Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer sittlichen Pflicht zur Schenkung.
Normenkette
BGB § 534
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 24.05.1984) |
LG Duisburg |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Mai 1984 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Franz H., der Vater des Beklagten, wurde von dem in der Nähe wohnenden, nicht mehr berufstätigen Beklagten und seiner Ehefrau über lange Jahre hin versorgt und verpflegt. Die Ehefrau putzte die Wohnung ihres Schwiegervaters. Die Beklagten erhielten dafür ein Entgelt von 100,– DM monatlich. Im September 1977 übergab Franz H. dem Beklagten 17.315 DM, im November 1977 weitere 25.000 DM. Von dem ersten Betrag erwarb der Beklagte einen Pkw, der jetzt noch einen Wert von 5.000 DM hat. Für die 25.000 DM kaufte er Sparkassenbriefe, die am 1. Dezember 1984 fällig wurden und mit 7,25 % jährlich verzinst wurden.
Am 16. Juni 1980 kam Franz H. im Alter von 86 Jahren in ein Alterskrankenheim. Für die monatlichen Pflegekosten von 2.701,50 DM reichte seine Rente von monatlich 1.760,60 DM nicht aus. Nachdem auch restliche Ersparnisse weitgehend erschöpft waren, zahlte die Klägerin ab dem 1. November 1980 den Unterschiedsbetrag zwischen Rente und Pflegekosten als Sozialhilfe. Ihre Leistungen beliefen sich bis zum Tode des Franz H. am 7. November 1982 auf insgesamt 29.790,51 DM.
Am 14. Juli 1982 leitete die Klägerin den Anspruch Franz H. nach § 528 BGB gegen den Beklagten auf Herausgabe eines geschenkten Betrages von 30.000 DM auf sich über. Die Überleitungsanzeige wurde dem Beklagten am 20. Juli 1982 zugestellt.
Der zuletzt auf Zahlung von 29.790,51 DM nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Landgericht nur in Höhe von 4.906,42 DM, das Oberlandesgericht in vollem Umfang stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht würdigt die Zuwendung der Geldbeträge als sogenannte belohnende Schenkung. Der Vater des Beklagten sei ab seiner Unterbringung in dem Altenpflegeheim außerstande gewesen, die Pflegekosten in vollem Umfang zu zahlen. Er sei deshalb berechtigt gewesen, das Geschenkte im Umfang der Aufwendungen für seine Pflege nach § 528 BGB zurückzufordern. § 529 Abs. 2 BGB stehe dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen. Der Beklagte benötige das Geld nicht für seinen angemessenen Unterhalt. Ersparnisse für spätere Zeiten fielen nicht darunter. Im übrigen habe der Beklagte die zweite Zuwendung nicht zur Alterssicherung angelegt, vielmehr zu Zwecken der Vermögensanlage verwendet. Den Anspruch habe die Klägerin nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG wirksam auf sich übergeleitet, und zwar nicht nur wegen künftiger, vielmehr auch wegen der bereits von ihr erbrachten Leistungen. Dabei könne offenbleiben, in welchem Stadium sich das verwaltungsgerichtliche Verfahren befinde, weil dieses Verfahren keine aufschiebende Wirkung habe (§ 90 Abs. 3 BSHG). All das enthält keinen Rechtsfehler. Die Überleitungsanzeige ist ersichtlich dahin zu verstehen, daß sie auch die bis dahin schon erbrachten Leistungen umfassen sollte. Die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes ist von den Zivilgerichten – abgesehen von dem nicht gegebenen Fall der Nichtigkeit – nicht nachzuprüfen (BGHZ 94, 141, 142).
Die Revision meint, die Rückforderung sei nach § 534 BGB ausgeschlossen, weil die Schenkungen einer sittlichen Pflicht entsprochen hätten. Das Berufungsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, daß der Beklagte seinen Vater für ein völlig unangemessenes Entgelt von nur monatlich 100 DM versorgt und gepflegt habe in der beiderseitigen Annahme, daß es völlig gleich sei, ob der Vater dadurch Geld sparen könne, weil der Beklagte als einziger Abkömmling ohnehin alleiniger Erbe sein werde. Auch seien die Beteiligten davon ausgegangen, daß der Beklagte und seine Ehefrau auch weiterhin für den Vater sorgen würden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (LM BGB § 534 Nr. 1) reicht es für die Annahme einer sittlichen Pflicht zur Schenkung nicht aus, daß der Schenker nach den Geboten der Sittlichkeit aus Nächstenliebe dem Beschenkten hilft. Eine Rückforderung nach § 534 BGB ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn dem Schenker eine besondere Pflicht für die Zuwendung oblegen hat, eine Pflicht, die aus den konkreten Umständen des Falles erwachsen ist und in den Geboten der Sittlichkeit wurzelt, wobei das Vermögen und die Lebensstellung der Beteiligten sowie ihre persönlichen Beziehungen untereinander zu berücksichtigen sind. Eine sittliche Pflicht ist nur zu bejahen, wenn das Handeln geradezu sittlich geboten ist (BGHZ 91, 273, 277).
Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht aus. Es führt dazu aus: Der Beklagte habe zusammen mit seiner Frau seinen Vater Franz H. jahrelang versorgt. Diese Pflege und Hege des Vaters habe sittlicher Pflicht des Beklagten entsprochen, der aber – auch aus der Sicht des Beklagten – keine sittliche Verpflichtung des Vaters zur Übergabe des Geldes habe entsprechen sollen. Der Beklagte habe die Zuwendungen seines Vaters vielmehr selbst als „Anerkennung” bezeichnet. Im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entsprängen, auch wenn die Kinder inzwischen erwachsen seien, diese anerkennenden Geschenke in der Regel nicht dem Gefühl sittlicher Verpflichtung, vielmehr im Gegenteil lediglich verwandtschaftlicher Verbundenheit, die losgelöst von dem Bewußtsein sei, damit eventuell moralische Pflichten zu erfüllen.
Diese Wertung ist jedenfalls im Ergebnis richtig. Es ist allgemein anerkannt, daß die Unterstützung notleidender Geschwister oder anderer nicht unterhaltsberechtigter Verwandter sittlich geboten sein kann. Ein gleiches kann aber nicht – jedenfalls nicht generell – von belohnenden Zuwendungen für geleistete Dienste gesagt werden (vgl. Staudinger/Reuss, BGB 12. Aufl. § 534 Rdn. 7). Eine sittliche Verpflichtung zur Belohnung derartiger Pflegeleistungen wird im allgemeinen nur angenommen werden können, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Ausbleiben einer solchen Belohnung als sittlich anstößig erscheinen lassen (Urt. vom 7. März 1984, IVa ZR 152/82, LM BGB § 2330 Nr. 5 = NJW 1984, 2939 unter 4.). Ein solcher Fall könnte etwa gegeben sein, wenn der die Pflegeleistungen Erbringende schwerwiegende persönliche Opfer bringt und deswegen in eine Notlage gerät. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Inwiefern die Berufsaufgabe des Beklagten mit der Pflege und Vesorgung des damals noch nicht bettlägrigen Vaters zusammenhing, hat der Beklagte nicht erläutert, obwohl ein Zusammenhang keineswegs auf der Hand liegt, zumal der Beklagte auch nach der Aufnahme seines Vaters in das Altenpflegeheim nicht wieder eine Berufstätigkeit aufgenommen hat. Daß der Beklagte und sein Vater bei der Zuwendung möglicherweise im Auge hatten, daß der Beklagte als einziger Abkömmling seines Vaters ohnehin alleiniger Erbe sein werde, ist kein Umstand, der eine sittliche Verpflichtung zu einer Schenkung begründen könnte. Eine derartige Vorwegnahme der Erbfolge war auch dann nicht sittlich geboten, wenn die Beteiligten davon ausgingen, daß der Beklagte und seine Ehefrau auch weiterhin für den Vater sorgen würden. Beide Seiten lebten zur Zeit der Schenkung in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, so daß die Schenkung nicht etwa der Behebung einer Notlage diente.
Auch die Berufung auf die gesetzliche Abwendungsbefugnis nach dem § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Denn für die Ersetzungsbefugnis nach dieser Vorschrift ist kein Raum, wenn der Anspruch – wie hier – von vorneherein auf einen abgeschlossenen Zeitraum der Unterhaltsbedürftigkeit gerichtet ist (BGHZ 94, 141, 144; BGH Urteil vom 20. Dezember 1985, V ZR 66/85, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Unterschriften
Dr. Hoegen, Rottmüller, Dr. Lang, Dehner, Dr. Ritter
Fundstellen
Haufe-Index 1530765 |
NJW 1986, 1926 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1986, 862 |