Leitsatz (amtlich)

Familienangehörige i. S. von § 67 Abs. 2 VVG sind nicht nur Eheleute, Verwandte oder Verschwägerte, sondern auch Personen, die ohne eine derartige familienrechtliche Verbindung mit dem Versicherten in einer Weise zusammenleben, die einem Familienverband ähnlich ist wie bei einem Pflegekind.

 

Normenkette

VVG § 67 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg

OLG Hamburg

 

Tenor

I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 23. Juni 1978 im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als es unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 1977 den Klageanspruch in Höhe von 77.273,67 DM dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. In diesem Umfang wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten der Revision fallen der Klägerin 14/15 und den Beklagten als Gesamtschuldnern 1/15 zur Last; die Entscheidung über die Kosten der Vorinstanzen bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 16. Mai 1974 kam es auf der Kreuzung einer Bundesstraße mit einer untergeordneten Landstraße zwischen dem Versicherungsnehmer V. der Klägerin und dem Erstbeklagten, dessen Haftpflichtversicherer die Zweitbeklagte ist, zu einem Verkehrsunfall.

Bei dem Unfall erlitten die im Fahrzeug des Erstbeklagten mitfahrende Frau S. und deren damals 20 1/2 Jahre alte eheliche Tochter Girolama Maria S. Verletzungen; Frau S. verstarb alsbald. Die Getötete, eine italienische Staatsangehörige und mit einem italienischen Staatsangehörigen verheiratet, dessen Aufenthalt seit langem unbekannt ist, hatte seit mehr als 20 Jahren mit dem Erstbeklagten in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt. Aus dieser Lebensgemeinschaft sind fünf Kinder hervorgegangen; diese leben auch heute noch im Haushalt des Beklagten zu 1), der für sie sorgt. Die Ehelichkeit dieser Kinder ist nicht angefochten, die Unterhaltspflicht des Erstbeklagten daher nicht gerichtlich festgestellt.

Die zuständige Landesversicherungsanstalt zahlt an die fünf Kinder Waisenrenten; ihr hat die Klägerin als Haftpflichtversicherer des W. 77.273,67 DM erstattet. Die für die beim Unfall verletzte Girolama Maria S. zuständige Ortskrankenkasse hat an diese für Heilbehandlung 5.233,58 DM auf gewendet; unter Berücksichtigung eines Teilungsabkommens mit der Klägerin erhielt sie dafür von dieser 60 %, nämlich 3.140,15 DM. Für diese Erstattungen sowie für einen unmittelbar an die verletzte Girolama Maria S. gezahlten Betrag von 1.850 DM fordert die Klägerin von den Beklagten Ersatz.

Sie macht dabei hinsichtlich der Erstattungen an die Ortskrankenkasse den vollen Betrag von 5.233,58 DM geltend; sie ist nämlich der Meinung, das Teilungsabkommen komme nur ihr selbst zugute. Sie hält den Erstbeklagten für im Innenverhältnis allein verantwortlich; letzterer geht von einem 30 % -igen Mitverschulden seines Gegners aus.

Unter den Parteien ist neben der Höhe des beiderseitigen Verursachungsbeitrags insbesondere die Frage streitig, ob sich die Beklagten in Anlehnung an den dem § 67 Abs. 2 VVG zugrundeliegenden Rechtsgedanken auf den beiden Sozialversicherungsträgern entgegenstehenden Rückgriff aus Schluß berufen können.

Das Landgericht hat dies bejaht, daher die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht ist dem nicht gefolgt und hat die Klageansprüche dem Grunde nach voll für gerechtfertigt erklärt.

Mit ihrer (angenommenen) Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, nehmen davon jedoch den an die verletzte Girolama Maria S. gezahlten Betrag von 1.850 DM aus.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht verneint die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG auf das Verhältnis des Erstbeklagten (demnächst: Beklagten) zu den von ihm gezeugten fünf Kindern der beim Unfall getöteten Frau S. Es meint, daß trotz der grundsätzlich gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der Angehörigen über Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft hinaus im Streitfall zwingende Vorschriften des deutschen wie auch des italienischen Familienrechts der von den Beklagten vertretenen Auffassung entgegenstünden, die es verböten, die fehlende Familienzugehörigkeit durch die tatsächlich gegebene gemeinsame Haushaltführung zu ersetzen.

I.

Diese Begründung hält den Angriffen der Revision insoweit nicht stand, als es um das familienähnliche Verhältnis der vom Beklagten gezeugten fünf Kinder geht.

1. Dem Berufungsgericht ist allerdings im Ausgangspunkt zu folgen.

Soweit es davon ausgeht, daß in Anwendung des dem § 67 Abs. 2 VVG zugrundeliegenden Rechtsgedankens auch der Übergang des Ersatzanspruchs des Geschädigten gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen auf einen Sozialversicherungsträger (§ 1542 RVO) ausgeschlossen ist, befindet es sich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BGHZ 41, 79; vgl. zuletzt die Urteile vom 21. September 1976 – VI ZR 210/75 = VersR 1977, 149 und vom 5. Dezember 1978 – VI ZR 233/77 = VersR 1979, 256). Die im Rahmen der Fortführung des Sozialgesetzbuchs geplante neue Regelung des bisher in § 1542 RVO angeordneten Forderungsüberganges will diese Rechtsprechung übernehmen (vgl. den Referentenentwurf eines § 137 Abs. 3 SGB IV, veröffentlicht und erläutert von Neumann-Duesberg in BKK 1979, 201 ff.). Denn diese bisher ausdrücklich nur zu Lasten eines Privatversicherers gesetzlich verankerte Rückgriffbeschränkung ist Ausdruck einer allgemeinen Wertung, die dazu führen muß, auch dem Sozialversicherer einen Regreß zu verwehren, wenn dieser mittelbar auch den Empfänger der betreffenden Sozialversicherungsleistung träfe, weil er als Familienangehöriger mit dem Schädiger in häuslicher Gemeinschaft lebt, daher jede Beschneidung dessen finanzieller Leistungsfähigkeit selbst mit zu spüren bekommt. Das hat der Senat in einem weiteren Urteil vom heutigen Tage – VI ZR 270/78 – erneut ausgesprochen und dort auch näher ausgeführt, daß und weshalb dies nicht nur für die gesetzlichen Krankenkassen gilt, sondern für alle Zweige der Sozialversicherung, also auch für die Landesversicherungsanstalt, die im Streitfall bei der Klägerin Regreß genommen hatte.

Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Annahme eines Rückgriff Verbots analog § 67 Abs. 2 VVG von zwei Erfordernissen abhängig ist; zum einen muß der Schädiger Familienangehöriger des Geschädigten sein und zum anderen muß zwischen diesen eine häusliche Gemeinschaft bestehen (vgl. Bruck/Möller/Sieg, 8. Aufl. § 67 VVG Anm. 106; Prölss/Martin, 21. Aufl., Anm. 7 zu § 67 VVG; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 11. Aufl. Anh. zu §§ 10–13 AKB Rdz. 51–55, jeweils m.w. Nachw.).

2. Jedoch führt die Anwendung dieser Grundsätze im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts im Streitfall zur Bejahung des Regreßausschlusses, soweit es sich um die von den fünf vom Beklagten gezeugten Kinder der an den Folgen des Unfalls verstorbenen Frau S. herrührenden Schadensersatzansprüche aus § 844 Abs. 2 BGB handelt.

a) Das Berufungsgericht will in § 1593 BGB, dem im italienischen Recht Art. 231 des codice civile entspricht, ein Hindernis für eine Gleichstellung der fünf Kinder mit Familienangehörigen sehen, weil sie nicht zugleich als die (ehelichen) Kinder des italienischen Ehemannes ihrer Mutter und als „Angehörige” des Beklagten angesehen werden könnten. Dem kann sich der Senat nicht anschließen.

Richtig ist freilich, daß sie nicht, obschon sie blutmäßig die Kinder des Beklagten sind, rechtlich dessen „Angehörige” sein können. Der Begriff des Familienangehörigen i. S. von § 67 Abs. 2 VVG ist aber nicht auf Eheleute, Verwandte oder Verschwägerte im Rechtssinne beschränkt; auf gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen kommt es dabei ohnehin nie an. Er kann auch Personen umfassen, die ohne familienrechtliche Verbindung, sei es aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder auch rein tatsächlich, mit anderen in einer weise zusammenleben, die einem Familienverband ähnlich ist und daher wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit den Schutz des § 67 Abs. 2 VVG erfordern.

aa) Im Streitfall braucht nicht zu der Frage Stellung genommen zu werden, ob etwa auch das langjährige eheähnliche Zusammenleben des Beklagten mit Frau S. letztlich dazu hätte führen können, diese Verbindung in ihren Auswirkungen einer Ehe gleichzusetzen und dem Sozialversicherungsträger aufgrund des in § 67 Abs. 2 VVG enthaltenen Rechtsgedankens einen Rückgriff zu verwehren, wenn er an Frau S., wäre sie nur verletzt worden, eine Rente zu gewähren hätte. Hiergegen könnten gewichtige, nicht zuletzt aus Art. 6 Abs. 1 GG herzuleitende Gründe sprechen (vgl. Gotthardt, FamRZ 1980, 17 ff in seiner Besprechung des vom Senat durch Nichtannahme der Revision bestätigten Urteils des OLG Schleswig vom 11. April 1978 – 9 U 113/77 – VersR 1979, 669); es handelte sich immerhin um ein jedenfalls in sittlicher Hinsicht noch überwiegend nicht gebilligtes ehebrecherisches Verhältnis, wenngleich die festgestellten Umstände – langjähriger unbekannter Aufenthalt des Ehemannes S. und Unmöglichkeit einer Scheidung dieser Ehe nach damaligem italienischem Recht – das Verhalten des Beklagten und seiner „Lebensgefährtin” in einem besonderen Lichte erscheinen lassen.

Es geht nämlich im vorliegenden Fall allein um das Verhältnis des Beklagten zu den von ihm gezeugten Kindern, die alle seit ihrer Geburt mit ihrem blutmäßigen Vater zusammenleben und von diesem betreut werden. Dieses Zusammenleben ist gewiß frei von sittlichem Makel. Das Verhalten der Mutter darf den Kindern nicht angelastet werden; mögen auch deren Ersatzansprüche von der Mutter „herrühren” (vgl. § 846 BGB), so gewährt sie ihnen § 844 Abs. 2 BGB doch als eigene Ansprüche.

Bei dieser Betrachtung hat auch außer acht zu bleiben, daß nach dem Gesetz, und zwar auch nach dem italienischen codice civile, der Beklagte seine Vaterstellung rechtlich nicht zur Geltung zu bringen vermag, er demnach zur Unterhaltsleistung und Betreuung als einem Teil der elterlichen Sorge nicht verpflichtet ist. Wenn er dennoch im Hinblick auf seine Eigenschaft als Erzeuger und somit biologischer Vater der Kinder sich so verhalten hat, als wäre er rechtlich dazu veranlaßt, so kann dies in sittlicher Hinsicht nur als positiv bewertet werden, darf daher nicht schon grundsätzlich die entsprechende Anwendung von § 67 Abs. 2 VVG hindern.

bb) Die Frage nach der Einordnung der zwischen dem Beklagten und den von ihm gezeugten Kindern bestehenden Beziehung führt – hat man die zum Begriff des Familienangehörigen in § 67 Abs. 2 VVG in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelte Auslegung im Auge (vgl. Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 12. Aufl. TZ 1462 f; Prölss/Martin aaO jeweils mit Rechtsprechungshinweisen) – vorrangig zu dessen Wertung als Pflegekindschaftsverhältnis.

Allerdings läßt sich eine umfassende und für alle möglichen Anwendungsbereiche gültige Definition des Begriffs Pflegekind nicht aufstellen (vgl. Beitzke, Familienrecht 19. Aufl. S. 12 und OLG Frankfurt, VersR 1978, 910, das auf Feil, Das Pflegekindschaftsverhältnis im öffentlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland außerhalb des Pflegekinderschutzes in: Recht der Jugend und des Bildungswesens 1976, 70 ff verweist; s. auch BFH in NJW 1963, 781 zum Begriff „Pflegekind” und § 32 Abs. 2 Nr. 3 f EStG). Es findet sich zwar in § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Bundeskindergeldgesetzes, auf das jetzt auch § 595 Abs. 1 Satz 2 und § 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO verweisen, eine in Klammern gesetzte nähere Umschreibung der Voraussetzungen für die Bejahung eines Pflegekindschaftsverhältnisses (vgl. hierzu Schieckel/Brandmüller, Kindergeldgesetze, 1979 Bd. I Anm. 8 zu § 2 BKiGG und die dort angeführte, überwiegend sozialgerichtliche Rechtsprechung). Es ist aber zweifelhaft, ob diese Inhaltsbestimmung ohne weiteres in den Bereich des § 67 Abs. 2 VVG übernommen werden kann. Ein Unterschied in den Auswirkungen der Anerkennung eines Kindes als Pflegekind im Sinne des erwähnten Sozialrechts zu einer Hereinnahme in den versicherungsrechtlichen Schutzbereich, wie er für Familienangehörige in § 67 VVG geschaffen ist, liegt vor allem darin, daß sowohl die Leistungen nach der Reichsversicherungsordnung wie auch die Kindergeldzahlungen jederzeit für die Zukunft eingestellt werden können und bei Wegfall der Voraussetzungen (Beendigung des Pflegekindverhältnisses) entfallen, während für einen Ausschluß des Rechtsübergangs nach § 67 Abs. 1 VVG und § 1542 RVO durch Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG eine gleiche Möglichkeit der Beendigung der Wirkungen eines zunächst bejahten Pflegekindverhältnisses schwerlich zu erzielen ist,(etwa zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des vom Rechtsübergang ausgeschlossenen Schadensersatzanspruchs oder rechtskräftige Feststellung des Rückgriffsausschlusses).

cc) Diese rechtliche Lage erfordert es, den Begriff des Pflegekindes in seiner Anwendung im Bereich des § 67 Abs. 2 VVG enger zu fassen – dies nicht zuletzt auch deshalb – um einer rechtsmißbräuchlichen Berufung auf das Familienprivileg durch künstliche Herstellung eines „Pflegekindverhältnisses” vorzubeugen. Indes nötigt der Streitfall nicht dazu, die so gebotenen einengenden weiteren Erfordernisse im einzelnen aufzuzeigen. Der zur Entscheidung stehende Fall zeichnet sich nämlich durch Umstände aus, die eine ernsthafte Besorgnis rechtsmißbräuchlichen Verhaltens nicht erkennen lassen und es rechtfertigen, die soziologische Einordnung der vom Beklagten gezeugten Kinder in dessen Lebensbereich und damit in dessen Familie (so zutreffend Johannsen in Bruck/Möller, 8. Aufl., Haftpflichtversicherung Bd. IV Anm. G 237) einem rechtlich festgelegten Familienband jedenfalls im Schutzbereich des § 67 Abs. 2 VVG gleichzusetzen.

Im Vordergrund steht hierbei die Tatsache, daß diese Kinder seit ihrer Geburt mit dem Beklagten als ihrem blutmäßigen Vater in enger Gemeinschaft zusammenleben, der ihre Mutter bis zu ihrem Tode gleichfalls angehört hat, und daß der Beklagte, veranlaßt durch das Bewußtsein, Erzeuger der Kinder zu sein, während vieler Jahre wie ein Vater für diese gesorgt hat. Gerade die blutmäßige Bindung, die auch durch gesetzliche Bestimmungen nicht bedeutungslos gemacht werden kann, hebt das Verhältnis des Beklagten zu diesen Kindern über ein bloßes Pflegekindverhältnis hinaus, das zwar den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKiGG entsprechen mag, das aber einer durch blutmäßige Abstammung begründeten besonderen natürlichen Festigung entbehrt. Obwohl die den Regreßausschluß rechtfertigenden Umstände grundsätzlich nur zum Unfallzeitpunkt vorliegen müssen, um zur Auswirkung zu gelangen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1972 – VI ZR 40/71 = VersR 1972, 764 unter ausdrücklicher Bestätigung von BGHZ 54, 256 = VersR 1970, 950) kommt im Zuge der zur Verhinderung von Manipulationen gebotenen Einengung dem Umstand Bedeutung zu, daß der Beklagte auch nach dem Tode der Mutter der Kinder diese weiterhin in gleicher Weise wie vorher betreut und versorgt hat, so daß kein Anlaß zur Befürchtung besteht, er habe das Pflegekindverhältnis nur aufgrund seiner Lebensgemeinschaft mit Frau S. über die Jahre hinweg aufrecht erhalten.

dd) Auf das Fehlen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Beklagten, auf das das Berufungsgericht entscheidend abstellt, kann es nicht ankommen; eine solche ist in Fällen eines Pflegekindschaftsverhältnisses niemals gegeben. Würde man darauf abstellen, so könnten solche Verhältnisse in keinem Fall zur Anwendung von § 67 Abs. 2 VVG führen. Daher geht auch die Erwägung des Berufungsgerichts fehl, mangels solcher Unterhaltspflicht könne die wirtschaftliche Lage der Kinder durch den Regreßanspruch der Sozialversicherer gegen den Beklagten nicht beeinträchtigt werden.

ee) Schließlich verbietet auch das natürliche Hinauswachsen der Kinder aus der einem Familienverband gleichzusetzenden Beziehung zum Beklagten, wie es durch fortschreitendes Alter und damit verbundenem Selbständig- und wirtschaftlichem Unabhängigwerden bedingt ist, nicht die Einordnung in den Schutzbereich des Rückgriffsausschlusses. Die gleiche Entwicklung ist nämlich auch bei echten und gesetzlich anerkannten Vater-Kind-Verhältnissen vorgezeichnet, so daß dieser Gesichtspunkt nicht die rechtliche Stellung des Beklagten berühren kann, falls – wie im Streitfall anzunehmen ist – die schon hervorgehobenen Voraussetzungen für die Bejahung einer Familienzugehörigkeit erfüllt sind.

b) Daß das weitere Erfordernis des § 67 Abs. 2 VVG, nämlich das Zusammenleben des Beklagten und der von ihm gezeugten Kinder in häuslicher Gemeinschaft, erfüllt ist, bedarf keiner näheren Begründung. Das Berufungsgericht hat die hierfür notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen. Diese werden auch von der Klägerin nicht angezweifelt.

3. Führt demnach im Verhältnis der Landesversicherungsanstalt zum Beklagten § 67 Abs. 2 VVG aufgrund auch hier gebotener analoger Anwendung zum Ausschluß des in § 1542 RVO angeordneten Forderungsübergangs, so folgt daraus, daß erstere den den Kindern wegen der Tötung ihrer Mutter gegenüber dem Erstbeklagten entstandenen Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB nicht erworben hat: sie hatte nur einen einzigen Regreßschuldner, nämlich den am Unfall ebenfalls beteiligten W., für den die Klägerin bereits aus §§ 7, 10 Abs. 2 StVG eingestanden hat. Als dieser bzw. für ihn sein Haftpflichtversicherer, die Klägerin, leistete, konnte ein Forderungsübergang nach § 426 Abs. 2 BGB gegen die Beklagten nicht eintreten; er leistete an die Landesversicherungsanstalt als deren alleiniger Rückgriffsschuldner, nicht als Gesamtschuldner neben den Beklagten, Daß bei Berücksichtigung dieser Rechtslage die Klägerin (bzw. deren Versicherungsnehmer) möglicherweise nicht zur vollen Leistung an die Landesversicherungsanstalt verpflichtet war (vgl. BGHZ 54, 256), spielt im vorliegenden Rechtsstreit keine Rolle.

II.

Anders jedoch ist die Rechtslage, soweit es um die Ansprüche geht, die ihren Ursprung in der Verletzung der Tochter Girolama Maria S. haben, deren Erzeuger der Beklagte nicht ist. Insoweit sind die Angriffe der Revision erfolglos.

1. Im Berufungsurteil ist an keiner Stelle eine Feststellung getroffen, aus der hervorgehen könnte, daß der Beklagte auch der verletzten Tochter der tödlich Verunglückten gegenüber Vaterstelle vertrat. Daß sie, wovon den Umständen nach wohl auszugehen ist, zusammen mit ihrer Mutter und damit auch mit dem Beklagten in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, vermag allein ihr Verhältnis zu diesem nicht demjenigen ihrer Halbgeschwister anzugleichen. Im übrigen ließen die Beklagten selbst in ihrem Schriftsatz vom 16. Mai 1978 gegenüber dem Oberlandesgericht ausdrücklich vortragen, das vom Beklagten und Frau S. erzielte Einkommen sei für den Unterhalt der Familie, bestehend aus diesen beiden Personen und den fünf Kindern, verbraucht worden. Darüber, ob Girolama Maria S. davon auch mit unterhalten wurde oder ob sie bereits aufgrund eigener Berufstätigkeit wirtschaftlich unabhängig war, ist an keiner Stelle etwas gesagt. Dieses andere Verhältnis des Beklagten zu Girolama Maria S. ist auch nicht ungewöhnlich, fehlt es doch hier an einer durch Blutsbande bewirkten inneren Verbundenheit.

2. Dies führt insoweit zur Verneinung der Anwendung des in § 67 Abs. 2 VVG enthaltenen Rechtsgedankens. Im Gegensatz zur Landesversicherungsanstalt hat daher die für die verletzte Girolama Maria S. eintretende gesetzliche Krankenkasse über § 1542 RVO auch denjenigen Schadensersatzanspruch erworben, der dieser Verletzten gegenüber den Beklagten erwachsen ist. In diesem Falle war die Leistung der Klägerin, die sie für ihren Versicherungsnehmer erbracht hat, in der Tat die Leistung eines von zwei Gesamtschuldnern; sie hat daher die Wirkung des § 426 Abs. 2 BGB, so daß die Klägerin, die sich insoweit im Verhältnis zu ihrem Versicherungsnehmer auf § 67 Abs. 1 VVG berufen kann, befugt ist, von den Beklagten Ausgleich zu verlangen.

Zur Höhe dieses Anspruchs sind Ausführungen nicht veranlaßt, weil darüber erst das Landgericht in Ergänzung zu dem in diesem Umfang bestätigten Grundurteil zu befinden hat.

3. Von der Revisionsentscheidung erfaßt wird nur die vom Oberlandesgericht dem Grunde nach zuerkannte Verpflichtung der Beklagten zum Ausgleich der von der Klägerin an die gesetzliche Krankenkasse der Girolama Maria S. erbrachten Leistung. Was die unmittelbare Zahlung der Klägerin an diese Verletzte angeht, war die diesbezügliche Erstattungspflicht dem Grunde nach bereits deshalb rechtskräftig entschieden, weil die Beklagten insoweit Revision nicht eingelegt hatten.

 

Unterschriften

Dr. Weber, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Deinhardt

 

Fundstellen

Haufe-Index 892340

NJW 1980, 1468

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