des Prüfers bestünden nicht nur darin, Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings als reine Tatsachen festzustellen. Das Wesen der Prüfungstätigkeit liege vielmehr darin, daß sie wissenschaftliche Erkenntnisse auf eine konkrete Sachaufgabe anwende. Das Ergebnis der Prüfungstätigkeit werde in Form der erstatteten Voten niedergelegt, die in den Prüfungen teils mündlich, meist aber schriftlich abzugeben seien. Die Prüfungstätigkeit werde auch nicht im Rahmen eines Arbeitnehmerverhältnisses ausgeübt. Die Mitgliedschaft eines Hochschullehrers bei den Juristischen Prüfungsämtern sei stets eine freiwillige, die ausschließlich auf Grund besonderer Vereinbarung begründet werde. Auch die Annahme eines Prüfungsauftrages für die einzelne Prüfung stehe im Belieben des Mitglieds. Dies folge schon daraus, daß der Bg. während des ganzen ersten Jahres seiner Zugehörigkeit zum Prüfungsamt beim Justizministerium wegen seiner sonstigen Arbeitsbelastung keine Prüfungsaufträge angenommen und auch später monatelang Prüfungsersuchen aller drei Prüfungsämter abgelehnt habe. Daß nach übernahme eines Prüfungsauftrages eine Bindung an die Prüfungsvorschriften gegeben sei, liege in der Natur der Sache, hebe aber die Freiheit der Willensentschließung des Prüfungsmitgliedes nicht auf. Die Prüfungstätigkeit sei auch nicht als Teil der hauptberuflichen Tätigkeit als Universitätslehrer anzusehen. Wenn auch die Justizausbildungsordnung die Mitwirkung von Professoren in den Staatsprüfungen ausdrücklich vorsehe, so sei diese in keinem Fall obligatorisch. Kein Professor sei in seiner Eigenschaft als Hochschullehrer automatisch Mitglied der juristischen Prüfungsämter. Im Gegensatz zu seiner Mitwirkungspflicht bei den Promotionen im Rahmen der Juristischen Fakultät werde die Mitgliedschaft des Hochschullehrers bei den Prüfungsämtern erst durch eine besondere, auf Zeit ausgesprochene Ernennung seitens des Justizministers erworben. Bei den Prüfungsgebühren handle es sich somit um Einkünfte aus einer freiberuflichen Nebentätigkeit.
Mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, daß die Prüfungstätigkeit des Bg. weder eine wissenschaftliche noch eine selbständige sei. Die Prüfungstätigkeit sei weder Forschungstätigkeit noch angewandte Wissenschaft. Die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG erfordere eine nicht in den Beruf fallende Tätigkeit auf wissenschaftlichem Gebiet, die dieses selbst fördern solle. Durch die Prüfungstätigkeit werde aber ein wissenschaftliches Gebiet nicht gefördert. Die Prüfungstätigkeit könne auch nicht als schöpferische angesehen werden. Aus der freiwilligen Teilnahme an den einzelnen Prüfungen könne nicht hergeleitet werden, daß es sich um eine selbständige Tätigkeit handle. Die Annahme eines Amtes sei in der Regel freiwillig. Daraus folge aber noch nicht, daß die Ausübung des Amts zu den freiberuflichen Tätigkeiten gehöre. Die Tätigkeit der Prüfungsamtsmitglieder sei der eines Richters vergleichbar. Ebenso wie dessen Tätigkeit müsse auch die Tätigkeit des Bg. als eine unselbständige angesehen werden. Er unterliege den dienstlichen Weisungen des Vorsitzenden des Prüfungsamtes hinsichtlich der Formen und der Durchführung der Prüfung. Die Einzelheiten der Prüfung bestimme der Vorsitzende, der in seiner Eigenschaft als Justizbeamter dabei selbst wieder den Weisungen des Justizministers unterliege. Auch die Hochschullehrer begäben sich mit der Annahme des Prüfungsauftrages in ein besonderes Gewaltverhältnis zum Justizminister als Dienstherrn. Wenn nach der Rechtsprechung die Prüfungstätigkeit von Rechtsanwälten in diesem Rahmen als selbständig anzusehen sei, so sei diese Auffassung durch den engen Zusammenhang der Prüfungstätigkeit mit der freiberuflichen Haupttätigkeit bedingt. Die Prüfungstätigkeit eines Universitätsprofessors stehe aber im übrigen in einem so engen inneren Zusammenhang mit seiner eigentlichen Tätigkeit, daß sie als Teil seiner hauptberuflichen Tätigkeit angesehen werden müsse. Die Voraussetzung einer Nebentätigkeit sei damit nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die vom Bg. begehrte Steuervergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG setzt unter anderem voraus, daß die zu begünstigenden Nebeneinkünfte solche aus wissenschaftlicher Tätigkeit sind und daß sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören. In übereinstimmung mit der Vorentscheidung ist der Senat der Auffassung, daß die Prüfungstätigkeit des Bg. in den Juristischen Prüfungsämtern als eine wissenschaftliche Tätigkeit beurteilt werden muß. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil IV 73/52 U vom 30. April 1952 (Slg. Bd. 56 S. 425, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 165) ausgesprochen, daß eine wissenschaftliche Tätigkeit dort anzuerkennen ist, wo für die Ausübung der Tätigkeit wissenschaftliche Kenntnisse Voraussetzung sind und wo eine hochstehende qualifizierte Tätigkeit entfaltet wird, die der Forschertätigkeit vergleichbar ist. Er hat in dieser Entscheidung weiter ausgesprochen, daß auch Vorlesungen an einer Hochschule wissenschaftlichen Charakter in diesem Sinne tragen können. Zutreffend hat auch die Vorentscheidung angenommen, daß das Wesen einer juristischen Staatsprüfung nicht darin besteht, in erster Linie positive Rechtskenntnisse festzustellen. Wesentliche Aufgabe ist es vielmehr, auf Grund der als Voraussetzung zu fordernden Kenntnisse vom Prüfling zu verlangen, daß er in der Lage ist, ihm gestellte Aufgaben wissenschaftlich zu lösen. Grundlage einer solchen Prüfung ist das Gebiet der Rechtswissenschaft. Bei der Durchführung der Prüfung kann auch nicht etwa eine wissenschaftliche Tätigkeit allein auf der Seite des Prüflings angenommen werden. Vielmehr muß gerade die Tätigkeit des Prüfers, der die Aufgabe zu stellen und die gefundene Lösung zu beurteilen hat, als der wesentliche Teil der wissenschaftlichen Leistung beurteilt werden. Die Tätigkeit des Prüfers muß dabei auch als schöpferische Tätigkeit im Sinne des Urteils des Senats IV 171/55 U vom 6. Dezember 1956 (Slg. Bd. 64 S. 338, BStBl 1957 III S. 129) angesprochen werden. Die Prüfungstätigkeit erscheint auch als zusätzlich schöpferische Arbeit im Sinne der amtlichen Begründung zu der hier streitigen Steuervergünstigungsvorschrift, da diese Tätigkeit nach den Feststellungen des Finanzgerichts zusätzlich und freiwillig neben den eigentlichen Aufgaben des Hochschullehrers übernommen wird.
Ohne Rechtsirrtum hat das Finanzamt auch festgestellt, daß die Prüfungstätigkeit des Bg. im Rahmen der Juristischen Prüfungsämter als selbständige Arbeit zu beurteilen ist. Ein Dienstverhältnis zur Justizverwaltung kann in dieser Tätigkeit nicht gesehen werden. Im Sinne des § 19 EStG ist ein solches nur gegeben, wenn einem Arbeitgeber die Arbeitskraft geschuldet wird, das heißt, wenn die Tätigkeit unter der Leitung des Arbeitgebers steht, die Betätigung des geschäftlichen Willens von diesem abhängt und der Tätige den Weisungen des Arbeitgebers zu folgen verpflichtet ist. Ein derartiges Dienstverhältnis des Bg. zur Justizverwaltung würde dann vorliegen, wenn die Tätigkeit in den Justizprüfungsämtern als Nebenamt zu seinem Hauptamt als Hochschullehrer anzusehen wäre. Das wäre der Fall, wenn der Bg. zur übernahme dieser Prüfungstätigkeit auf Grund seiner Stellung als Hochschullehrer in Auswirkung seines Anstellungsverhältnisses verpflichtet wäre. Eine solche Verpflichtung der Hochschule besteht zwar für die Prüfungen im Bereich der Hochschule selbst, wie etwa bei den Promotionsprüfungen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts, die auch der Beschwerdeführer nicht bestreitet, ist aber eine derartige Verpflichtung des Bg. zur Mitwirkung in den Justizprüfungsämtern nicht gegeben. Beruht die Tätigkeit des Bg. in den Prüfungsämtern aber ausschließlich auf seiner freien Willensentschließung, so könnte diese als nichtselbständige Arbeit nur dann angesehen werden, wenn mit der übernahme dieser Nebentätigkeit eine Eingliederung in den Dienst der Justizverwaltung erfolgt wäre. Bei den jeweils nur kurzfristigen Prüfungsaufträgen kommt aber eine solche Eingliederung nicht in Betracht. Die Tätigkeit in den Justizprüfungsämtern muß vielmehr als eine ehrenamtliche angesehen werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV 115/38 vom 7. September 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 1010), die weder auf dem Beamtenverhältnis des Hauptamts noch auf einem besonderen Anstellungsverhältnis beruht. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit können deshalb auch nicht als solche aus nichtselbständiger Arbeit, sondern nur als solche aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG betrachtet werden (vgl. auch Klein, Die Besteuerung der Hochschullehrer, S. 69 ff., Blümich-Falk, Anm. 12 zu § 34 EStG). Die Rb. konnte daher im Streitpunkt keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409072 |
BStBl III 1958, 293 |
BFHE 1959, 52 |
BFHE 67, 52 |