Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Entstehens der Terminsgebühr bei außergerichtlichen Verhandlungen
Leitsatz (amtlich)
Bespricht der Anwalt des Anspruchsgegners mit dem Anwalt des Anspruchstellers, dem ein Klageauftrag erteilt ist, die Angelegenheit, um diese außergerichtlich zu erledigen, so verdient er damit die Terminsgebühr jedenfalls dann, wenn sein Auftrag die Rechtsverteidigung in einem etwaigen Klageverfahren umfasst.
Normenkette
RVG VV Nr. 3104
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 8.10.2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte beauftragte die klagenden Rechtsanwälte mit der Durchführung seines Scheidungsverfahrens. Nach Übersendung des Entwurfs einer Scheidungsklage durch die Kläger drängte die Ehefrau des Beklagten über ihre ebenfalls mit einem Klageauftrag ausgestatteten Rechtsanwälte im Blick auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten insb. auf Freistellung von Darlehensverpflichtungen an dem im jeweils hälftigen Miteigentum stehenden Eigenheim. Die Kläger besprachen im Auftrag des Beklagten am 20.2.2006 die vermögensrechtlichen Folgen einer Scheidung mit den Bevollmächtigten der Ehefrau des Beklagten; als Ergebnis kam man überein, eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung auszuarbeiten. Die Ehegatten schlossen am 22.3.2007 einen notariellen Scheidungsfolgenvertrag. Darin übertrug die Ehefrau ihren hälftigen Grundstücksanteil auf den Beklagten, der die Grundpfandrechte übernahm und die Ehefrau von jeglicher Inanspruchnahme durch die Grundpfandrechtsgläubiger freistellte. Die Ehe wurde durch Urteil vom 10.5.2007 geschieden.
Rz. 2
Wegen der Besprechung der Scheidungsfolgen beanspruchen die Kläger von dem Beklagten Zahlung einer Geschäfts- und einer Terminsgebühr i.H.v. insgesamt 5.150 EUR. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Beklagte, die Klage hinsichtlich der Terminsgebühr i.H.v. 2.462,40 EUR abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision ist unbegründet.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Kläger seien von dem Beklagten beauftragt gewesen, für ihn den Besprechungstermin am 20.2.2006 wahrzunehmen. Durch die Teilnahme an dieser Besprechung sei eine Terminsgebühr angefallen. Voraussetzung für die Entstehung einer Terminsgebühr sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein unbedingter Klageauftrag, jedoch nicht die Einreichung der Klage. Infolge des ihnen erteilten Klageauftrags könnten die Bevollmächtigten der Ehefrau von dieser die Terminsgebühr beanspruchen. Bei wortlautgetreuer Anwendung der Rechtsprechung könnten hingegen die Kläger die Terminsgebühr nicht verlangen, weil sie nur mit der Abwehr des Anspruchs betraut worden seien. Es könne jedoch nicht darauf abgestellt werden, in welcher zufälligen prozessualen Situation sich die vertretene Partei befinde. Nach Sinn und Zweck des Gebührentatbestandes, die Gerichte zu entlasten, entstehe die Terminsgebühr auch zugunsten des Anwalts des Anspruchsgegners, wenn der Anspruchsteller seinem Anwalt einen Klageauftrag erteilt und der Anspruchsgegner seinen Anwalt zur Abwehr des Anspruchs mit der Wahrnehmung eines Besprechungstermins beauftragt habe.
II.
Rz. 5
Dies hält - jedenfalls im Ergebnis - rechtlicher Prüfung stand.
Rz. 6
1. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Vergütungsverzeichnis (fortan: VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entsteht gem. § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 Variante 3 VV auch durch die Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Diese Voraussetzungen sind in der dem Streitfall zugrunde liegenden Konstellation zugunsten der klagenden Rechtsanwälte erfüllt.
Rz. 7
a) Während ein bereits laufendes Verfahren erledigt wird, kann nur ein Verfahren, das noch nicht begonnen hat, vermieden werden. Deshalb braucht der Anspruch, der Gegenstand der Besprechung ist, nicht bereits bei Gericht anhängig gemacht worden zu sein. Vielmehr will der Gesetzgeber die außergerichtliche Streiterledigung dadurch fördern, dass die Terminsgebühr auch dann anfällt, wenn der Anwalt nach Erteilung des Klageauftrags an einer auf die Vermeidung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt (BT-Drucks. 15/1971, 148; BGH, Urt. v. 8.2.2007 - IX ZR 215/05, NJW-RR 2007, 720 Rz. 7, 8). Voraussetzung für die zugunsten des Anwalts des Anspruchstellers anfallende Terminsgebühr ist danach lediglich die Erteilung eines unbedingten Klageauftrags, nicht jedoch die Einreichung der Klage (BGH, Urt. v. 8.2.2007, a.a.O., Rz. 9).
Rz. 8
b) Im Streitfall hatte die Ehefrau des Beklagten ihren Bevollmächtigten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts einen Klageauftrag erteilt. Dieser Auftrag hatte die klageweise Durchsetzung von vermögensrechtlichen Ansprüchen in Zusammenhang mit der Scheidung und nicht - wie die Revision meint - die Scheidung als solche oder den Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung zum Gegenstand. Dies erkennt im Grundsatz auch die Revision an, soweit sie ausführt, die von der Ehefrau angekündigte Klage auf Zugewinnausgleich habe einer Rechtsgrundlage entbehrt und sich darum als leere Drohung dargestellt. Danach hatte die Ehefrau ihren Anwälten ersichtlich einen unbedingten Klageauftrag erteilt. Ohne Bedeutung ist es, ob die hier vergleichsweise getroffene Regelung in einem Klageverfahren durchsetzbar war. Dies folgt schon daraus, dass der Gebührentatbestand lediglich eine Besprechung und gerade nicht eine erfolgreiche gütliche Einigung verlangt (BGH, Beschl. v. 20.11.2006 - II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286, 287 Rz. 8). Deshalb kann der Inhalt eines tatsächlich erzielten Vergleichs nicht den Anfall der Terminsgebühr hindern. Bei dieser Sachlage hatten die Bevollmächtigten der Ehefrau des Beklagten vorliegend die Terminsgebühr verdient.
Rz. 9
c) Kann der Anwalt des Anspruchstellers die Terminsgebühr im Falle der Erteilung eines Klageauftrags verlangen, soll nach der wohl einhelligen Meinung im Schrifttum, der die Revision folgt, Entsprechendes auch für den anwaltlichen Vertreter des Anspruchsgegners gelten, wenn er über eine korrespondierende verfahrensmäßige Legitimation verfügt. Danach müsste ihm also ebenfalls ein - auf Klageabwehr in einem künftigen gerichtlichen Verfahren gerichtetes - Prozessmandat erteilt sein (Bonnen MDR 2005, 1084, 1085; Hansens, RVGreport 2006, 241, 242; Henke AnwBl. 2006, 347; AnwaltK-RVG/Onderka/N. Schneider, 5. Aufl. VV Vorbem. 3 Rz. 153; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl. Vorbem. 3 VV Rz. 87; Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. Vorbem. 3 VV Rz. 36; ebenso wohl Bischof in Bischof, RVG 3. Aufl. Vorbem. 3 VV Teil 3 Rz. 42 ff.).
Rz. 10
d) Ob dies erforderlich ist, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn ein dahin gehender Verfahrensauftrag ist den Klägern von dem Beklagten vor der Besprechung vom 20.2.2006 erteilt worden. Das Berufungsgericht hat im Blick auf den den Bevollmächtigten der Ehefrau des Beklagten erteilten Klageauftrag angenommen, dass der Beklagte die Kläger mit der Abwehr der dem Klageauftrag zugrunde liegenden Ansprüche betraut hat. Der Auftrag umfasste nach den Gesamtumständen ersichtlich auch die gerichtliche Abwehr der von der Ehefrau vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche. Insoweit ist zu beachten, dass die Kläger von dem Beklagten bereits den Auftrag auf Einreichung der Scheidungsklage erhalten hatten. Als Reaktion auf die in Aussicht gestellte Scheidungsklage hatte die Ehefrau des Beklagten die Erhebung von Ansprüchen angekündigt. Angesichts der absehbaren wechselseitigen Einschaltung der Gerichte erstreckte sich der Auftrag der Kläger auch auf die gerichtliche Abwehr von Ansprüchen. Da für die Scheidung ein unbedingter Klageauftrag vorlag, kann nicht angenommen werden, dass sich die mit den Scheidungsfolgen verbundene Rechtsverteidigung auf eine außergerichtliche Streitbeilegung beschränken sollte.
Rz. 11
2. Soweit das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verletzung der Hinweispflicht nach § 49 Abs. 5 BRAO abgelehnt hat, erhebt die Revision keine Rügen. Insoweit ist auch ein Rechtsfehler nicht ersichtlich. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass es an der gebotenen Darlegung fehlt, wie der Beklagte auf den allein geschuldeten Hinweis, dass sich die Gebühren nach dem Streitwert bemessen, reagiert hätte (BGH, Urt. v. 24.5.2007 - IX ZR 89/06, NJW 2007, 2332, 2334 Rz. 21).
Fundstellen
Haufe-Index 2372725 |
DB 2010, 1995 |
NJW 2011, 530 |
EBE/BGH 2010 |
FamRZ 2010, 1656 |
JurBüro 2010, 580 |
AnwBl 2010, 719 |
DAR 2010, 613 |
MDR 2010, 1219 |
AGS 2010, 483 |
ArbRB 2010, 372 |
FF 2010, 508 |
HRA 2010, 17 |
RVGreport 2010, 385 |
BRAK-Mitt. 2010, 226 |
Rafa-Z 2011, 9 |