Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuersatz von Umsätzen eines Logotherapeuten
Leitsatz (amtlich)
Die Umsätze eines nichtärztlichen Logotherapeuten sind nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1991/1993 umsatzsteuerfrei.
Normenkette
UStG 1991 § 4 Nr. 14; UStG 1993 § 4 Nr. 14; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob die Umsätze des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus seiner Tätigkeit als Logotherapeut in den Streitjahren 1992 bis 1994 gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1991 und 1993 (UStG) umsatzsteuerfrei waren.
Der Kläger ist promovierter Theologe. Er ist selbständig tätig und betreibt ein Institut für Existenzanalyse und Logotherapie.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG auf die Umsätze des Klägers aus dieser Tätigkeit ab, da der Kläger keine den in dieser Vorschrift genannten Heilberufen ähnliche Tätigkeit ausübe; es fehle bereits an einer vergleichbaren gesetzlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelung.
Die hiergegen gerichteten Einsprüche des Klägers waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) lehnte die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG auf die streitigen Umsätze des Klägers ab und ließ dementsprechend zusätzliche, unstreitige Vorsteuerbeträge, die das FA bisher nicht berücksichtigt hatte, zum Abzug zu.
Das FG führte aus, § 4 Nr. 14 UStG sei auf die Umsätze des Klägers aus Logotherapie und Existenzanalyse nicht anzuwenden. Es komme darauf an, dass die Tätigkeit des Klägers ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern finanziert werde. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.
Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2005, 1567 abgedruckt.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger trägt vor, bereits in den Streitjahren ausgebildeter Psychotherapeut mit der Fachrichtung Logotherapie gewesen zu sein. Er habe das European Certificate of Psychotherapy erhalten. Inzwischen sei ihm von der … Psychotherapieakademie eine Professur verliehen worden und er lehre an der Privatuniversität … Psychotherapie. Ferner legte er eine Bescheinigung vor, wonach er in Österreich seit dem 12. April 2007 zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist. Daher ist der Kläger der Auffassung, psychotherapeutische Umsätze auszuführen.
Deren Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ergebe sich daraus, dass für Psychotherapie allgemein und nicht speziell für die Logotherapie eine Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger in Betracht komme. Auf die Methode der Psychotherapie und darauf, ob diese Methode in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden sei, komme es nicht an.
Ferner meint der Kläger, der Grundsatz der steuerlichen Neutralität sei verletzt, wenn seine Umsätze aus Logotherapie steuerpflichtig, die gleichen Umsätze eines Arztes allerdings steuerfrei seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die streitigen Umsätze von der Umsatzsteuer zu befreien, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Umsätze des Klägers aus der Tätigkeit als Logotherapeut nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind.
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 der in den Streitjahren geltenden Fassungen des UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes" steuerfrei.
a) Diese Vorschrift setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderliche Qualifikation besitzt (vgl. Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 6. November 2003 Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2003, 585 Rz 5; vom 27. April 2006 C-443/04 und C-444/04, Solleveld u.a., BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 Rz 24, 37; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 2005 V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904; vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143).
aa) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) umfassen Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (BFH-Urteile vom 30. Juni 2005 V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675; vom 13. Juli 2006 V R 7/05, BFH/NV 2006, 2387, Deutsches Steuerrecht 2006, 1982, m.w.N.).
bb) Im Urteil "Solleveld" in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 hat der EuGH die Grundsätze für die Definition der "arztähnlichen Berufe" durch die Mitgliedstaaten präzisiert:
Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bei der Definition der arztähnlichen Berufe ein Ermessen, das sich nicht nur auf die für die Ausübung dieser Berufe erforderliche Qualifikation, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen Heiltätigkeiten bezieht, die zu diesen Berufen gehören (Rz 29, 30). Die Mitgliedstaaten können einzelne Berufe von den arztähnlichen Berufen ausnehmen, selbst wenn sie hinsichtlich bestimmter Aspekte im nationalen Recht besonders geregelt sind (Rz 33).
Begrenzt wird dieses Ermessen jedoch zum einen durch das Ziel der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG aufgestellten Voraussetzung, "dass die Befreiung nur für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gilt, die von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Qualifikationen … besitzen. Daher sind nicht alle Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen". (Rz 37).
Zum anderen verbietet zwar der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. "Bei der Prüfung, ob Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gleichartig sind, sind jedoch die beruflichen Qualifikationen der Behandelnden zu berücksichtigen." (Rz 40).
In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hängt der Nachweis der erforderlichen Qualifikation nach der Rechtsprechung des Senats nicht ausschließlich von einer berufsrechtlichen Regelung und deren Erfüllung ab. Indizien für das Vorliegen einer beruflichen Qualifikation sind die Zulassung des jeweiligen Unternehmers oder die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Sozialversicherung oder die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V (BFH-Urteil in BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904, m.w.N.). Weiteres Indiz ist, dass der Behandelnde die Qualifikation hat, die in einem Versorgungsvertrag gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen Rehabilitation benannt ist (BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190, unter II.2.c).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die streitigen Umsätze des Klägers nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit:
aa) Für Logotherapeuten bestand keine berufsrechtliche Regelung. Die Logotherapie war nach Anlage 1 der in den Streitjahren gültigen Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 SGB V über die Durchführung der Psychotherapie in der kassenärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Richtlinien) von den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich ausgenommen. Da der Kläger ausschließlich die Logotherapie praktizierte, ist --entgegen seiner Auffassung-- auf diese Methode und nicht allgemein auf Psychotherapie abzustellen.
bb) Soweit der Kläger vorträgt, bereits in den Streitjahren Psychotherapeut gewesen zu sein, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren schon aufgrund der Bindung an die Feststellungen des FG nicht berücksichtigt werden kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Denn das FG stellte lediglich fest, dass der Kläger in den Streitjahren Theologe war. Ebenfalls neu in diesem Sinne ist das Vorbringen des Klägers, er sei Inhaber des … Certificate of Psychotherapy, ihm sei eine Professur verliehen worden und er lehre an der … Psychotherapie. Gleiches gilt für die vom Kläger eingereichte Bescheinigung, wonach er in Österreich seit dem 12. April 2007 zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzt, wenn logotherapeutische Heilbehandlungen eines Arztes aufgrund seiner breiten heilberuflichen Ausbildung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreit sein sollten, die Leistungen des Klägers hingegen steuerpflichtig sind. Denn Heilbehandlungen sind nur gleichartig und damit hinsichtlich der Mehrwertsteuer gleich zu behandeln, wenn die Qualifikationen der Leistenden vergleichbar sind (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 Rz 40 ff.). Der Kläger hatte aber nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt in den Streitjahren keine ähnlich breite heilberufliche Ausbildung wie ein Arzt, sondern war Theologe.
Fundstellen
Haufe-Index 1811150 |
BFH/NV 2007, 2435 |
BStBl II 2008, 37 |
BFHE 2008, 323 |
BFHE 217, 323 |
BB 2007, 2389 |
DB 2007, 2522 |
DStR 2007, 1905 |
DStRE 2007, 1466 |
DStZ 2007, 716 |
HFR 2008, 56 |