Leitsatz (amtlich)
a) Eine Partei wird nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, wenn das Berufungsgericht in Anwendung des § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung trifft, ohne darüber zu befinden, ob das LG einen Ablehnungsantrag - unter Mitwirkung der abgelehnten Richter - zu Recht als unzulässig verworfen hat; vielmehr ist im Zivilprozess in dieser Lage das Berufungsgericht "der gesetzliche Richter".
b) Eine Rechtsmittelrichterin ist nicht deshalb entsprechend § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, weil ihr Ehegatte an der angefochtenen Entscheidung des 1. Rechtszugs mitgewirkt hat. Ebenso wenig ist dieser Umstand allein geeignet, die Ablehnung der Richterin gem. § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.10.2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f.).
Normenkette
ZPO § 538 Abs. 1, 2 S. 2 Nr. 1, § 41 Nr. 6, § 42; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des OLG München vom 12.7.2006 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Die Klägerin ist durch das angefochtene Urteil auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht deshalb vor, weil das Berufungsgericht in Anwendung des § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine eigene Sachentscheidung getroffen hat, ohne darüber zu befinden, ob das LG die in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Ablehnungsanträge zu Recht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen hat. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der 1. Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers - hierzu zählt auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538 Rz. 14; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 538 Rz. 11) - eine Zurückverweisung grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Soweit einzelnen Äußerungen im Schrifttum (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rz. 15 für den Fall der fehlerhaften Bescheidung eines Ablehnungsantrags in den Urteilsgründen) zu entnehmen sein sollte, dass eine fehlerhafte erstinstanzliche Entscheidung über eine Befangenheitsablehnung das Berufungsgericht - entgegen dem klaren Wortlaut und dem Sinn des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO - stets zur Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs verpflichtet, folgt der Senat dem nicht. Denn die in § 538 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, wonach das Berufungsgericht auch in einem derartigen Fall grundsätzlich selbst in der Sache zu entscheiden hat, wird durch die - in den von der Klägerin herangezogenen, das Strafverfahren betreffenden Entscheidungen nicht zutreffende - Erwägung gerechtfertigt, dass den Parteien im Zivilprozess mit dem Berufungsverfahren eine zweite Tatsacheninstanz eröffnet ist. Ein in der ersten Instanz unterlaufener Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO zwingt allerdings - ungeachtet der weiteren in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen - dann zur Zurückverweisung, wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das Berufungsverfahren darstellen kann. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall und wird von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.
Abgesehen davon hat das LG die Ablehnungsanträge ohne Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu Recht als unzulässig verworfen. Denn die in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG gestellten Ablehnungsanträge sind jedenfalls deshalb als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen, weil sie erneut auf einen Sachverhalt gestützt wurden, über den bereits - rechtskräftig - entschieden worden war, dass er die Befangenheit der abgelehnten Richter nicht begründete.
Ebenso wenig ist die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde berechtigt, das Berufungsgericht sei wegen der Mitwirkung der Richterin am OLG S. nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Die Richterin war wegen der Beteiligung ihres Ehemanns an der angefochtenen Entscheidung des 1. Rechtszugs weder gem. § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen noch war dieser Umstand allein geeignet, die Ablehnung der Richterin gem. § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen (BGH, Beschl. v. 20.10.2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f.). Abgesehen davon wäre der letztgenannte Verfahrensfehler auch nach §§ 43, 295 ZPO geheilt; denn die Klägerin hat in Kenntnis dieses - nach ihrer nunmehrigen Auffassung die Befangenheit der Richterin S. begründenden - Sachverhalts Anträge gestellt und hat sich in die weitere Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingelassen (BGHZ 165, 223, 226 f.; Zöller/Vollkommer, a.a.O., vor § 41 Rz. 2; § 43 Rz. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 43 Rz. 1).
Das Berufungsurteil ist auch materiell-rechtlich richtig. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Abschluss des konkreten mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrags revisionsrechtlich einwandfrei als wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Gegenstandes i.S.v. § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB beurteilt, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurft hätte.
Von einer weiteren Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 ZPO).
Streitwert: 2.500.000 EUR
Fundstellen
NJW 2008, 1672 |
BGHR 2008, 707 |
EBE/BGH 2008 |
DRiZ 2009, 55 |
JurBüro 2008, 501 |
WM 2008, 999 |
ZAP 2008, 880 |
MDR 2008, 763 |
PA 2008, 96 |
Mitt. 2008, 375 |