Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 3 ZPO vorliegen kann, wenn der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Grund erst nach Fällung, Absetzung und Unterzeichnung, aber noch vor der Verkündung des Berufungsurteils entsteht.
Normenkette
ZPO § 551 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Duisburg |
OLG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2000 wird zurückgewiesen, soweit die Stufenklage hinsichtlich der in Nr. I. 1. Buchst. b, f, g, h, i und n der Berufungsanträge bezeichneten Bauvorhaben abgewiesen worden ist.
Im übrigen wird das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an den 21. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Maklerin, der Beklagte Architekt. Sie trägt vor, ihr Ehemann habe mit dem Beklagten vereinbart, diesem als freier Mitarbeiter ihres Maklerbüros und in ihrer Vertretung Architektenaufträge zu vermitteln. Als Provision habe der Beklagte 10 % des Architektenhonorars an sie zahlen sollen, fällig nach Abschluß des jeweiligen Bauvorhabens. Die Klägerin verlangt im Wege der Stufenklage von dem Beklagten Auskunft über die Architektenhonorare für 14 im einzelnen bezeichnete, nach ihrer Behauptung vereinbarungsgemäß vermittelte Bauvorhaben sowie Zahlung der sich aus der Auskunft ergebenden Provisionen. Der Beklagte hat die von der Klägerin behauptete Vereinbarung bestritten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im ersten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat durch Urteil vom 18. März 1999 (III ZR 93/98 = NJW 1999, 2360) das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Durch das nunmehr angefochtene Berufungsurteil hat das Berufungsgericht nach Beweisaufnahme die Berufung erneut zurückgewiesen. Nach Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung, aber noch vor der Urteilsverkündung hat die Klägerin den Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch wurde durch einen zugleich mit dem Urteil verkündeten Beschluß des Berufungsgerichts für begründet erklärt. An der Verkündung beider Entscheidungen hatte der abgelehnte Richter nicht mitgewirkt.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Stufenklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang zur teilweisen Aufhebung auch des zweiten Berufungsurteils; im übrigen hat sie keinen Erfolg.
I.
Der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 3 ZPO liegt nicht vor.
1. Das Berufungsgericht erblickt den Grund für die Befangenheit des Berichterstatters nicht etwa in dessen möglicher Voreingenommenheit gegen den Ehemann der Klägerin selbst, sondern in der Reaktion dieses Richters auf das Ablehnungsgesuch. Die das Ablehnungsverfahren einleitende Anfrage der Klägerin datiert vom 8. Dezember 1999, fällt also, ebenso wie die Äußerungen des abgelehnten Richters, in die Zeit zwischen dem Schluß der mündlichen Verhandlung (18. November 1999) und der Verkündung des Berufungsurteils (12. Januar 2000).
2. Das Berufungsurteil ist indessen noch im Laufe des Monats November 1999 gefällt, abgefaßt und unterzeichnet worden. Dies ergibt sich daraus, daß an ihm und an seiner Unterzeichnung noch der Vorsitzende Richter Sch. mitgewirkt hat, der mit Ablauf des 30. November 1999 in den Ruhestand getreten ist. Er wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter K. abgelöst, der auch bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch den Vorsitz geführt hat. Diese Daten entnimmt der Senat – wie in der mündlichen Revisionsverhandlung erörtert – aus den Handbüchern der Justiz für 1996 und 2000 (jeweils S. 243). Der von der Revision angeregten weiteren Sachaufklärung über den Verfahrensgang bedarf es daher nicht.
3. Das Institut der Richterablehnung und das Institut des Ausgeschlossenseins eines Richters dienen demselben Ziel: die Richterbank freizuhalten von Richtern, die dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt und den daran Beteiligten nicht mit der erforderlichen Distanz des unbeteiligten und deshalb am Ausgang des Verfahrens uninteressierten „Dritten” gegenüberstehen; gleichwohl unterscheiden sie sich deutlich voneinander: Der Unterschied liegt zunächst darin, daß im einen Fall der Ausschluß eines Richters von der Mitwirkung bei einer Entscheidung kraft Gesetzes eintritt; im Streitfall stellt das Gericht nur deklaratorisch fest, daß der Richter ausgeschlossen ist. Im Falle der Befangenheit ist die Entscheidung des Gerichts konstitutiv; erst die Entscheidung führt zum Ausschluß des Richters von der Mitwirkung bei einer Entscheidung. Auch die Tatbestände, die einerseits zum Ausschluß, andererseits zur Besorgnis der Befangenheit führen, sind deutlich verschieden. Dem Fall des Ausgeschlossenseins liegen objektivierbare Tatsachen und Vorgänge, die jederzeit zuverlässig und eindeutig nachprüfbar sind, zugrunde; ob eine Besorgnis der Befangenheit zu bejahen ist, hängt von vielfältigen Wertungen und damit von subjektiven Elementen ab. Damit hängt zusammen, daß der Ausschluß von Amts wegen festgestellt werden kann (und dann auch von Amts wegen berücksichtigt werden muß), während die Entscheidung über die Befangenheit eines Richters eines Anstoßes bedarf (der Geltendmachung) durch diejenigen, die sich durch die eine Besorgnis begründenden Vorgänge unmittelbar betroffen fühlen (BVerfGE 46, 35, 37). Dementsprechend trifft den abgelehnten Richter erst mit der Stellung (Anbringung) des Ablehnungsantrags die Amtspflicht, nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten, oder – anders ausgedrückt – Amtshandlungen, die nicht unaufschiebbar sind, zu unterlassen (Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. 2001 § 47 Rn. 3 m.w.N.).Vor Stellung des Ablehnungsantrags vorgenommene Amtshandlungen desspäter mit Erfolg abgelehnten Richters bleiben wirksam (Zöller/Vollkommer aaO Rn. 4).
4. Im vorliegenden Fall war die Urteilsfällung (§ 309 ZPO), einschließlich der Unterzeichnung (§ 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO), schon vor Anbringung des Ablehnungsgesuches und schon vor dem Entstehen des Ablehnungsgrundes vollendet gewesen. Der nachträgliche Eintritt der Handlungsunfähigkeit des abgelehnten Richters (§ 47 ZPO) stand daher der bloßen Verkündung des bereits abgesetzten Urteils nicht entgegen. Denn § 309 ZPO bestimmt, daß ein Urteil nur von denjenigen Richtern „gefällt” werden kann, welche der dem Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung beigewohnt haben. Diese Vorschrift ist aus dem Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Verhandlung zu verstehen. Nur die Richter, die an der für das Urteil allein maßgeblichen mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, dürfen die Sachentscheidung treffen. Dagegen brauchen sie an dem formalen Akt der Verkündung nicht mitzuwirken. Denn durch die Verkündung wird das Urteil nicht etwa ein Urteil der verkündenden Richter. Es bleibt vielmehr die Entscheidung der Richter, die es beschlossen haben und die es nach § 315 ZPO unterzeichnen müssen (BGHZ 61, 369, 370).
5. Hiergegen wendet die Revision ein, das Urteil sei vor seiner Verkündung nicht existent und könne jederzeit erneut Gegenstand einer Beratung und Abstimmung der Mitglieder des Senats oder der Kammer sein. Die Bedeutung dieser Möglichkeit erschließe sich gerade im Streitfall, so daß in der „Aufrechterhaltung” der etwa schon gefällten Entscheidung eine unzulässige Mitwirkung eines abgelehnten Richters zu sehen sei. Darin kann der Revision nicht gefolgt werden. Der abgelehnte Richter hatte hier nichts anderes getan, als das, was nach § 47 ZPO seines Amtes gewesen war: Er hatte sich jeder weiteren Tätigkeit enthalten. Es würde dem Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, dieses vom Gesetz gebotene Untätigbleiben in eine positive „Mitwirkung” umzudeuten. Im übrigen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß das angefochtene Urteil nach dem 30. November 1999 Gegenstand erneuter Beratung gewesen sein könnte. Der Umstand, daß der an diesem Tag in den Ruhestand getretene Vorsitzende Richter Sch. das Urteil mit unterzeichnet hat, spricht vielmehr dafür, daß die endgültige Urteilsfassung spätestens Ende November 1999 vorgelegen hatte. Die bloße Möglichkeit einer erneuten Beratung und Beschlußfassung ist der Mitwirkung selbst, auf die das Gesetz entscheidend abstellt, nicht gleichzusetzen. Auch das weitere Argument, es sei für eine Prozeßpartei nur schwer nachvollziehbar, wenn ihr Ablehnungsgesuch zwar zulässig und begründet sei, sie aber dennoch eine Sachentscheidung des abgelehnten Richters hinnehmen müsse, greift jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht durch, wo positiv feststeht, daß der geltend gemachte Ablehnungsgrund erst nach der Beendigung der Amtstätigkeit des abgelehnten Richters überhaupt entstanden ist.
II.
1. Der Senat war im ersten Revisionsurteil von der tatsächlichen Feststellung des Landgerichts ausgegangen, etwa im Jahre 1984 oder 1985 sei zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Klägerin eine Vereinbarung dahingehend zustande gekommen, daß der Ehemann sich für den Beklagten um die Vermittlung von Architektenverträgen bemühen sollte und dafür an die Klägerin 10 % des jeweils anfallenden Architektenhonorars abgeführt werden sollten. Offengeblieben war, ob diese Vereinbarung unmittelbar zwischen der Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, und dem Beklagten oder zwischen dem Ehemann selbst und dem Beklagten getroffen worden war. In beiden Fällen hatte der Senat einen Direktanspruch der Klägerin gegen den Beklagten für möglich gehalten; für die zweite Fallvariante bedeutete dies, daß Grundlage für einen solchen Anspruch ein zwischen dem Ehemann und dem Beklagten geschlossener Vertrag zugunsten der Klägerin als „Dritter” in Betracht kam.
2. Diese tatsächliche und rechtliche Ausgangssituation hatte sich – wie die Revision mit Recht geltend macht – auch im weiteren Verfahren vor dem Berufungsgericht nach der Zurückverweisung nicht geändert. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß danach allenfalls erheblich ist, ob ein Architektenvertrag infolge einer Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit des Ehemanns der Klägerin zustande gekommen ist, wobei Mitursächlichkeit genügt. Als weitere Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ist zu fordern, daß der Beklagte von der Tätigkeit des Ehemanns und von der möglichen Provisionsforderung der Klägerin so rechtzeitig Kenntnis erlangt haben mußte, daß er diesen Umstand beim Abschluß seiner eigenen Architektenverträge mit berücksichtigen konnte (vgl. dazu OLG München NJW 1968, 894). Hingegen ist es unerheblich, ob die Klägerin im fraglichen Zeitpunkt schon ein Gewerbe als Maklerin angemeldet hatte und im Besitz einer Erlaubnis nach § 34 c GewO gewesen war (BGHZ 78, 269). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob der Ehemann der Klägerin diese zu Maklerdiensten gegen Honorar verpflichten und ob „der Beklagte gerade eine Maklertätigkeit der Klägerin honorieren wollte”.
3. Die weitere Verfahrensrüge der Revision, der Berufungssenat habe die vom Einzelrichter durchgeführte Beweisaufnahme nicht verwerten dürfen, greift – wie der Senat geprüft hat – nicht durch; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 565 a ZPO). Danach halten die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß sich bei den im Berufungsantrag unter Buchstabe b, f, g, h, i und n bezeichneten Bauvorhaben eine Vermittlungsleistung des Ehemanns der Klägerin nicht feststellen lasse, der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Anders ist es indessen bei den übrigen Bauvorhaben, bei denen das Berufungsgericht im wesentlichen auf den (fehlenden) Vertretungswillen des Ehemanns der Klägerin sowie auf den – rechtlich unzutreffenden – Gesichtspunkt abgestellt hat, es sei für den Vergütungsanspruch der Klägerin erheblich, ob sie in den fraglichen Zeiträumen bereits im Besitz einer Maklergewerbeerlaubnis war. Vielmehr wird es insoweit darauf ankommen, ob die bestrittene Behauptung der Klägerin über die Provisionsvereinbarung zutrifft und ob die Aufträge dem Beklagten durch den Ehemann der Klägerin aufgrund dieser Absprache vermittelt worden sind.
4. Hinsichtlich der Bauvorhaben a, c, d, e, j, k, l und m kann das Berufungsurteil somit keinen Bestand haben. Die Sache ist vielmehr zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Kapsa
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.02.2001 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547381 |
NJW 2001, 1502 |
BGHR 2001, 304 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 707 |
VersR 2002, 1574 |