Leitsatz (amtlich)
Hat das Finanzamt abweichend von der Steuererklärung keine negative Steuerschuld, sondern die Umsatzsteuer auf Null festgesetzt, kann der Steuerpflichtige nicht mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung die einstweilige Festsetzung einer negativen Steuerschuld begehren, um die entsprechende Auszahlung von Steuerbeträgen zu erreichen.
Normenkette
AO 1977 § 361 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2; UStG 1973 §§ 16, 18
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 17.03.1981; Aktenzeichen V 365/80) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ein von ihr errichtetes Bürogebäude an die N vermietet; diese hat das Gebäude an die S untervermietet. Die Klägerin hat gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG) auf die Steuerfreiheit ihrer Vermietungsumsätze verzichtet und in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1976 bis 1979 aufgrund in Anspruch genommener Vorsteuerabzugsbeträge jeweils negative Steuerschulden berechnet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die Umsatzsteuer für die Jahre 1976 bis 1979 auf jeweils null DM festgesetzt und zur Begründung angeführt, die Zwischenvermietung der Klägerin an die N könne steuerlich nicht anerkannt werden; die Klägerin sei als Vermieterin des Gebäudes an die S anzusehen, sie habe daher rechtswirksam auf die Steuerbefreiung nicht verzichten können und sei aufgrund der Steuerfreiheit ihrer Vermietungsumsätze zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt.
Über die von der Klägerin eingelegten Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden.
Die Klägerin hat beim FA die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide 1976 bis 1979 mit der Maßgabe beantragt, für diese Jahre jeweils negative Steuerschulden in einer Gesamthöhe von X DM festzusetzen. Das FA hat den Antrag der Klägerin abgelehnt, die Oberfinanzdirektion (OFD) ihre Beschwerde zurückgewiesen.
Mit der Klage hat sich die Klägerin zur Rechtfertigung ihres Anliegens auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78 (BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567) berufen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Eine Aussetzung der Vollziehung komme grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die angefochtenen Verwaltungsakte (wie hier) kein Leistungsgebot enthielten; sie könne nicht zur Auszahlung von Vorsteuern führen. Der von der Klägerin angeführte Beschluß des BFH betreffe die Aussetzung der Vollziehung eines mit dem Begehren der Feststellung eines höheren Verlustes angefochtenen Grundlagenbescheides und somit einen anderen Fall.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt unrichtige Auslegung des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Rechtsprechung des BFH, wonach die Auszahlung von Vorsteuerbeträgen durch eine Aussetzung der Vollziehung nicht erreicht werden könne, erstrecke sich nicht auf den hier gegebenen Fall. Entgegen der Auffassung des FG komme dem Beschluß des BFH vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78 generelle Bedeutung zu.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Maßgebend ist nicht § 69 Abs. 2 FGO, sondern der inhaltsgleiche § 361 Abs. 2 der Abgabenordnung.
Das FA hat die Umsatzsteuer für die Jahre 1976 bis 1979 auf jeweils null DM festgesetzt. Es handelte sich um erstmalige Steuerfestsetzungen, welchen Auszahlungen von Überschüssen an die Klägerin aufgrund entsprechender Umsatzsteuervoranmeldungen mit Berechnung einer negativen Umsatzsteuerschuld nicht vorausgegangen waren. Die Klägerin erstrebt im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (vor Entscheidung über ihren Einspruch) die Festsetzung jeweils negativer Steuerschulden für die Jahre 1976 bis 1979 in einer Gesamthöhe von X DM. Ihr Anliegen ist somit nicht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den drohenden Vollzug von Verwaltungsakten, die auch bei der Anordnung der Rückzahlung ausgezahlter Umsatzsteuer in Betracht kommen kann (vgl. Beschlüsse des BFH vom 5. Februar 1976 V B 73/75, BFHE 118, 149, BStBl II 1976, 435, und vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239). Sie will vielmehr erreichen, daß im Wege der Aussetzung der Vollziehung Vorsteuerbeträge in dieser Höhe unter dem Vorbehalt der Rückforderung an sie ausgezahlt werden. Ein solcher Antrag richtet sich nicht auf "Aussetzung der Vollziehung" und ist als ein auf diese zielender Antrag nicht statthaft (vgl. Beschluß des Senats vom 28. November 1974 V B 44/74, BFHE 114, 171, BStBl II 1975, 240).
Dieser Beurteilung steht der Beschluß des BFH vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78 (BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567) nicht entgegen. Die Entscheidung betrifft ausschließlich die besondere Problematik des vorläufigen Rechtsschutzes bei Grundlagenbescheiden zur einheitlichen und gesonderten Feststellung bestimmter Einkünfte. Solche Bescheide enthalten kein Leistungsgebot, sondern beeinflussen die Höhe der in dem Steuerbescheid (Folgebescheid) auszusprechenden Leistungspflicht. Sie führen nicht zu einer der Festsetzung einer negativen Steuerschuld bei der Umsatzsteuer entsprechenden Festsetzung einer negativen Einkommensteuerschuld mit der Folge einer die geleisteten Vorauszahlungen übersteigenden Erstattung von Einkommensteuerbeträgen. Die Wirkung einer Aussetzung der Vollziehung eines solchen Grundlagenbescheides mit der Maßgabe, daß vorläufig von einem Verlust oder statt eines Verlustes von X DM von einem höheren Verlust auszugehen sei, erschöpft sich daher in einer (mittelbaren) vorläufigen Begrenzung oder Aufhebung eines Leistungsgebotes. Das ist mit dem Begehren der Klägerin, zu einer Erstattung von Umsatzsteuerbeträgen im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung zu kommen, nicht zu vergleichen.
Fundstellen
BStBl II 1982, 149 |
BFHE 1981, 402 |
NJW 1982, 2208 |