Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV der Gegenforderung des HZA als Aufrechnungshindernis; Rechtsschutzbedürfnis für Revision gegen Leistungsurteil bei unter Vorbehalt erbrachter Leistung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision gegen ein Leistungsurteil ist auch dann noch gegeben, wenn die klageweise geltend gemachte Leistung zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung unter Vorbehalt des Rechtsstandpunktes des Schuldners erbracht worden ist.
2. Gegenforderungen darf das HZA jedenfalls dann nicht gegen festgesetzte Ausfuhrerstattung aufrechnen, wenn sie konstitutiv durch Bescheid festgesetzt werden und die Vollziehung dieses Bescheides ausgesetzt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 1, § 226; BGB § 362 Abs. 1, §§ 387, 389, 390 S. 1; MOG § 10 Abs. 1, 3; RsprEinhG § 2 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 1; VwVfG § 48 Abs. 1, § 49a Abs. 1; ZPO § 302; FGO § 69; EGV 3665/87 Art. 11 Abs. 3; EGV 800/1999 Art. 52 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Hamburg (EFG 2000, 389; LEXinform-Nr. 0552503) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verlangt von dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt ―HZA―) die Auszahlung durch zwei noch nicht bestandskräftige Bescheide des HZA festgesetzter Ausfuhrerstattung in Höhe von … DM an die Kreissparkasse B (Kreissparkasse), an welche die Klägerin ihre Ansprüche abgetreten hat. Obwohl Grund und Höhe des Erstattungsanspruchs zwischen den Beteiligten nicht streitig sind, hat das HZA sich zunächst geweigert, den Erstattungsbetrag auszuzahlen. Es berief sich auf seinen gegen die Klägerin erlassenen, ebenfalls noch nicht bestandskräftigen Rückforderungsbescheid über … DM Ausfuhrerstattung und seine hierzu gegenüber der Klägerin und der Kreissparkasse erklärte Aufrechnung gegen den Ausfuhrerstattungsanspruch der Klägerin. Die Klägerin meint, die Aufrechnung sei unzulässig gewesen, nachdem das Finanzgericht (FG) bereits vor der Aufrechnung in dem Verfahren IV 450/98 die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Rückforderungsbescheides angeordnet und später in dem Verfahren IV 56/99 die nach Ansicht des FG in der gleichwohl erklärten Aufrechnung liegende Vollziehung des Rückforderungsbescheides ―jeweils in Höhe eines der Klageforderung entsprechenden Teilbetrages― aufgehoben hat.
Die Klage hatte Erfolg. Der Leitsatz des Urteils des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 389 veröffentlicht. Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das HZA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe nicht aufgrund des Ergebnisses des summarischen Verfahrens nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Aufrechnung für unzulässig erklären dürfen. Denn damit werde das Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens über den Rückforderungsbescheid des HZA vorweg genommen. Allenfalls sei der Erlass eines Vorbehaltsurteils in Betracht gekommen. Für einen Antrag auf Ergänzung des Urteils um einen solchen Vorbehalt sei kein Raum, weil das FG den vom HZA gestellten Antrag auf Erlass eines solchen Urteils nicht übergangen, vielmehr von dem Erlass eines Vorbehaltsurteils bewusst abgesehen habe.
Das HZA, das den strittigen Erstattungsbetrag während des Revisionsverfahrens an die Kreissparkasse ausgezahlt hat, beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision des HZA zurückzuweisen; hilfsweise, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des HZA ist zulässig. Wie dem erkennenden Senat bekannt ist, hat das HZA allerdings die Auszahlung der Ausfuhrerstattung inzwischen vorgenommen. Das HZA hat damit jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für seine Revision entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht verloren.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Revision ist gegeben, wenn der Revisionskläger (hier: das HZA) ein berücksichtigungswürdiges Interesse daran hat, ein Revisionsverfahren zu dem Zwecke zu führen, eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und ihre Ersetzung durch eine ihm günstigere zu erreichen (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84, BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501, und vom 15. März 1994 IX R 6/91, BFHE 174, 4, BStBl II 1994, 599; Beschluss des Senats vom 21. Februar 2000 VII B 223/99, BFH/NV 2000, 880). Ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses ist in jeder Lage des Verfahrens zu beachten (BFH-Beschluss vom 17. Januar 1985 VII B 46/84, BFHE 142, 564, BStBl II 1985, 302) und führt zur Unzulässigkeit der Revision (BFH-Beschluss vom 24. November 1982 II R 172/80, BFHE 137, 6, BStBl II 1983, 237).
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der (abgetretene) Anspruch der Klägerin auf Zahlung festgesetzter Ausfuhrerstattung. Dies gilt unverändert auch im Revisionsverfahren. Denn der Gegenstand des Revisionsverfahrens ist grundsätzlich ―vorbehaltlich insbesondere einer Einschränkung des Klageantrages im Revisionsverfahren oder eines zulässigen Übergangs zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage― derselbe wie im erstinstanzlichen Verfahren (BFH-Beschluss vom 5. März 1979 GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378).
Die strittige Zahlung von Ausfuhrerstattung ist durch Zahlung an die Zessionarin, die nach § 398 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an die Stelle der Klägerin getreten ist, bewirkt worden. Die Erfüllung des Klageanspruchs, die damit eingetreten zu sein scheint, erledigt in der Regel den Rechtsstreit in der Hauptsache. Zu einer Klage auf Feststellung, dass das HZA zur Verweigerung der Auszahlung der festgesetzten Ausfuhrerstattung aufgrund der Beschlüsse des FG über die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung des Rückforderungsbescheides nicht berechtigt war, ist die Klägerin ―nach Erfüllung ihres Leistungsanspruchs― nicht übergegangen. Dem muss sich das HZA als Beklagter fügen. Denn worüber zu entscheiden ist, bestimmt der Kläger, nicht der Beklagte, und zwar auch dann nicht, wenn er als Revisionskläger einen Rechtsstreit in zweiter Instanz fortführt. Auch dann kann er nur dem von dem revisionsbeklagten Kläger formulierten Klageantrag entgegentreten, dessen Inhalt aber nicht verändern.
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Revision ist hier aber gegeben, obwohl das HZA die mit der Klage begehrte Ausfuhrerstattung ausgezahlt und damit die klageweise geltend gemachte Leistung erbracht hat.
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. Mai 1985 IVa ZR 138/83 (BGHZ 94, 268), das im Schrifttum allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl. statt aller Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl. 1999, § 91a Rdnr. 5) und dem auch der erkennende Senat folgt, tritt nämlich eine Erledigung der Hauptsache trotz Erfüllung des Klageanspruchs jedenfalls dann nicht ein, wenn der Beklagte die Forderung unter dem Druck der bereits von dem Kläger eingeleiteten Zwangsvollstreckung zum Zwecke der Abwendung derselben erfüllt hat (vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Januar 1974 4 AZR 10/74, Leitsatz in Betriebs-Berater 1975, 842; weitergehend Reichsgericht, Urteil vom 17. März 1892 VI 324/91, RGZ 29, 379, 382 f., das bereits bei Vorliegen eines vollstreckbaren Titels Freiwilligkeit der Leistung und damit Erledigung der Hauptsache verneint hat). Der erkennende Senat kann unerörtert lassen, ob nach § 362 Abs. 1 BGB, der hier entsprechend anzuwenden ist, der Eintritt der Erfüllungswirkung Vorbehaltslosigkeit der Leistungsbewirkung voraussetzt, an der es bei einer solchermaßen erbrachten Leistung des Schuldners fehlt (zu den Einzelheiten vgl. Wolfgang Krüger, Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung im Spannungsfeld zwischen materiellem und formellem Recht, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1990, 1208, m.N.). Denn jedenfalls ist die Erledigung aus prozessualen Gründen nicht gegeben; die Ansicht, auch bei Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erledige sich die Zahlungsklage und entfalle folglich das Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel gegen eine zur Leistung verurteilende Entscheidung, würde nämlich den Schuldner dazu zwingen, sich bei Gefahr des Verlustes eines Rechtsmittels der Vollstreckung zu unterwerfen, bzw. vom Rechtsmittelgericht allenfalls eine Kostenentscheidung nach Erledigungserklärung zu erhalten, was eine Folge wäre, die zu bewirken offensichtlich nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit der anfechtbaren Urteile eines Instanzgerichts ist.
Das HZA hat die Ausfuhrerstattung im Streitfall zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung ausdrücklich unter Vorbehalt seines Rechtsstandpunktes ausgezahlt. Das ergibt sich aus dem Schreiben des HZA an das FG in dem (Vollstreckungs-)Verfahren IV 233/98 (später Az. des Senats VII S 29/99).
2. Die Revision des HZA ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil das HZA sein Rechtsschutzziel nach § 155 FGO i.V.m. § 302 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hätte verfolgen müssen oder durch das Urteil des FG nicht beschwert wäre.
Das Urteil des FG beschwert das HZA, weil es ihm abverlangt, die festgesetzte Ausfuhrerstattung an die Klägerin (bzw. die Kreissparkasse) trotz der vom HZA erklärten Aufrechnung auszuzahlen. Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner weiteren Ausführung, dass die darin liegende Beschwer nicht dadurch in Abrede gestellt werden kann, dass das HZA die ausgezahlte Ausfuhrerstattung unter Umständen von der Klägerin als (wegen Tilgungswirkung der Aufrechnung gemäß § 389 BGB) rechtsgrundlos geleistet zurückfordern bzw. dass es aus seinem Rückforderungsbescheid gegen die Klägerin vollstrecken könnte.
Ob ein Antrag nach § 302 ZPO zulässig und Erfolg versprechend gewesen wäre, nachdem das FG in seinem Urteil die Anwendbarkeit dieser Vorschrift (wegen Unzulässigkeit der Aufrechnung) verneint hat, mag dahinstehen. Denn es trifft nicht zu, dass das eigentliche Hauptziel der Revision des HZA, wie die Klägerin meint, in der Aufnahme eines Vorbehalts in das Urteil des FG besteht. Das HZA möchte vielmehr, wie sich bei sinnentsprechendem Verständnis seines Revisionsvorbringens und aus seinem Revisionsantrag ergibt, erreichen, dass das Urteil des FG aufgehoben und die Leistungsklage (wegen ungeachtet der AdV-Beschlüsse des FG eingetretener Erfüllung der Klageforderung infolge der Aufrechnungserklärung des HZA) abgewiesen wird, weil jene Beschlüsse der Aufrechungserklärung nach Ansicht des HZA nicht die Wirkung nehmen, die Ausfuhrerstattungsforderung der Klägerin zum Erlöschen zu bringen. Insoweit ist § 302 ZPO von vornherein ohne Belang. Vielmehr ist in dem Revisionsverfahren zu entscheiden, ob die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung des Rückforderungsbescheides des HZA der Aufrechnungserklärung des HZA ihre Wirkung nimmt, die Ausfuhrerstattungsforderung der Klägerin zum Erlöschen zu bringen. Dass diese Wirkung nicht eingetreten ist, kann übrigens entgegen der Ansicht der Klägerin nicht daraus hergeleitet werden, dass das FG dem HZA durch AdV des Rückforderungsbescheides die Aufrechnung verboten hat und die seiner Ansicht nach in der Aufrechnung liegende Vollziehung aufgehoben hat; denn diese Anordnungen sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen, besagen also nichts endgültiges über die tatsächlichen materiell-rechtlichen Wirkungen der Aufrechnungserklärung des HZA.
3. Die Revision des HZA ist nicht begründet. Das Urteil des FG entspricht im Ergebnis dem Bundesrecht. Die Klageforderung ist nicht durch Aufrechnung des HZA mit der in seinem Rückforderungsbescheid wirksam festgesetzten Gegenforderung erloschen.
Denn die Aufrechungserklärung des HZA ist unwirksam.
Nach dem gemäß § 226 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) sinngemäß anzuwendenden § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Es kann unentschieden bleiben, ob die Gegenforderung des HZA aus dem angefochtenen Rückforderungsbescheid im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung des HZA im Sinne der vorgenannten Vorschrift "zur Aufrechnung geeignet" war oder ob sie es zumindest heute ist (wobei es überdies die Unwirksamkeit der Aufrechnungserklärung ohnehin nicht heilen könnte, wenn die Gegenforderung erst nach Abgabe der Aufrechnungserklärung aufrechenbar geworden wäre). Diese Frage kann jedoch ebenso unerörtert bleiben wie die weitere Frage, ob es bei Vollziehungsaussetzung des über die Gegenforderung ergangenen Rückforderungsbescheides aus anderen Gründen an einer aufrechenbaren Gegenforderung fehlt (was im Schrifttum mitunter aus der fehlenden Fälligkeit einer solchen Forderung hergeleitet worden ist; anders Urteil des Senats vom 17. September 1987 VII R 50-51/86, BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366). Der Aufrechnung mit einer Forderung aus einem Verwaltungsakt, dessen Vollziehung nach § 69 FGO ausgesetzt ist oder nachträglich aufgehoben wird, steht jedenfalls ein sinngemäß aus den Vorschriften über die AdV abzuleitendes Aufrechnungsverbot entgegen, das eine gleichwohl erklärte Aufrechnung unwirksam macht.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 31. August 1995 VII R 58/94 (BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55) ―in Abkehr von der früheren Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil des Senats in BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366; BFH-Beschlüsse vom 14. März 1990 I S 5/89, BFH/NV 1991, 172; vom 26. Februar 1991 VII B 151/90, BFH/NV 1992, 86; vom 11. Mai 1993 VII B 191/92, BFH/NV 1994, 218, 219, und vom 27. September 1994 VII B 103, 105/94, BFH/NV 1995, 244)― die Auffassung vertreten, die Aufrechnung mit einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, für den die besonderen Vorschriften über das Erhebungsverfahren nach der AO 1977 (§ 218 Abs. 1, § 226) gelten, setze voraus, dass der Anspruch durch Steuerbescheid (oder sonstigen Verwaltungsakt) festgesetzt und die Vollziehung dieses Verwaltungsakts nicht ausgesetzt ist. Der Senat hat dies im Wesentlichen damit begründet, bei der Aufrechnung handle es sich um eine Form der Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 218 Abs. 1 AO 1977; eine Aufrechnung sei ohne Gebrauchmachen von dem materiellen Regelungsinhalt des Bescheids nicht möglich, weil erst der materielle Regelungsinhalt die entsprechend § 387 BGB notwendigen Voraussetzungen für eine Aufrechnung ―u.a. die Fälligkeit der Forderung― schaffe bzw. herbeiführe. Jede Verwirklichung des materiellen Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts, d.h. jegliches Gebrauchmachen von ihm, sei jedoch als Vollziehung i.S. des § 69 FGO anzusehen, so dass auch die Verwirklichung eines Anspruches durch Aufrechnung ausgeschlossen (unzulässig) sei, wenn der Verwaltungsakt in der Vollziehung ausgesetzt sei.
Im Streitfall ergibt sich die Gegenforderung des HZA freilich nicht aus einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, für das § 218 Abs. 1 AO 1977 gilt. Der Rückforderungsbescheid beruht vielmehr auf § 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG), das insoweit eine Anwendung der AO 1977 nicht vorsieht (vgl. für nach dem 1. April 1995 erfolgte Ausfuhren Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 ―VO Nr. 3665/87― der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 351/1, i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 …, ABlEG Nr. L 310/57, erneut geändert durch die der Verordnung (EG) Nr. 495/97 der Kommission vom 18. März 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 …, ABlEG Nr. L 77/12; jetzt Art. 52 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 ―VO Nr. 800/1999― der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABlEG Nr. L 102/11). Der Senat ist jedoch auch im Hinblick auf (Gegen-)Forderungen, die nicht nach § 218 AO 1977 verwirklicht werden, der Auffassung, dass mit ihnen jedenfalls dann nicht aufgerechnet werden darf, wenn sie konstitutiv durch Bescheid festgesetzt werden (weitergehend insofern Detterbeck, Grundfragen der Aufrechnung im Verwaltungsprozeß, Die Öffentliche Verwaltung 1996, 889, 893; ebenso Dagmar Felix, Zulässigkeit und Wirksamkeit der behördlichen Aufrechnung bei angefochtenem Forderungsbescheid, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ―NVwZ― 1996, 734, 736) und die Vollziehung dieses Bescheides ausgesetzt worden ist. Auch der Senat sieht zwar die Aufrechnungserklärung einer Behörde in ständiger Rechtsprechung nicht als eine hoheitliche Maßnahme an, sondern als Ausübung eines jedermann zustehenden schuldrechtlichen Gestaltungsrechts (Urteile vom 2. April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536, und vom 4. Februar 1997 VII R 50/96, BFHE 182, 276, BStBl II 1997, 479). Die Aufrechnung setzt jedoch in der Regel und in dem hier zu entscheidenden Streitfall eine hoheitliche Maßnahme voraus und verwirklicht deren Regelungsgehalt; denn erst die in dem Rückforderungsbescheid enthaltene Aufhebung der (angeblich) rechtswidrigen Erstattungsbescheide nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG beseitigt den formellen Rechtsgrund dafür, dass die Klägerin die ihr gewährte Ausfuhrerstattung als ihr zustehend behalten darf, und lässt den materiellen Rückforderungsanspruch des HZA nach § 10 Abs. 3 MOG formell-rechtlich durchsetzbar entstehen. Durch die Aufrechnung wird dieser Verwaltungsakt vollzogen. Denn Vollziehung ist, wie der Senat in dem Urteil in BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55 im Einzelnen begründet hat und woran er festhält, jede Verwirklichung des Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes, mag sie mit hoheitlichen Mitteln erfolgen oder in irgendeiner anderen Weise, insbesondere auch durch Aufrechnung (ebenso im neueren Schrifttum u.a. Rozek in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 226 AO 1977 Rdnr. 86, mit zahlr. Nachw.; Detterbeck, a.a.O.; Felix, a.a.O.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2000, § 80 Rdnr. 30; Jörg Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 2000, § 80 Rdnr. 7, mit zahlr. Nachw.; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rdnr. 86; widersprüchlich Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 641 und 644 einerseits, Rdnr. 1184 andererseits). Auf die Ausführungen unter 3. a) seines Urteil in BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55 nimmt der Senat zur Begründung seiner Rechtsauffassung insoweit ergänzend Bezug.
Im Übrigen enthält der Rückforderungsbescheid des HZA ―neben der Aufhebung der Ausfuhrerstattungsbescheide― die Festsetzung des zurückzuzahlenden Betrages. Auch die Vollziehung dieser Entscheidung nach § 10 Abs. 3 MOG ist vom FG sinngemäß ausgesetzt und aufgehoben worden. Sofern eine solche Entscheidung formell-rechtlich Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit der Rückforderung ist (und dem HZA nicht nur eine Vollstreckungsgrundlage verschafft, deren das HZA bei Verwirklichung der Rückforderung durch Aufrechnung nicht bedarf), schlösse die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung dieses Verwaltungsaktes die Wirksamkeit der Aufrechnung ebenfalls aus. Dieser rechtliche Gesichtspunkt, der auch für eine auf Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 bzw. Art. 52 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 gestützte Rückforderung von Bedeutung ist, bedarf jedoch hier keiner weiteren Erörterung.
4. Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) ist nicht geboten. Denn der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht im Sinne der vorgenannten Vorschrift in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofes ab.
Eine solche Abweichung läge nur vor, wenn der Senat Rechtsvorschriften, die ihrem Wortlaut nach im Wesentlichen und ihrem Regelungsinhalt nach gänzlich übereinstimmen und deshalb nach denselben Prinzipien auszulegen sind, anders auslegen würde als es andere oberste Gerichtshöfe in einem eine Entscheidung tragenden Rechtssatz getan haben, bzw. wenn er einem Rechtsbegriff eine andere Bedeutung beilegen würde als es ein anderer oberster Gerichtshof des Bundes in entscheidungserheblicher Weise getan hat (vgl. Beschlüsse des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206, und vom 12. März 1987 GmS-OGB 6/86, BGHZ 100, 277, 281). Das ist indes nicht der Fall.
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in dem Urteil vom 27. Oktober 1982 3 C 6.82 (BVerwGE 66, 218) entschieden, die Aufrechnung mit einer Gegenforderung stelle keine Vollziehung eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides dar. Eine Handlung, die ―wie eine Aufrechnungserklärung― der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit dient und dabei gleichzeitig die Befriedigung der eigenen Forderung bewirkt, sei keine Maßnahme, durch die der Verwaltungsakt vollzogen werde, durch welchen die zur Aufrechnung gestellte Forderung konkretisiert und fällig gemacht worden ist. "Vollziehung" eines Verwaltungsaktes sei nämlich nur eine selbstständige und grundsätzlich hoheitliche Maßnahme zur Durchsetzung einer getroffenen Anordnung im Wege des Zugriffs ―auch in Form der Gestaltungswirkung― auf Rechtsgüter des Adressaten dieses Verwaltungsaktes. Die Aufrechnung sei hingegen ein im Ausgangspunkt von der Privatrechtsordnung gewährleistetes Mittel der Rechtsverteidigung gegenüber einem vom Gegner erhobenen Anspruch und diene zugleich der Befriedigung des eigenen Anspruchs. Vollziehung einerseits und Aufrechnung andererseits seien mithin zwei Rechtsinstitute mit verschiedener Zielrichtung und Wirkung. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs i.S. des § 80 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei dem Rechtsinstitut der Vollziehung und damit dem öffentlichen Recht und grundsätzlich seinem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Sie hindere deshalb nicht die jedenfalls nicht dem hoheitlichen Bereich zuzurechnende Erklärung der Aufrechnung.
Der erkennende Senat kann offen lassen, ob er diesen Erwägungen in jeder Hinsicht folgen könnte. Denn seine Entscheidung betrifft nicht die Aufrechnung mit einer lediglich durch Leistungsbescheid konkretisierten und geltend gemachten (Gegen-) Forderung, wie sie z.B. bei rechtsgrundloser Zahlung der Behörde und daraus folgender Kondiktionsforderung, etwa in entsprechender Anwendung des § 812 Abs. 1 BGB oder nach § 12 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG), bestünde und ungeachtet des vorgängigen Erlasses eines diesbezüglichen Verwaltungsaktes geltend gemacht werden könnte. Im hier zu entscheidenden Streitfall geht es vielmehr um eine Forderung des HZA, deren Geltendmachung, wie erwähnt, den Erlass eines Verwaltungsaktes, nämlich die Rücknahme der zugunsten der Klägerin ergangenen Ausfuhrerstattungsbescheide, zwingend voraussetzt. Ungeachtet der Frage der Entstehung eines Rückforderungsanspruches bei rechtswidriger Gewährung öffentlich-rechtlicher Leistungen wie einer Ausfuhrerstattung kommt nämlich eine Rückforderung materiell-rechtlich gesehen zu Unrecht geleisteter Zahlungen nur dann in Betracht, wenn der Rückforderung entgegenstehende begünstigende Bescheide über die Gewährung solcher Leistungen aufgehoben worden sind. Denn diese ―ggf. materiell unrichtigen― Bescheide legen, solange sie bestehen, fest, ob und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch besteht und ein Rückforderungsanspruch ggf. geltend gemacht werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 7. März 1968 IV R 278/66, BFHE 92, 153, BStBl II 1968, 496, und vom 15. Oktober 1997 II R 56/94, BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796, zum Steuererstattungsanspruch; vgl. ferner das Urteil des Senats vom 6. Februar 1996 VII R 50/95, BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112). Das ergibt sich ohne weiteres aus der Bestandskraftwirkung der Ausfuhrerstattungsbescheide und der Systematik des hier einschlägigen § 10 MOG, welcher insofern dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nachgebildet ist, nach dem ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewährt, nach § 48 Abs. 1 und 2 zurückgenommen werden kann, welche Entscheidung nach § 49a Abs. 1 VwVfG Voraussetzung für die Geltendmachung der Pflicht des Empfängers ist, gewährte Leistungen zu erstatten, die durch (von dem Rücknahmebescheid zu unterscheidenden) Verwaltungsakt festzusetzen sind (vgl. auch Urteil des BGH vom 27. Januar 1983 III ZR 113/81, NJW 1983, 2029).
Dementsprechend ist das HZA im Streitfall verfahren. Es hat in seinem Rückforderungsbescheid die gewährenden Ausfuhrerstattungsbescheide ausdrücklich aufgehoben. Die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung, die das FG verfügt hat, bezieht sich (auch) auf diese Entscheidung. Sie kann nicht vollzogen werden bzw. ihre Vollziehung ist als rückgängig gemacht zu behandeln, solange die Beschlüsse des FG für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten maßgeblich sind, weil sie weder aufgehoben noch infolge einer Entscheidung über die Hauptsache ―den gegen den Rückforderungsbescheid von der Klägerin eingelegten Rechtsbehelf― gegenstandslos geworden sind.
Dem Urteil des BVerwG in BVerwGE 66, 218 ist nicht, auch nicht konkludent der Rechtssatz zu entnehmen, dass die Aufrechnung mit einer Forderung wirksam sei, die ―wie im Streitfall― erst dadurch formell-rechtlich durchsetzbar geworden ist, dass ein ihrer Geltendmachung entgegenstehender begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben (zurückgenommen) wird, obwohl ein gegen die Aufhebung eingelegter Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Das wird nicht nur an dem vom BVerwG verwandten Begriff des "Leistungsbescheides" deutlich, sondern auch an den weiteren Ausführungen des vorgenannten Urteils, wonach im zweiten Rechtsgang geprüft werden solle, ob die Gegenforderung der Behörde "besteht", und ggf. ein Vorbehaltsurteil nach § 302 ZPO erlassen werden könne. Denn diese Ausführungen setzen voraus, dass vom Gericht des zweiten Rechtsgangs über das (materiell-rechtliche) Bestehen des Rückforderungsanspruches der Behörde entschieden werden kann und dieses nicht an die Entscheidung des gegen den ―im Entscheidungsfall anderweit angefochtenen― Rückforderungsbescheid angerufenen Gerichts gebunden ist, weil dessen Urteil für die Frage des Bestehens des Rückforderungsanspruches wegen der Bestandskraftwirkung gewährender Bescheide der Behörde vorgreiflich und das Nachverfahren deshalb bis zu dessen Entscheidung auszusetzen wäre. In gleicher Weise hat im Übrigen offenbar auch das Urteil des BVerwG vom 13. Juni 1985 2 C 43.82 (Deutsches Verwaltungsblatt 1986, 146) die vorgenannte Entscheidung verstanden, wenn es sich in einem Fall der Rückforderung einer (auch formell) rechtsgrundlos gewährten Leistung auf dieses Urteil bezogen und ausgeführt hat, da die Aufrechnung mit der betreffenden Gegenforderung das vorherige Ergehen eines Leistungsbescheides überhaupt nicht voraussetzte, könne die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen gleichwohl ergangenen Leistungsbescheid der Aufrechnung nicht entgegenstehen.
Aus den vorgenannten Gründen setzt sich der erkennende Senat mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zu dem Urteil des BVerwG vom 13. Oktober 1971 VI C 137.67 (Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 232, § 87 BBG Nr. 48); denn diese Entscheidung betrifft nicht die Rückforderung einer durch Bescheid festgesetzten Leistung, deren Rückforderung die Aufhebung dieses Bescheides voraussetzen würde oder vom BVerwG davon abhängig gemacht worden wäre.
Ob der vom BVerwG in BVerwGE 66, 218 zu entscheidende Sachverhalt Anlass hätte geben können, die Aufrechnung mit dem Rückforderungsanspruch von der Aufhebung anderweit ergangener gewährender Verwaltungsakte abhängig zu machen, bedarf keiner Untersuchung. Denn der erkennende Senat wäre an einen Rechtssatz, der aus seiner Sicht dem Urteil des BVerwG hätte zugrunde gelegt werden müssen, um das Entscheidungsergebnis zu rechtfertigen, vom BVerwG aber weder ausdrücklich noch stillschweigend gebildet und seinem Urteil zugrunde gelegt worden ist, nicht nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG gebunden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671).
5. Die Revision des HZA ist danach unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO) und deshalb zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 515070 |
BFH/NV 2001, 508 |
BStBl II 2001, 247 |
BFHE 193, 254 |
BFHE 2001, 254 |
BB 2001, 458 |
DStRE 2001, 439 |
HFR 2001, 538 |
HFR 2001, 589 |
StE 2001, 109 |