Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Steuerpflichtiger ein Grundstück in ein Umlegungsverfahren eingebracht und wird ihm dafür ein anderes Grundstück zugeteilt, dann ist diese Zuteilung keine Anschaffung im Sinne von § 23 EStG. Die Spekulationsfrist beginnt in einem solchen Falle mit dem Erwerb des in das Umlegungsverfahren eingebrachten Grundstücks.
2. Die Abgabe eines Verkaufsangebots zusammen mit einer Darlehnsgewährung in Höhe des späteren Kaufpreises und dem Abschluß eines auf eine Eigentumsverschaffung am Grundstück gerichteten "Erbbauvertrags" kann zu einer so starken Bindung führen, daß dies als Veräußerung im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1a EStG anzusehen ist.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1a
Tatbestand
In der Zeit vom 29. Januar bis zum 13. April 1960 kauften der Kläger und A, jeweils zu 1/2, achtzehn Grundstücke mit einer Größe von insgesamt 20 512 m2. Der Kaufpreis von 184 292 DM wurde mit Hilfe eines Darlehens und aus Mitteln des Klägers beglichen. Die Grundstücke wurden in den Grundbüchern, in denen der Vermerk über die Einleitung eines Umlegungsverfahrens eingetragen war, umgeschrieben.
Am 24. Juni 1960 ließen der Kläger und A über die vorerwähnten Grundstücke drei Rechtsgeschäfte notariell beurkunden:
In einem "Erbbauvertrag" bestellten sie der ... AG ein Erbbaurecht an jedem einzelnen Grundstück auf die Dauer von 99 Jahren. Der Erbbauzins sollte 0,74 DM je m2 betragen. Der Erbbauberechtigte, der steuerbegünstigte oder öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten sowie die Grundsteuer und die sonstigen öffentlichen Lasten zu tragen hatte, sollte berechtigt sein, die Grundstücke nach gänzlicher oder teilweiser Bebauung zum Preis von insgesamt 397 768 DM zu kaufen. Die Vertragspartner versprachen, vom 1. Juli 1960 an einander wirtschaftlich so zu stellen, als ob das Erbbaurecht schon bestünde. Dem Erbbauberechtigten wurde eine Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs und ein Vorkaufsrecht bewilligt.
In einer weiteren Urkunde erkannten der Kläger und A an, der AG ein Darlehen von 380 000 DM - tatsächlich gezahlt im Oktober 1960 - zu schulden, und bestellten dafür eine Gesamthypothek. Das Darlehen sollte ab 1. Juli 1960 mit 4 v. H. verzinsbar und erstmals zum 30. Juni 1963 kündbar sein.
In einer dritten Urkunde machten der Kläger und A der AG das Angebot, die Grundstücke für 380 000 DM zu verkaufen. Dieses Angebot sollte frühestens am 1. Juli 1963 und spätestens am 31. Dezember 1963 angenommen werden können. Dann sollte der Kaufpreis durch Übernahme der Hypothek beglichen sein, das Erbbau- und das Vorkaufsrecht sollten aufgehoben und gelöscht werden.
Dem Antrag des beurkundenden Notars, die Verträge im Grundbuch zu wahren, entsprach das Grundbuchamt nur zum Teil. Es versagte die Gebührenfreiheit für die Gesamthypothek, weil die AG tatsächlich Bauherr sei. Ferner beanstandete das Grundbuchamt die Bestellung eines "Gesamterbbaurechts" als grundbuchmäßig sinnlos und regte an, den Erbbauvertrag aufzuheben. Nachdem die AG die Gebühr für die Gesamthypothek bezahlt hatte, trug das Grundbuchamt am 18. Juli 1960 in Abteilung II - nach dem Umlegungsvermerk - die Vormerkung und das Vorkaufsrecht des Erbbauberechtigten sowie in Abteilung III die Hypothek ein. Mit Verfügung vom 3. Mai 1961 lehnte es die Eintragung eines "Gesamterbbaurechts" ab, da eine solche Eintragung das Grundbuch verwirre und der Umlegungsvermerk die erste Rangstelle habe. Die Antragsteller ließen es dabei bewenden.
In der Folgezeit legte die Stadt K das Gebiet um und teilte dem Kläger und A für die siebzehn in diesem Gebiet liegenden landwirtschaftlichen Grundstücke - das achtzehnte Grundstück lag außerhalb dieses Gebiets - bei gleichem Verkehrswert im ganzen achtundzwanzig Baugrundstücke zu.
Durch notariellen Vertrag vom 1. Oktober 1962 verkauften der Kläger und A der AG die zu deren Gunsten belasteten Grundstücke für 380 000 DM. Der Kaufpreis wurde durch Übernahme der Hypothek beglichen. Die Übergabe der Grundstücke sollte mit Vertragsabschluß erfolgen. Der Eigentumsübergang wurde am 11. März 1963 im Grundbuch eingetragen.
Auf Grund dieser Feststellungen kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zu der Auffassung, der Kläger habe durch seine Grundstücksgeschäfte in 1960 einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn von 83 112 DM erzielt, weil wirtschaftlich betrachtet die Verträge vom 24. Juni 1960 eine Veräußerung darstellten. Dementsprechend erließ das FA einen berichtigten Steuerbescheid für 1960.
Einspruch und die als Klage behandelte Berufung blieben erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus:
Durch den Abschluß der Verträge vom 24. Juni 1960 habe der Kläger den Tatbestand des § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 1a EStG 1960 erfüllt, weil damit das Ergebnis des Vertrags vom 1. Oktober 1962 wirtschaftlich bereits vorausgenommen worden sei. Der AG sei ein befristetes, verbindliches Verkaufsangebot gemacht worden, von dem der Kläger sich nicht habe lösen können, und das alle Beteiligten als wirksam behandelt hätten. Zum Abschluß des Vertrages vom 1. Oktober 1962 sei es nur gekommen, weil sich infolge des Umlegungsverfahrens die Grundstücksbezeichnungen geändert hätten. Ferner sei der in allen Verträgen genannte Kaufpreis von 380 000 DM alsbald nach dem 24. Juni 1960 als Darlehen in Empfang genommen worden. Weitere Umstände zeigten, daß die AG schon mit den Verträgen vom 20. Juni 1960 wirtschaftlich in die Stellung des Grundstückserwerbers eingerückt sei. So habe die AG ihre Bebauungspläne trotz Fehlens der Eintragung des Erbbaurechts weiterbetrieben; deren Verwirklichung sei lediglich durch das Umlegungsverfahren hinausgezögert worden. Die AG habe von Anfang an nicht nur die öffentlichen Lasten getragen, sondern auch die im Umlegungsverfahren notwendigen Unterschiedsbeträge erbracht. Es seien weder Zinsen für das Darlehen noch etwa gleichhohe Erbbauzinsen gezahlt worden. Danach hätten die Vertragspartner sich wie im Erbbaurechtsvertrag vereinbart verhalten mit der Folge, daß die AG Eigenbesitzerin und wirtschaftlich Verfügungsberechtigte gewesen sei, zumal sie im Hinblick auf die Darlehensgewährung und das bindende Verkaufsangebot die Möglichkeit gehabt habe, den Kläger und A an einer anderweitigen Verfügung über die Grundstücke zu hindern.
Mit der Revision wird dagegen vorgebracht:
Veräußerungsgeschäft für die von der AG erworbenen Grundstücke sei allein der Vertrag vom 1. Oktober 1962 gewesen. Aus den früheren Verträgen habe die AG nichts mehr erwerben können, weil sich in der Zwischenzeit nicht nur die Grundstücksbezeichnungen geändert hätten, sondern infolge des Umlegungsverfahrens andere Grundstücke Vertragsgegenstand geworden seien. Mangels Identität der in den Verträgen von 1960 und dem von 1962 genannten Grundstücke habe auch das Verkaufsangebot aus 1960 nicht mehr angenommen werden können.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Mit Recht hat das FG ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 23 EStG angenommen.
Nach § 23 EStG sind Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte, bei denen - falls es sich um Grundstükke handelt - der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Entgegen der Meinung des Klägers wird die Möglichkeit einer Anwendung des § 23 EStG nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger andere Grundstücke veräußert hat als von ihm angeschafft wurden. Ein Spekulationsgeschäft kann nicht nur bei Anschaffung und Veräußerung ein und desselben Gegenstands, sondern auch bei der Veräußerung eines Ersatzgrundstücks in Betracht kommen. Wie in dem Urteil des BFH vom 5. Mai 1961 VI 107/60 U (BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385) ausgesprochen und in der Entscheidung des Senats vom 16. Januar 1973 VIII R 96/70 (BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445) bestätigt wurde, ist der Erwerb von Ersatzland im Zusammenhang mit einer Enteignung keine Anschaffung im Sinne von § 23 EStG. Er ist vielmehr immer dann, wenn auf Grund gesetzlicher Bestimmungen durch hoheitlichen Akt einem Steuerpflichtigen Grundbesitz entzogen wird, für die Anwendung des § 23 EStG so anzusehen, als sei das zugewiesene Ersatzland lediglich an die Stelle des alten Besitzes getreten. Dieser für den Fall der Enteignung ausgesprochene Grundsatz hat nach Auffassung des Senats auch zu gelten, wenn Land im Zuge eines Umlegungsverfahrens ausgetauscht wird. Ist danach im Hinblick auf § 23 EStG ein im Umlegungsverfahren zugeteiltes Grundstück als mit dem in das Umlegungsverfahren eingebrachten Grundstück identisch anzusehen, dann folgt daraus, daß für die Anwendung des § 23 EStG als Zeitpunkt des Erwerbs des veräußerten Grundstücks nicht der Tag der Zuteilung dieses Grundstücks zugrunde gelegt werden kann, sondern der Zeitpunkt, in dem das in die Umlegung einbezogene Grundstück erworben wurde.
Im Streitfall hat der Kläger die ihm im Umlegungsverfahren zugefallenen Grundstücke auch innerhalb der Spekulationsfrist veräußert. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung vom Zeitpunkt des Abschlusses der obligatorischen Verträge auszugehen (vgl. Urteil des Senats vom 19. Oktober 1971 VIII R 84/71, BFHE 104, 513, BStBl II 1972, 452). Stellt man hierauf ab, dann lag der Vertrag vom 1. Oktober 1962, mit dem der Kläger die Ersatzgrundstücke für seine bis zum 13. April 1960 gekauften Grundstücke verkaufte, außerhalb der Spekulationsfrist. Die Annahme eines Spekulationsgeschäfts kommt danach nur in Betracht, wenn die Vertragspartner innerhalb des Zweijahreszeitraums Verhältnisse geschaffen haben, die einer Veräußerung im Sinne von § 23 EStG gleichzusetzen sind, z. B. dadurch, daß sie - wie im Urteil des Senats VIII R 84/71 mit Rechtsprechungsnachweisen ausgeführt - wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichzustellende Vereinbarungen getroffen oder das dingliche Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung vor dem obligatorischen Rechtsgeschäft vollzogen haben. So ist anerkannt, daß die Abgabe eines bindenden Verkaufsangebots - selbst bei Befristung auf einen erst nach der Spekulationsfrist beginnenden Zeitraum - als Veräußerung im Sinne von § 23 EStG angesehen werden kann, wenn das Angebot durch Hinzutreten weiterer Umstände wie die Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums durch den Verkäufer und die wirtschaftliche Vertragserfüllung seitens des Käufers als endgültig betrachtet werden muß (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1970 VI R 166/67, BFHE 100, 93, BStBl II 1970, 806). Die Annahme der Vorinstanz, daß im Streitfall solche Verhältnisse geschaffen wurden, ist frei von Rechtsirrtum.
Das bindende Verkaufsangebot, die Darlehnsgewährung in Höhe des von vornherein festgelegten Kaufpreises, der Abschluß eines "Erbbauvertrags" mit den von den Vertragspartnern gewählten Modalitäten sowie die Inbesitznahme der Grundstücke und Lastentragung durch die AG rechtfertigen den Schluß auf eine endgültig gewollte Eigentumsverschaffung an den Grundstücken. Dem steht nicht entgegen, daß ein Erbbaurecht im Grundbuch nicht eingetragen wurde und ein Erbbaurechtsvertrag nicht auf die Verschaffung von Eigentum am Grundstück gerichtet ist. Zwar wird mit dem Abschluß eines Erbbaurechtsvertrags in der Regel lediglich das dingliche Recht begründet, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu haben, mit der Folge, daß hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse am Grundstück keine Veränderung eintritt. Etwas anderes muß aber dann gelten, wenn der Erbbaurechtsvertrag seiner bürgerlich-rechtlichen Bezeichnung nach nicht das von den Vertragschließenden mit ihm verfolgte wirtschaftliche Ergebnis deckt, der Grundstückseigentümer insbesondere dem "Erbbauberechtigten" das Eigentum am Grundstück verschaffen will; dann ist der Vertrag auch steuerrechtlich seinem wirklichen wirtschaftlichen Gehalt nach zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 1965 VI 288/63 U, BFHE 83, 311, BStBl III 1965, 613; vom 26. Februar 1970 I R 42/68, BFHE 98, 486, BStBl II 1970, 419). Daß im Streitfall mit dem "Erbbauvertrag" nicht nur die Bestellung eines Baurechts gewollt war, ergibt sich insbesondere aus seinem § 1 Abs. 4, wonach sich "der jeweilige Grundstückseigentümer" verpflichtete, "das Grundstück zum fünfundzwanzigfachen Jahresbetrag des Erbbauzinses an den jeweiligen Erbbauberechtigten zu verkaufen, sobald die Bauverpflichtung - nach Abs. 2 dieses Paragraphen - ganz oder teilweise erfüllt ist". Abgesehen von dem darin zum Ausdruck gebrachten Veräußerungswillen wurde der AG damit die Möglichkeit eröffnet, die Grundstücke unabhängig von dem besonders erklärten Verkaufsangebot zu erwerben.
Fundstellen
BStBl II 1974, 606 |
BFHE 1974, 31 |