Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstbehalt des Vaters im Rahmen des Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter nach 1615 l Abs. 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
a) Der Selbstbehalt des Vaters im Rahmen des Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB ist i.d.R. mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 1.12.2004 - XII ZR 3/03, z.V.b.).
b) Die Väter mehrerer - nicht aus einer Ehe hervorgegangener - Kinder haften für den Unterhaltsbedarf der nicht verheirateten Mutter gem. § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 85/96, MDR 1998, 473 = FamRZ 1998, 541 ff.).
Normenkette
GG Art. 6 Abs. 4; ErbStG § 10 Abs. 1 StKl I Nr. 2 Buchst. D; BGB §§ 1581, 1603 Abs. 1 und 2, § 1606 Abs. 3 S. 1, § 1609 Abs. 1-2, § 1615l Abs. 2-3, § 1603 Abs. 1-2, § 1609 Abs.1, § 1615 l Abs. 2-3
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.12.2002; Aktenzeichen 3 UF 116/02) |
AG Emmerich |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf v. 13.12.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG - FamG - Emmerich am Rhein v. 14.3.2002 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Unterhalt nach § 1615l BGB aus Anlass der Geburt eines Kindes.
Der Beklagte ist Vater des am 15.5.2001 geborenen Sohnes der Klägerin. Er hat seine Unterhaltspflicht für das Kind i.H.v. 100 % des jeweiligen Regelbetrages anerkannt.
Die Klägerin ist Mutter einer weiteren Tochter, die am 18.4.1997 geboren wurde und von einem anderen Mann abstammt. Von dem Vater dieser Tochter begehrt sie ebenfalls Unterhalt gem. § 1615l Abs. 2 BGB, und zwar über die Dauer von drei Jahren seit der Geburt des Kindes hinaus. Das OLG Hamm (OLG Hamm v. 16.8.2004 - 5 UF 262/04, OLGReport Hamm 2004, 328) hat diesen Rechtsstreit ausgesetzt und die Sache dem BVerfG zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob die grundsätzlich dreijährige Befristung des Anspruchs auf Unterhalt aus Anlass der Geburt mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren verbleiben dem Beklagten von seinen anrechenbaren monatlichen Erwerbseinkünften nach Abzug des Kindesunterhalts monatlich 1.211 EUR.
Das AG hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsrückstände sowie laufenden Unterhalt ab November 2001i.H.v. monatlich 128 EUR unter Anrechnung "zwischenzeitlich freiwillig gezahlter Beträge" zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und den Beklagten verurteilt, höhere Unterhaltsrückstände sowie laufenden Unterhalt von zuletzt monatlich 211 EUR zu zahlen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weitere Unterhaltsrückstände sowie laufenden Unterhalt ab November 2001i.H.v. monatlich 291,44 EUR.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat der Klage nur in eingeschränktem Umfang stattgegeben, weil der Beklagte nach Abzug des gem. § 1615l Abs. 3 S. 3 BGB vorrangig zu berücksichtigenden Kindesunterhalts und des zu berücksichtigenden angemessenen Selbstbehalts nur in diesem Umfang leistungsfähig sei. Ihm müsse im Rahmen seiner Unterhaltspflicht aus Anlass der Geburt gem. §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1603 Abs. 1 BGB der gleiche angemessene Selbstbehalt verbleiben, wie es im Rahmen einer Unterhaltspflicht ggü. volljährigen Kindern der Fall sei. Dieser belaufe sich für die Zeit bis Juni 2001 auf 1.800 DM, für die Zeit von Juli bis Dezember 2001 auf 1.960 DM und für die Zeit ab Januar 2002 auf 1.000 EUR. Dass dem Unterhaltsschuldner im Vergleich hierzu ggü. dem Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt nur der geringere Selbstbehalt verbleibe, führe nicht zu einer gleichheitswidrigen Behandlung. Der geringere Selbstbehalt des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sei durch ein besonderes Maß an Solidarität und Beistandspflicht aus der früheren Ehe geboten. Zwar bedürfe ein nicht in der Ehe geborenes Kind gleichermaßen der Pflege und Erziehung wie ein Kind, das aus der Ehe seiner Eltern hervorgegangen sei. Das ändere aber nichts daran, dass die nicht verheiratete Mutter hinsichtlich der Sicherung ihres Unterhalts in einer anderen Situation sei als die getrennt lebende oder geschiedene Mutter. Von der nicht verheirateten Mutter werde erwartet, dass sie die Betreuung des Kindes notfalls zu Lasten ihres eigenen Unterhaltsbedarfs sicherstelle, soweit im Rahmen ihres Unterhaltsanspruchs Bedarfslücken verblieben.
II.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Zwar unterliegt eine vom Tatrichter nach Billigkeitsgesichtspunkten getroffene Entscheidung - wie hier über die Frage, ab wann der eigene angemessene Unterhalt des nach § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen Vaters gefährdet wäre - nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Eine solche ist aber dann eröffnet, wenn die tatrichterliche Entscheidung den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum nicht ausschöpft oder gesetzlich vorgegebene Wertungen außer Betracht lässt (BGH, Urt. v. 18.10.1989 - IVb ZR 89/88, BGHZ 109, 72 [88] = MDR 1990, 422 = FamRZ 1990, 262 [266]). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil das Berufungsgericht die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Billigkeitsabwägung durch den Hinweis auf einen einheitlichen Selbstbehalt für den Verwandtenunterhalt ersetzt hat, ohne dem besonderen Schutzzweck des Unterhaltsanspruchs aus § 1615l Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Insoweit ist es verfehlt, sich auch dann an feste Tabellen und Leitlinien zu halten, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind als diejenigen, auf die sie für den Regelfall abstellen (BGH, Urt. v. 26.2.1992 - XII ZR 93/91, MDR 1992, 680 = FamRZ 1992, 795 [797]).
2. Der Senat hat - nach Erlass des angefochtenen Urteils - entschieden, dass auch der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Vaters ggü. dem Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter nicht mit einem starren Betrag bemessen werden darf, sondern die besonderen Umstände des zu entscheidenden Falles zu berücksichtigen sind. Dabei hat der Tatrichter einen Selbstbehalt festzulegen, der jedenfalls nicht den notwendigen Selbstbehalt von gegenwärtig 840 EUR unterschreitet. Andererseits muss im Mangelfall der Selbstbehalt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs. 2 BGB regelmäßig hinter dem angemessenen Selbstbehalt, der ggü. dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder gilt und gegenwärtig 1.000 EUR beträgt, zurückbleiben. Deswegen wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem etwa hälftig zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Selbstbehalt ausgeht (BGH, Urt. v. 1.12.2004 - XII ZR 3/03, z.V.b, m.w.N.).
III.
Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das OLG den Berufungsantrag der Klägerin - ggf. nach Anhörung der Parteien - ergänzend auszulegen haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erster Instanz Prozesskostenhilfe ausdrücklich auch für einen Unterhaltsantrag ohne zeitliche Begrenzung begehrt hatte, die ihr mit Beschluss v. 14.4.2002 rückwirkend bewilligt worden ist. Entsprechend erfassen sowohl der Berufungsantrag der Klägerin als auch der Beschluss des Berufungsgerichts v. 31.10.2002 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach ihrem Wortlaut den laufenden monatlichen Unterhalt ohne eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung auf die Dauer von drei Jahren seit der Geburt des Kindes. Das hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, wenn es meint, der Antrag der Klägerin sei "wie im ersten Rechtszug auf die Zeit bis einschließlich Mai 2004 begrenzt". Allerdings sind bislang weder Umstände festgestellt noch sonst ersichtlich, die gem. § 1615l Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 BGB unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Kindes einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt als grob unbillig darstellen könnten.
Das Berufungsgericht wird weiter zu berücksichtigen haben, dass mehrere unterhaltspflichtige Väter nach der Rechtsprechung des Senats, die auch auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden ist, für den Unterhaltsbedarf der Mutter regelmäßig anteilig haften (BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 85/96, MDR 1998, 473 = FamRZ 1998, 541 [543 f.]). Für mehrere nach § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtige Väter folgt dieses schon aus einer unmittelbaren Anwendung der §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Deswegen wird es den Ausgang des Verfahrens vor dem OLG Hamm (OLG Hamm v. 16.8.2004 - 5 UF 262/04, OLGReport Hamm 2004, 328) zu berücksichtigen haben, in dem die Klägerin Unterhalt gem. § 1615l Abs. 2 BGB von dem Vater ihres am 18.4.1997 geborenen weiteren Kindes über die Vollendung dessen dritten Lebensjahres hinaus begehrt.
Die Zurückverweisung des Rechtsstreits gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, den Unterhaltsanspruch für die ersten drei Jahre seit der Geburt des Kindes auf der Grundlage der nunmehr konkret feststehenden Einkünfte des Beklagten anstelle der bislang auf einer Prognose beruhenden anrechenbaren Einkünfte festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1308344 |
NJW 2005, 502 |
BGHR 2005, 431 |
EBE/BGH 2005, 2 |
FamRZ 2005, 357 |
FuR 2005, 224 |
ZAP 2005, 445 |
FPR 2005, 219 |
FPR 2005, 528 |
MDR 2005, 576 |
FamRB 2005, 98 |
FK 2005, 81 |
JAmt 2005, 317 |