Leitsatz (amtlich)
Als Erwerbstätigkeit I.S. von § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG ist eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Tätigkeit anzusehen. Geht nur einer der Ehegatten einer derartigen Beschäftigung nach, während der andere studiert, so kann der Freibetrag für eine Hausgehilfin oder eine Haushaltshilfe auch dann nicht gewährt werden, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 2, Art. 100 Abs. 1 S. 1; StAnpG § 1 Abs. 2; EStG § 33a Abs. 3 Nr. 2a; LStDV § 25a Abs. 3 Nr. 2a
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet. Zu ihrem Haushalt gehörten im Streitjahr 1971 zwei Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Der Kläger studierte vom 1. Januar 1971 bis zum 12. September 1971 an der Universität in A. Seit dem 13. September 1971 übt er einen Beruf aus. Seine Ehefrau war mit kurzen unterbrechungen während des ganzen Jahres 1971 berufstätig.
Im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1971 beantragten die Kläger, ihnen wegen der Beschäftigung einer Haushaltshilie einen Freibetrag von 600 DM nach § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG - § 25 a Abs. 3 Nr. 2 a LStDV - zu gewähren. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) berücksichtigte im Einspruchsverfahren einen anteiligen Freibetrag für September bis Dezember 1971 in Höhe von 200 DM.
Das FG entsprach dem Antrag der Kläger mit folgender Begründung in voller Höhe: Der Kläger sei während seines Studiums als erwerbstätig anzusehen. Nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung sei der Begriff der Erwerbstätigkeit in § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG weit auszulegen. Das Gericht habe keine Bedenken, darunter eine Tätigkeit zu verstehen, die dem Erwerb unmittelbar oder vorbereitend diene und die den Tätigen überwiegend in Anspruch nehme. Bei Auslegung der Steuergesetze sei nach § 1 Abs. 2 StAnpG auch die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Daher sei es erheblich, daß Studentenehen bei Einführung des § 33 a Abs. 3 EStG noch selten gewesen seien und daß Berufsausbildung und -fortbildung jetzt durch finanzielle Zuwendungen gefördert würden wie niemals zuvor. Jede andere Auslegung würde zu sinnwidrigen und wirtschaftlich nicht vertretbaren Ergebnissen führen. Als Student sei der Kläger außerhalb des Haushalts tätig gewesen, so daß bei den Klägern objektiv die Notwendigkeit der Beschäftigung einer Haushaltshilfe wie in den Fällen bestanden habe, in denen beide Ehegatten berufstätig seien. Nach Abschn. 192 Abs. 3 Satz 2 EStR könne der Freibetrag entgegen dem Wortlaut des § 33 a Abs. 3 Nr. 2 b EStG auch einem erwerbstätigen verheirateten Steuerpflichtigen gewährt werden, der von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebe. Es sei nicht einzusehen, daß die Kläger bei sonst gleichen Verhältnissen nur deshalb steuerlich schlechter gestellt werden sollten, weil der Kläger wegen seines Studiums und nicht wegen einer, unter Umständen geringfügigen Erwerbstätigkeit, dem Haushalt habe fernbleiben müssen. Es sei auch ungerecht, Arbeitnehmern, die sich bei Fortzahlung der Bezüge in ihrem Beruf steuerlich fortbilden könnten, zusätzlich den Hausgehilfinnenfreibetrag zu gewähren und ihn Studenten zu verweigern, die ihre Ausbildung aus eigenen Mitteln finanzieren müßten. Dies wäre ein mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung kaum zu vereinbarendes Ergebnis.
Mit seiner wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG (§ 25 a Abs. 3 Nr. 2 a LStDV). Ein Studium sei nicht als Erwerbstätigkeit anzusehen. Dem FG könne auch nicht darin gefolgt werden, daß das Anwachsen der Studentenehen seit Einführung des § 33 a Abs. 3 EStG entscheidungserheblich sei; denn der Gesetzgeber habe die Lebenssachverhalte begünstigen wollen, in denen beide Ehegatten steuerpflichtige Einnahmen erzielten und deswegen daran gehindert seien, hauswirtschaftliche Aufgaben wahrzunehmen. Das FG habe den Begriff "Erwerbstätigkeit" in § 33 Abs. 3 Nr. 2 a EStG nicht ausgelegt, sondern eine Entscheidung gegen den eindeutigen Gesetzewortlaut getroffen. Das sei unzulässig. Im übrigen ständen die tragenden Gründe der FG-Entscheidung im Widerspruch zu den Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 30. August 1972 VI R 144/69 (BFHE 107, 496, BStBl II 1973, 159). Der BFH habe in dieser Entscheidung die katalogartige, abschließende Aufzählung der eng begrenzten Sondertatbestände des § 33 a Abs. 3 EStG betont und die analoge Anwendung dieser Vorschrift auf wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte ausgeschlossen.
Das FA beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 589 veröffentlichte Urteil des FG ist begründet.
Nach § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG 1971 kann der Freibetrag für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe nur dann gewährt werden, wenn beide Ehegatten erwerbstätig sind. Diese Voraussetzung war bei den Klägern während der Zeit von Januar bis September 1971 nicht gegeben; denn als Erwerbstätigkeit ist nur eine solche Beschäftigung anzusehen, die den Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen und seiner Familie sicherstellen soll.
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Berufsausbildung (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG) und Erwerbstätigkeit (§ 33 a Abs. 3 EStG). Daraus ergibt sich, daß die Verhinderung des Klägers an der Erfüllung häuslicher Aufgaben durch sein Studium nicht als Erwerbstätigkeit i. S. der gesetzlichen Regelung angesehen werden kann.
Die Wortauslegung des § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG kann auch nicht durch § 1 Abs. 2 StAnpG in Frage gestellt werden. Zwar stehen die engen Grenzen, die der Auslegung eines Gesetzes zu Lasten des Steuerpflichtigen gezogen sind und die es verbieten, den Kreis der steuerbaren Tatbestände über den möglichen Wortlaut hinaus zu erweitern (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1969 II 210/65, BFHE 97, 147, BStBl II 1969, 736), einer sinnvollen Auslegung des Gesetzes zugunsten des Steuerpflichtigen nicht unbedingt entgegen (BFH-Urteil vom 13. Januar 1970 II 132/65, BFHE 98, 453, BStBl II 1970, 440). Billigkeitserwägungen, auf denen letztlich die Entscheidung des FG beruht, können aber nur berücksichtigt werden, wenn das Gesetz einer Auslegung in dieser Richtung zugänglich ist (BFH-Urteil vom 19.November 1968 II 112/65, BFHE 94, 156, BStBl II 1969, 92). Aus § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG läßt sich aber nichts dafür entnehmen, daß der Gesetzgeber die Fallgruppe der Studentenehen mit zwei Kindern unter 18 Jahren durch Gewährung eines Freibetrags für eine Hausgehilfin oder eine Haushaltshilfe begünstigen wollte. Auch die Entwicklung der Verhältnisse verändert nicht den Definitionsbereich der Normen und berechtigt nicht dazu, einer begünstigenden gesetzlichen Regelung einen anderen Zweck zu unterlegen (BFH-Urteil vom 28. April 1970 II 109/65, BFHE 99, 250, BStBl II 1970, 600).
Das Grundgesetz (GG) hat in Art. 20 Abs. 2 die Trennung zwischen Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung vollzogen und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Auch eine grundsätzlich zulässige verfassungskonforme Gesetzesauslegung muß die im Wortlaut des einfachen Gesetzes objektivierte Wertung des Gesetzgebers respektieren, mindestens im Grundsatz. Es ist unzulässig, den wesentlichen Kern der in dem einfachen Gesetz einmal vollzogenen Wertung unberücksichtigt zu lassen oder umzuformen (Roth-Stielow, Grundgesetz und Rechtsanwendung, S. 44). Es ist davon auszugehen, daß § 33 a EStG verschiedene typische Sachverhalte steuerlich begünstigen will. Eine Subsumierung anderer Lebenssachverhalte im Wege der anpassenden Auslegung dieser Bestimmung würde einer Gesetzeskorrektur gleichkommen, die den Gerichten nicht zusteht. Hier bleibt gegebenenfalls nur die Pflicht zu einer Normenkontrollvorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG (Bogs, Die verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, S. 33).
Der Senat folgt dem FG insoweit, daß es anzustreben wäre, einem Studentenehepaar mit zwei Kindern und nur einem verdienenden Ehegatten den Freibetrag nach § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG zu gewähren. Die Verfassungswidrigkeit der zur Zeit geltenden Regelung auf dem Gebiet der Freibeträge bei der Beschäftigung einer Hausgehilfin oder Haushaltshilfe läßt sich daraus aber nicht herleiten.
Der BFH hat die Verfassungsmäßigkeit des § 33 a Abs. 3 Nr. 2 a EStG, insbesondere seine Vereinbarkeit mit den Art. 3, 6 GG, wiederholt geprüft und bejaht (Urteil vom 10.Mai 1973 IV R 181/70, BFHE 109, 346, BStBl II 1973, 631). Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung betont, daß der Gesetzgeber auch im Bereich des Steuerrechts grundsätzlich Gestaltungsfreiheit hat, solange ein einleuchtender Grund für eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung gegeben ist. Es hat ferner darauf hingewiesen, daß nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit (Willkürverbot) vom BVerfG nachzuprüfen sei, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (Beschluß vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 [310]; Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl., Art. 3 Anm. 23). Es ist keine willkürliche, sondern vom Standpunkt des Gesetzgebers aus noch sachgerechte Erwägung, wenn er die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für eine Haushaltshilfe bei zwei gesunden Kindern von der Erwerbstätigkeit beider Ehegatten abhängig macht.
Das FA hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß der Senat bereits in seinem Urteil VI R 144/69 ausgeführt hat, daß § 33 a EStG die steuerliche Vergünstigung für Hausgehilfinnen abschließend regelt und eine entsprechende Anwendung dieser Sonderregelung auf nicht erfaßte vergleichbare Sachverhalte im Wege der Analogie nicht zulässig sei.
Inwieweit Abschn. 192 Abs. 3 Satz 2 EStR mit § 33 a Abs. 3 Nr. 2 b EStG zu vereinbaren ist, kann hier dahinstehen, weil über einen unter diese Regelung fallenden Sachverhalt micht zu entscheiden war. Eine Verwaltungsanweisung könnte auch keine gerichtliche Entscheidung rechtfertigen, die nicht dem Gesetz entspricht.
Fundstellen
Haufe-Index 71401 |
BStBl II 1975, 537 |
BFHE 1976, 133 |