Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung von Trennungs- und Kindesunterhalt nach ausschließlich fiktiven Einkünften des Unterhaltsschuldners
Leitsatz (amtlich)
Fiktive Einkünfte, die keine Grundlage in der tatsächlichen Einkommenssituation der Ehegatten während der Ehe haben, können die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägen und deshalb der Bemessung des Trennungsunterhalts nicht zugrunde gelegt werden. Auch die Höhe des vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abhängigen Unterhaltsbedarfs eines Kindes kann grundsätzlich nicht aus lediglich fiktiven Einkünften hergeleitet werden.
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 1, § 1610 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe |
AG Karlsruhe |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger zu 1. (im folgenden: Kläger) nimmt den Beklagten im Wege der Abänderungsklage auf Zahlung höheren Kindesunterhalts in Anspruch, die Klägerin zu 2. (im folgenden: Klägerin) verlangt von ihm die Zahlung von Trennungsunterhalt.
Die am 1. April 1935 geborene Klägerin und der am 8. Dezember 1914 geborene Beklagte sind seit dem 24. Dezember 1986 zum zweiten Mal miteinander verheiratet. Sie leben jedenfalls seit Oktober 1990 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Die Klägerin ging während des Zusammenlebens der Parteien im wesentlichen einer Teilzeitbeschäftigung nach. In der Zeit vom 15. September 1990 bis 31. Mai 1993 war sie arbeitslos, konnte aber zum 1. Juni 1993 erneut eine Arbeitsstelle finden. Seit Sommer 1994 ist sie wiederum arbeitslos.
Der am 19. November 1969 geborene Kläger ist das Kind der Parteien aus ihrer durch Teilurteil des Kreisgerichts F. vom 18. Juni 1979 geschiedenen Ehe. Durch dieses Urteil wurde das Erziehungsrecht für die drei gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder der Klägerin übertragen. Außerdem wurde der – damals schon in der Bundesrepublik lebende – Beklagte auf der Grundlage eines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens von 1.000 DM aus Mieteinnahmen verurteilt, unter anderem für den Kläger einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 105 Mark bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und danach einen solchen in Höhe von 125 Mark bis zur wirtschaftlichen Selbständigkeit an die Erziehungsberechtigte zu zahlen.
Der Kläger ist wegen eines Down-Syndroms mit geistiger und körperlicher Behinderung und wegen Neurodermitis zu 100 % schwerbehindert. Er besuchte zunächst eine Behindertenschule und arbeitet seit September 1991 in einer Behindertenwerkstatt. Neben der ihm hierfür bei teilweise freier Verpflegung gezahlten Vergütung bezieht er Pflegegeld nach dem Bundessozialhilfegesetz sowie seit 1. Juli 1992 Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt. Bis zum 31. Mai 1992 lebte der Kläger in der Wohnung seiner Eltern im Haus M.-Straße 30 a in K.. Seitdem bewohnt er zusammen mit seiner Schwester eine andere Wohnung in demselben Anwesen. Er wird von der Klägerin die für ihn auch als Betreuerin bestellt worden ist, betreut und versorgt.
Der Beklagte, der von Beruf Arzt war, bezieht seit 7. Dezember 1979 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist in ungeteilter Erbengemeinschaft mit einem Erbanteil von 1/2 Gesamthandseigentümer der beiden unter Denkmalschutz stehenden Hausgrundstücke H.-Straße 7 und M.-Straße 30 a in K.. In diesen Häusern befinden sich insgesamt 14 Wohnungen und 2 Läden. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 16. März 1979 haben die Miterben die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach den §§ 2042 Abs. 2, 749 Abs. 2 BGB für immer – auch für den Fall des Todes der Vertragsparteien – ausgeschlossen. Dieser Vereinbarung lag der erklärte Wunsch zugrunde, die beiden von dem gemeinsamen Großvater im Jugendstil erbauten Häuser den eigenen Kindern als Substanz zu erhalten und einen Verkauf sowie eine Zwangsversteigerung auszuschließen.
Die Kläger haben begehrt, den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 782,50 DM ab 1. April 1991 und zur Zahlung von Trennungsunterhalt für die Zeit von Oktober 1990 bis August 1991 in Höhe von monatlich 930 DM abzüglich in unterschiedlicher Höhe freiwillig gezahlter Beträge und zuzüglich 4 % Zinsen seit 5. September 1991 sowie von monatlich 1.450 DM ab 3. September 1991 zu verurteilen. Das Amtsgericht hat der Klage bezüglich des Kindesunterhalts in Höhe von monatlich 264 DM für die Zeit vom 1. April bis 31. August 1991, von monatlich 219 DM für die Zeit vom 1. September 1991 bis 30. Juni 1992 und von monatlich 284 DM ab 1. Juli 1992 stattgegeben. Trennungsunterhalt hat es in Höhe von insgesamt 1.153,69 DM zuzüglich Zinsen für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 31. August 1991, von monatlich 268,90 DM für die Zeit vom 3. September 1991 bis 30. Juni 1992 und von monatlich 250,31 DM ab 1. Juli 1992 zuerkannt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
Hiergegen haben die Kläger und der Beklagte Berufung eingelegt. Der Beklagte hat sein Begehren, die Klage abzuweisen, mit der Behauptung fehlender Leistungsfähigkeit weiter verfolgt, während die Kläger die Zahlung höheren Unterhalts verlangt haben. Der Kläger hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Teilurteils des Kreisgerichts F. vom 18. Juni 1979 an ihn für die Zeit vom 1. April 1991 bis 30. Juni 1992 Unterhalt von monatlich 782,50 DM, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 1992 von monatlich 453,40 DM, für die Zeit vom 1. September bis 30. November 1992 von monatlich 455,48 DM, für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 28. Februar 1993 von monatlich 449,65 DM, für die Zeit vom 1. März 1993 bis 30. Juni 1993 von monatlich 426,73 DM, für Juli 1993 398,81 DM, für August 1993 682,81 DM, für September 1993 705,73 DM, für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1993 monatlich 672,73 DM, für die Zeit vom i. Januar bis 28. Februar 1994 von monatlich 644,81 DM, für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1994 von monatlich 667,73 DM, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1994 von monatlich 666,73 DM, für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 1995 von monatlich 669,05 DM und für die zeit ab 1. März 1995 von monatlich 782,50 DM zu zahlen sowie an die Stadt K. – Sozialbehörde – für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 1992 monatlich 482 DM, für die Zeit vom 1. September bis 30. November 1992 monatlich 479,92 DM, für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 28. Februar 1993 monatlich 485,75 DM, für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1993 monatlich 508,67 DM, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 1993 monatlich 536,59 DM, für September 1993 513,67 DM, für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1993 monatlich 546,67 DM, für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 1994 monatlich 574,59 DM, für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1994 monatlich 551,67 DM, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1994 monatlich 552,67 DM, für die Zeit vor 1. Januar bis 28. Februar 1995 monatlich 550,35 DM, abzüglich in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 31. Juli 1993 abgezweigter 152,90 DM monatlich und in der Zeit vom 1. August 1993 bis 28. Februar 1995 abgezweigter 436,90 DM monatlich zu zahlen. Hinsichtlich der an das Sozialamt von der Rente des Beklagten abgezweigten Beträge hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte ist der Erledigungserklärung entgegengetreten. Die Klägerin hat ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Kläger in Höhe von monatlich 782,50 DM (der in der Urteilsformel genannte Betrag von 782,40 DM beruht ersichtlich auf einem Schreibfehler) für die Zeit vom 2. Mai bis 31. August 1991, von monatlich 743 DM für die Zeit vom 1. September 1991 bis 30. Juni 1992, von 6.848,87 DM für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 28. Februar 1995 und von monatlich 740 DM ab 1. März 1995 verurteilt sowie zur Zahlung an die Stadt K. – Sozialbehörde – von 6.612,33 DM für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 28. Februar 1995. Hinsichtlich der an das Sozialamt erfolgten Abzweigungen hat es die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache antragsgemäß festgestellt. Trennungsunterhalt hat das Oberlandesgericht der Klägerin in vollem Umfang ihres Begehrens zugesprochen und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit seiner – zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf (volle) Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
A) Kindesunterhalt
I.
1. Für die Beurteilung der nach dem Wirksamwerden des Beitritts erhobenen Klage hat das Berufungsgericht, dessen Urteil teilweise in FamRZ 1995, 937 ff veröffentlicht ist, zu Recht die Vorschrift des § 323 ZPO herangezogen. Alte, auf Mark lautende Unterhaltstitel gelten an sich fort, sind aber jetzt aufgrund der Währungsumstellung im Verhältnis 1 zu 1 in DM zu erfüllen. Im Einigungsvertrag (Anlage I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 5 Buchst. i) ist geregelt, daß für die Abänderung rechtskräftiger Urteile von Gerichten der DDR ab dem 3. Oktober 1990 die Rechtsschutzform des § 323 ZPO gilt, der die maßgebenden Vorschriften der §§ 10 Abs. 1 Nr. 4 ZPO/DDR, 87 i.V. mit 22 FGB verdrängt (Senatsurteil vom 15. Dezember 1993 – XII ZR 172/92 – FamRZ 1994, 372, 373).
In der vorgenannten Entscheidung hat der Senat – ohne ausdrücklich hierauf einzugehen – die Prozeßführungsbefugnis eines Kindes, das Abänderung des in dem Scheidungsurteil eines Gerichts der ehemaligen DDR von einem Elternteil erwirkten Unterhaltstitels begehrt hat, bejaht. An dieser Auffassung hält er mit der in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Auffassung, nach der ein solcher Titel Wirkung für und gegen das Kind entfaltet, fest (ebenso Zöller/Vollkommer ZPO 19. Aufl. § 323 Rdn. 50; MünchKomm/Hinz 3. Aufl. § 1629 Rdn. 38; Brudermüller FamRZ 1995, 915, 917; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1478, 1479; OLG Hamm FamRZ 1996, 1085, 1086; a.A. Maurer FamRZ 1994, 337, 344). Auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwendungen.
Mit dem Berufungsgericht ist weiter davon auszugehen, daß das Urteil des Kreisgerichts F. auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum fortwirkt, auch wenn die Eltern wieder geheiratet und erneut – auch mit dem Kläger – zusammengelebt haben. Zwar bestand insoweit gemäß § 1360 BGB die gegenseitige Verpflichtung der Ehegatten, die Familie angemessen zu unterhalten, die auch die Befriedigung des Lebensbedarfs der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder umfaßt (§ 1360a Abs. 1 BGB). Der Unterhaltsanspruch der ehelichen Kinder nach den §§ 1601 ff BGB gegen ihre Eltern besteht indessen neben dem wechselseitigen Unterhaltsanspruch der Eltern auf Gewährung von Familienunterhalt. Soweit das Kind in der Familie lebt und die Eltern beiderseits ihrer Pflicht zur Leistung des Familienunterhalts nachkommen, wird der nach §§ 1601 ff BGB bestehende Unterhaltsanspruch erfüllt. Kommt ein Elternteil der Verpflichtung auf Leistung von Familienunterhalt nicht nach, so ergibt sich ein eigener einklagbarer Anspruch aus § 1360 BGB für das Kind nicht. Es kann vielmehr seinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1601 ff BGB gegen den erwerbstätigen Elternteil geltend machen (Göppinger/Strohal Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 130 f; vgl. auch Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 3. Aufl. Teil V Rdn. 9). Demgemäß ist der titulierte Unterhaltsanspruch, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, während des Zusammenlebens der Familie erfüllt worden, nicht aber für die Zukunft weggefallen. Ob diese Erwägungen auch für den nach dem Recht der DDR ausgeurteilten Kindesunterhalt gelten, kann dahinstehen. Die Familie hat nämlich nach der Wiederheirat der Klägerin und des Beklagten in den alten Bundesländern, in die die Kläger im Februar 1987 zurückgekehrt waren, zusammengelebt, so daß von dieser Zeit an materiell-rechtlich bundesdeutsches Recht maßgebend ist.
2. Dem Abänderungsbegehren fehlt nicht die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigende Prozeßvoraussetzung der – uneingeschränkten – Prozeßführungsbefugnis des Klägers. Die Prozeßführungsbefugnis steht in der Regel den Trägern des streitigen Rechtsverhältnisses, auf der Kläger-Seite also dem Inhaber des geltend gemachten Anspruchs zu. Verliert dieser den Anspruch im Verlauf des Rechtsstreits, etwa durch rechtsgeschäftliche Übertragung oder durch Übergang kraft Gesetzes auf einen Dritten, so hat das auf den Prozeß keinen Einfluß (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der bisherige Anspruchsinhaber führt den Prozeß im eigenen Namen in (gesetzlicher) Prozeßstandschaft weiter, muß allerdings den Klageantrag in der Regel an die veränderte materielle Rechtslage anpassen (Senatsurteil vom 14. Juni 1995 – XII ZR 171/94 – FamRZ 1995, 1131, 1133).
Eine solche Prozeßführung liegt hier – soweit es um die bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht fällig gewordenen Ansprüche auf Kindesunterhalt geht – teilweise vor. Diese standen dem Kläger uneingeschränkt zu, als er die Klage erhob. Sie sind bis zur Höhe der ihm ab 1. Juli 1992 gewährten Sozialhilfe erst im Laufe des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG vom 23. Juni 1993, in Kraft getreten am 27. Juni 1993, BGBl I 944, 952) kraft Gesetzes auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen, und zwar auch, soweit sie den Zeitraum vor Inkrafttreten des Gesetzes betreffen. Letzteres hat der Senat – nach Verkündung des Berufungsurteils – entschieden (Senatsbeschluß vom 15. März 1995 – XII ZR 269/94 – FamRZ 1995, 871, 872) und an dieser Auffassung seitdem festgehalten (Senatsurteil vom 3. Juli 1996 – XII ZR 101/95 – FamRZ 1996, 1207 1208). Nachdem das Oberlandesgericht die Abänderungsklage für die Zeit vor Rechtshängigkeit abgewiesen hat, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt (soweit auf Seite 16 des Berufungsurteils von der Anhebung des Unterhalts für den Kläger für die Zeit ab 1. April 1991 die Rede ist, beruht das ersichtlich ebenso auf einem Versehen wie die Anführung desselben Datums auf Seite 27 des Urteils), ist in der Revisionsinstanz nur noch über die für die Zeit ab Rechtshängigkeit geltend gemachten Unterhaltsansprüche zu befinden. Insoweit ist der Kläger – im Umfang der geleisteten Sozialhilfe – nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO und im übrigen als Rechtsinhaber prozeßführungsbefugt. Der sich hieraus ergebenden materiellen Rechtslage hat er seinen Klageantrag angepaßt und teilweise auf Zahlung an das Sozialamt der Stadt K. angetragen.
3. Daß das Berufungsgericht die Klage schon von dem Eintritt der Rechtshängigkeit (am 2. Mai 1991) an als Abänderungsklage behandelt hat, obwohl der Kläger erst im zweitinstanzlichen Termin vom 2. Februar 1995 erklärt hat, die Klage solle als Abänderungsklage – und nur hilfsweise als Leistungsklage – angesehen werden, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Eine fehlerhafte Prozeßhandlung, die wegen ihrer Eindeutigkeit und Klarheit einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich ist, kann in eine den gleichen Zwecken dienende zulässige Prozeßhandlung umgedeutet werden, deren Voraussetzungen sie erfüllt. Die Umdeutung darf erfolgen, wenn ein entsprechender Parteiwille genügend erkennbar ist und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht. Unter diesen Voraussetzungen ist auch die Umdeutung einer Leistungsklage in eine Abänderungsklage möglich (Senatsurteile vom 6. November 1991 – XII ZR 240/90 – FamRZ 1992, 298, 299 und vom 29. April 1992 – XII ZR 40/91 – FamRZ 1992, 1060, 1061).
Nach diesen Grundsätzen bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß das Oberlandesgericht die Leistungsklage in eine Abänderungsklage umgedeutet hat. Der Kläger hat in der Klageschrift vom 15. April 1991 bereits auf den bestehenden Unterhaltstitel im Teilurteil des Kreisgerichts F. hingewiesen, insofern aber ersichtlich die Auffassung vertreten, dieser hindere ihn unter den gegebenen Umständen nicht, eine Leistungsklage zu erheben. Die Erklärung, daß Leistungsklage erhoben werde, ist eindeutig und damit grundsätzlich einer Auslegung nicht zugänglich. Jedoch ergibt sich aus dieser Erklärung des Klägers zugleich, daß er eine Abänderungsklage in Betracht gezogen, die Klage aber wegen einer irrigen Beurteilung der Rechtslage nicht als Abänderungsklage bezeichnet hat. Zwar mag im allgemeinen eine Partei an ihren ihr ungünstigen Erklärungen festzuhalten sein. Das ist aber weitgehend anders, wenn sie bei ihrer Erklärung einem Irrtum zum Opfer gefallen ist (BGH, Urteil vom 5. Juli 1962 – III ZR 214/61 – NJW 1962, 1820).
Die von dem Kläger erhobene Klage erfüllt entgegen der Auffassung der Revision – mit Ausnahme des Antrags – auch die Voraussetzungen einer Abänderungsklage. Dafür ist es erforderlich, daß der Kläger Tatsachen behauptet, die eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse ergeben, die für die Verurteilung zu den Leistungen, für ihre Höhe oder die Dauer Ihrer Entrichtung maßgebend waren (Senatsurteil vom 26. Januar 1983 – IVb ZR 347/81 – FamRZ 1984, 353, 355). Der Kläger hat in der Klageschrift vorgetragen, daß sein – nach Vollendung des 12. Lebensjahres vom Kreisgericht mit monatlich 125 Mark bemessener – Unterhaltsbedarf erheblich höher anzusetzen sei und der Beklagte, dessen Einkommen seinerzeit mit monatlich „1.000 Mark” aus Mieteinnahmen zugrundegelegt worden war, nunmehr über Renteneinkünfte von 1.500 DM monatlich sowie anteilige Mieteinnahmen von mindestens 6.000 DM monatlich verfüge und darüber hinaus in dem Haus M.-Straße 30 a mietfrei wohne, weshalb er aufgrund seiner Einkommensverhältnisse zu Unterhaltszahlungen entsprechend der Gruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle verpflichtet sei. Damit hat der Kläger in ausreichendem Umfang eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse vorgetragen, die für die Entscheidung des Kreisgerichts F. ersichtlich maßgebend waren.
Der Umdeutung stehen keine schutzwürdigen Interessen des Beklagten entgegen. Wie sich aus seinem Antrag auf Klageabweisung ergibt, ist sein Begehren darauf gerichtet, über den vom Kreisgericht zuerkannten Monatsbetrag hinaus keinen weiteren Unterhalt leisten zu müssen. Diesem Begehren wird auch bei einer Umdeutung der Leistungsklage in eine Abänderungsklage Rechnung getragen. In welcher Weise sich der Beklagte gegen die Klage anders verteidigt hätte, wenn der Kläger sie von vornherein als Abänderungsklage bezeichnet hätte, wird von der Revision nicht dargelegt und ist auch sonst nicht erkennbar. Ferner konnte der Beklagte seit Erhebung der Klage nicht mehr darauf vertrauen, der Kläger werde sich mit den bisher ausgeurteilten Beträgen zufriedengeben.
II.
1. Das Oberlandesgericht hat das Abänderungsbegehren im wesentlichen als begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
Die derzeitigen Lebensverhältnisse hätten gegenüber denjenigen in der ehemaligen DDR eine grundlegende Änderung erfahren und ließen sich mit jenen nicht mehr vergleichen, weshalb eine Neufestsetzung des Unterhalts ohne Relation zum früheren Einkommen des Beklagten vorzunehmen sei. Dem Kläger, der wegen seiner Krankheit und Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, stehe gegen den Beklagten ein Unterhaltsanspruch nach den §§ 1601 ff BGB zu. Seine Lebensstellung leite sich für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von derjenigen der Eltern ab. Der Unterhaltsbedarf eines in Ausbildung befindlichen, bei einem Elternteil wohnenden, volljährigen Kindes sei unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Höhe der Differenz zwischen der zweiten und dritten Altersstufe anhand der Düsseldorfer Tabelle zu bemessen, wobei hier – da die Mutter kein auskömmliches eigenes Einkommen erziele – allein das Einkommen des Beklagten maßgeblich sei. Für die Zeit ab 1. Juni 1992, in der der Kläger nicht mehr im Haushalt der Mutter gewohnt habe, sei sein Unterhaltsbedarf dagegen ausgehend von einem pauschalierten Rechenbetrag anzusetzen.
Der Beklagte könne sich jedenfalls für den entscheidungserheblichen Zeitraum nicht mehr auf fehlende Einkünfte aus Grundvermögen berufen. Im Falle der Unrentabilität einer Vermögensanlage sei ein Unterhaltspflichtiger gehalten, Vermögen umzuschichten und ertragbringend anzulegen. In Ermangelung sonstiger Mittel müsse er grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen. Dies gelte auch für den Unterhalt volljähriger Kinder, allerdings mit der Beschränkung, daß der angemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen bis an sein Lebensende gesichert sei und seine sonstigen Verpflichtungen Berücksichtigung fänden. Die Frage, ob der Beklagte auch das Anwesen M.-Straße 30 a, in dem er selbst, die Kläger und weitere Familienangehörige wohnen, verwerten müsse, bedürfe dabei keiner Entscheidung. Bereits die Veräußerung weiteren Grundvermögens des Beklagten versetze ihn in die Lage, Unterhalt an die Kläger zu leisten. Gründe für eine Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung seien nicht ersichtlich. Aus der Vermietung und Verpachtung der beiden Miethäuser seien – eventuell von einem Jahr abgesehen – seit 1976 stets beträchtliche Verluste erwirtschaftet worden, wie sich für die Zeit ab 1987 aus den Feststellungsbescheiden des Finanzamts ergebe (1987: 81.472 DM; 1988: 45.226 DM; 1989: 20.951 DM; 1990: 43.760 DM). Auch in den Folgejahren bis 1993 hätten die vom Beklagten angegebenen Aufwendungen die Mieteinnahmen beträchtlich überstiegen.
Durch den mit dem Miterben M. am 16. März 1979 geschlossenen Vertrag sei eine Veräußerung der in ungeteilter Erbengemeinschaft stehenden Grundstücke nicht ausgeschlossen. Auch wenn das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer ausgeschlossen worden sei, könne die Aufhebung nach § 749 Abs. 2 Satz 1 BGB gleichwohl begehrt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Ein solcher Grund sei hier jedenfalls gegeben, weil der Beklagte ohne die Verwertung zumindest eines Nachlaßgrundstücks nicht imstande sei, den angemessenen oder auch nur notwendigen Unterhalt der Kläger zu decken. Deshalb könne von ihm die Verwertung des Anwesens H.-Straße 7 gefordert werden. Darüber hinaus obliege es ihm, das in seinem Alleineigentum stehende unbebaute Grundstück in R. zu veräußern. Da der Beklagte den Vortrag der Kläger, er habe Anspruch auf die Gesamterträge sowie den gesamten Erbschaftsanteil des Miterben M., den er sich durch notarielle Urkunde vom 11. Dezember 1986 zur Sicherung seiner ihm gegen den Miterben zustehenden Forderungen in voller Höhe habe abtreten lassen, nicht bestritten habe, stehe ihm der Gesamterlös aus der Verwertung des Anwesens H.-Straße 7 zu. Insgesamt sei dem Beklagten mithin ein für Unterhaltszwecke einzusetzendes Vermögen anzurechnen, dessen Wert – nach Abzug von Verbindlichkeiten – mit zumindest 1.218.213 DM anzunehmen sei. Unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Lebensdauer des Unterhaltspflichtigen und der seit Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums vergangenen Jahre erscheine eine Verteilung des erzielbaren Vermögenserlöses auf 24 Jahre gerechtfertigt. Bei einer erreichbaren Nettoverzinsung von 3,75 % und einer Laufzeit von 24 Jahren für den Vermögensverzehr sei aus dem Kapital eine monatliche Zahlung von 6.359,72 DM zu erwarten. Unter Hinzurechnung der Altersrente des Beklagten ergebe sich ein Gesamteinkommen von rund 7.980 DM. Aufgrund dieses Einkommens könne der Unterhaltsbedarf des Klägers jedenfalls nach dem Satz der Einkommensgruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Januar 1989) mit 910 DM (785 DM + Volljährigenzuschlag: 125 DM) bemessen werden. Bei diesem Betrag könne es auch für den Monat Juni 1992 verbleiben. Für die Zeit ab 1 Juli 1992 sei der Unterhaltsbedarf mit 950 DM anzunehmen. Hinzuzurechnen sei jeweils der behinderungsbedingte Mehrbedarf des Klägers.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Allerdings erweist sich der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, eine Neufestsetzung des Unterhalts sei ohne Relation zu dem früheren Einkommen des Beklagten vorzunehmen, im Ergebnis als zutreffend. Dabei kann dahinstehen, ob dies zwangsläufig bereits wegen der grundlegenden Veränderung der Verhältnisse gegenüber denen in der ehemaligen DDR gilt (ebenso Brudermüller aaO 915; Maurer aaO 936; OLG Hamm aaO), und zwar auch wenn der Beklagte – worauf die Revision hinweist – bereits bei Erlaß der Vorentscheidung in der Bundesrepublik gelebt hat.
Für den vorliegenden Fall folgt dieses Ergebnis bereits aus der ständigen Rechtsprechung des Senats. Da die Abänderungsklage weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung der Verhältnisse ermöglicht, die bereits im ersten Urteil eine Bewertung erfahren haben, besteht die Abänderungsentscheidung in einer unter Wahrung der Grundlagen des abzuändernden Titels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an die veränderten Verhältnisse (Senatsurteil vom 29. Juni 1994 – XII ZR 79/93 – FamRZ 1994, 1100, 1101 m.N.). Der Unterhaltsbedarf des Klägers hat sich – unabhängig von einer konkreten Bemessung – seit 1979 offenkundig aufgrund der seitdem deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten erhöht. Der zu seiner Bemessung damals herangezogenen Richtlinie kommt ebensowenig eine Bindungswirkung zu wie den in den alten Bundesländern von der unterhaltsrechtlichen Praxis entwickelten Unterhaltsrichtlinien, Tabellen, Verteilungsschlüsseln oder sonstigen Berechnungsmethoden (Senatsurteile aaO und vom 11. Januar 1984 – IVb ZR 10/82 – FamRZ 1984, 374, 375). Sind damit aber schon im Hinblick auf den gestiegenen Unterhaltsbedarf des Klägers die Voraussetzungen des § 323 ZPO gegeben, so wäre er selbst dann nicht gehindert, im Abänderungsverfahren den vollen Unterhalt geltend zu machen, wenn ihm im Vorprozeß allein ein begehrter Anteil zuerkannt worden sein sollte. Vielmehr kann er nach Eintritt der Abänderungsvoraussetzungen verlangen, daß bei der Abänderungsentscheidung der volle Unterhalt zugrundegelegt wird (Senatsurteile vom 11. Januar 1984 aaO 376 und vom 15. Oktober 1986 – IVb ZR 78/85 – FamRZ 1987, 259, 262). Hierfür ist das Einkommen des Beklagten in dem entscheidungserheblichen Zeitraum maßgebend.
b) Den Unterhaltsbedarf des Klägers hat das Oberlandesgericht für die Zeit bis zum 31. Mai 1995 nach der Lebensstellung der Eltern bemessen, von der sich diejenige des Klägers ableite, dabei aber allein auf das Einkommen des Beklagten abgestellt, weil die Mutter kein auskömmliches eigenes Einkommen erziele. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es wird auch von der Revision nicht angegriffen.
c) Der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens durch das Berufungsgericht vermag der Senat indessen nicht zu folgen.
Die Höhe eines – von der Einkommenssituation des Unterhaltspflichtigen abhängigen – Unterhaltsbedarfs kann nicht aus lediglich fiktivem Einkommen hergeleitet werden. Das hat der Senat für den nachehelichen Unterhaltsanspruch bereits entschieden (Senatsurteil vom 18. März 1992 – XII ZR 23/91 – FamRZ 1992, 1045, 1047). Für den Kindesunterhalt kann insoweit grundsätzlich nichts anderes gelten. Lediglich gedachte wirtschaftliche Verhältnisse, die keine Grundlage in der tatsächlichen Einkommenssituation des Unterhaltspflichtigen haben, können dessen Lebensstellung nicht prägen. Daher kann ein Unterhaltsbedarf nicht aus fiktiven Mitteln hergeleitet werden, die dem Unterhaltspflichtigen nie zur Verfügung gestanden haben. Das wäre jedoch der Fall, wenn der Unterhaltsbemessung Einkünfte des Beklagten zugrundegelegt würden, die er erst aus der Verwertung von Teilen seines Vermögens einschließlich Kapitalverzehr erzielen könnte. Eine derartige Betrachtungsweise unterscheidet nicht genügend zwischen der Höhe des Unterhaltsbedarfs und der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1481, 1482).
Das tatsächliche Einkommen des Beklagten hat das Oberlandesgericht, soweit es aus Vermietung und Verpachtung der im Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft stehenden Häuser herrührt, nicht festgestellt. Es ist allein von den steuerlich ermittelten Verlusten ausgegangen, die sich aus den Feststellungsbescheiden des Finanzamts für die Jahre 1987 bis 1990 (pauschal) ergeben und hat hierzu zusätzlich den Zeugen S., den damaligen Sachbearbeiter des Steuerberaters der Erbengemeinschaft, vernommen. Für die Zeit von 1991 bis 1993 beruht die Annahme von Verlusten allein auf dem Vorbringen des Beklagten, die Aufwendungen hätten die Mieteinnahmen überstiegen. Aus den für steuerliche Zwecke erstellten Berechnungen kann indessen kein hinreichender Aufschluß über das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten gewonnen werden.
Die zu versteuernden Einkünfte eines Unterhaltspflichtigen sind in der Regel geringer als das Einkommen, nach dem sich der Unterhalt bemißt, weil eine Vielzahl von steuerspezifischen Absetzungs- und Abschreibungsmöglichkeiten unterhaltsrechtlich nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden können (Senatsurteil vom 23. April 1980 – IVb ZR 510/80 – FamRZ 1980, 770). Dies gilt auch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Hierbei wirken sich erfahrungsgemäß Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden sowie Instandsetzungskosten erheblich zugunsten des Steuerpflichtigen aus, ohne daß diese Posten unterhaltsrechtlich in gleicher Weise anerkannt werden können. Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden (die vorliegend für das Jahr 1990 allerdings nur insgesamt rund 2.200 DM betrugen) berühren das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht. Instandsetzungskosten können unterhaltsrechtlich nur insoweit berücksichtigt werden, als es sich um notwendigen Erhaltungsaufwand handelt und nicht etwa um den Aufwand für eine Vermögensbildung, wie er etwa vorliegt, wenn Ausbauten und wertsteigernde Verbesserungen vorgenommen werden (Senatsurteil vom 26. Oktober 1983 – IVb ZR 13/82 – FamRZ 1984, 39, 41).
Die hiernach notwendige Differenzierung zwischen den steuerlich berücksichtigten bzw. vom Beklagten geltend gemachten Aufwendungen und dem unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Aufwand ist bisher nicht erfolgt. Somit ist das den Unterhaltsbedarf des Klägers grundsätzlich bestimmende unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten bisher nicht festgestellt worden. Auch die weitere Frage, ob die Lebensstellung des Beklagten nicht über dieses Einkommen hinaus tatsächlich durch den Einsatz von Mieteinnahmen in einem höheren Umfang, der sich letztlich als Eingriff in die Vermögenssubstanz auswirkte, geprägt war, ist unbeantwortet geblieben. Dem Einsatz solcher Mittel könnte indessen ebenfalls Bedeutung für die Bedarfsbemessung zukommen.
d) Daß das Oberlandesgericht den Unterhaltsbedarf des Klägers für die Zeit ab 1. Juli 1992 mit einem pauschalierten Rechenbetrag angesetzt und entsprechend der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Juli 1992) mit 950 DM bemessen hat (vgl. Anm. 7: Bedarfssatz für ein Kind mit eigenem Haushalt), begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Annahme, der Kläger habe seit dem Auszug aus der ehelichen Wohnung eine eigene Lebensstellung inne, ist nach den getroffenen Feststellungen nicht gerechtfertigt. Er wohnt weiterhin in demselben Haus wie seine Eltern – seine beiden Zimmer befinden sich nur in der Wohnung der Schwester –, wird aufgrund seiner Behinderung nach wie vor von der Klägerin betreut und versorgt und ist mit der ihm in der Behindertenwerkstatt gezahlten Vergütung (monatlich 90 DM bzw. ab 1. September 1992 monatlich 110 DM) auch wirtschaftlich nicht selbständig. Damit fehlt es dem Kläger aber an einer unterhaltsrechtlich relevanten originären Lebensstellung. Solange ein Kind auch nach Eintritt der Volljährigkeit für seinen Lebensunterhalt auf die ihm von seinen Eltern zur Verfügung gestellten Mittel angewiesen ist, bleibt seine Lebensstellung von ihnen abgeleitet (Senatsurteile vom 4. Juni 1986 – IVb ZR 51/85 – FamRZ 1987, 58, 60 und vom 6. November 1985 – IVb ZR 45/84 – FamRZ 1966, 151; Griesche FamGb § 1610 Rdn. 5; vgl. auch Schwab/Borth aaO Teil V Rdn. 21). Daran ändert unter den hier gegebenen Umständen auch der Umzug in die Wohnung der Schwester nichts. Folglich besteht auch für die Zeit ab 1. Juli 1992 die Notwendigkeit, den Unterhaltsbedarf des Klägers ausgehend von dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen des Beklagten – gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer tatsächlichen Verwendung zusätzlicher Mittel – zu bemessen. Da hierzu keine Feststellungen getroffen worden sind, kann die Entscheidung bezüglich des Kindesunterhalts insgesamt keinen Bestand haben.
B) Trennungsunterhalt
1. Nach § 1361 BGB kann die Klägerin vom Beklagten während des Getrenntlebens der Parteien den angemessenen Unterhalt verlangen. Nach Abs. 2 braucht sie sich auf eine Erwerbstätigkeit nur verweisen zu lassen, wenn diese von ihr nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit, unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten erwartet werden kann.
Das Oberlandesgericht hat eine – über den tatsächlichen Umfang ihrer Tätigkeit hinausgehende – Erwerbsobliegenheit der Klägerin während der Trennungszeit verneint und dies mit der Betreuungsbedürftigkeit des schwerbehinderten Sohnes begründet. Dieser Beurteilung stimmt der Senat zu. Auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwendungen.
2. Zum Unterhaltsbedarf der Klägerin hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die für die Höhe des geschuldeten Unterhalts maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnissen seien – neben dem beiden Parteien zugute kommenden Vorteil des mietfreien Wohnens – durch das Renteneinkommen des Beklagten und die Beträge, die er aus den Erträgnissen seines Vermögens zur Verfügung gestellt habe, sowie durch das Erwerbseinkommen der Klägerin geprägt gewesen. Allerdings könne der Beklagte die Klägerin nicht auf einen Lebenszuschnitt verweisen, der sich bezüglich des Vermögens nur aus den Beträgen ergebe, die er während des Zusammenlebens aus den Mieteinnahmen für die Haushaltsführung abgezweigt habe. Bei der Bemessung des ehelichen und des nachehelichen Unterhalts sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend sei derjenige Lebensstandard, der nach den ehelichen Lebensverhältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus angemessen erscheine. Aus der Besonderheit der größeren Verantwortung der Ehegatten füreinander während des Getrenntlebens als nach der Scheidung ergebe sich bezüglich der Vermögensverwertung keine Einschränkung. Dem Beklagten sei vielmehr unterhaltsrechtlich zumutbar, sich von Teilen seines Immobilienbesitzes zu trennen, damit beide Ehegatten einen angemessenen Lebensstandard hätten und auch aufrecht erhalten könnten. Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht der Unterhaltsbemessung – ebenso wie für den Kindesunterhalt – ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen des Beklagten von 7.980 DM monatlich zugrunde gelegt.
3. Diese Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht frei von Rechtsirrtum.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß bei der Bemessung des ehelichen und des nachehelichen Unterhalts ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Eine nach den Verhältnissen zu dürftige Lebensführung bleibt ebenso außer Betracht wie ein übertriebener Aufwand. Nur in diesem Rahmen kann das tatsächliche Konsumverhalten der Ehegatten während des ehelichen Zusammenlebens berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 12. Juli 1989 – IVb ZR 66/88 – FamRZ 1989, 1160, 1161 m.N.)
Für die Unterhaltsbemessung grundsätzlich maßgebend bleibt indessen der in der Ehe erreichte Lebensstandard. Die Aufgabe des Ehegattenunterhalts erschöpft sich darin, dem bedürftigen Ehegatten, soweit die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten reicht, diejenigen Geldmittel zur Verfügung zu stellen, die er benötigt, um seine laufenden Lebensbedürfnisse so zu befriedigen wie es den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht. Ist nach diesen Verhältnissen etwa ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung vorbehalten und damit der Befriedigung der laufenden Lebensbedürfnisse entzogen, kann dieser Teil des Einkommens nicht herangezogen werden. Der Unterhaltsberechtigte würde sonst besser gestellt, als er während des Zusammenlebens der Ehegatten gestanden hat. Insoweit ergibt sich ein gewisses Regulativ allerdings aus dem Grundsatz, daß bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhältnisse ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Der unterhaltsbedürftige Ehegatte braucht sich eine das verfügbare Einkommen unangemessen einschränkende Vermögensbildung nicht entgegenhalten zu lassen (Senatsurteil vom 1. Oktober 1986 – IVb ZR 68/85 – FamRZ 1987, 36, 39). Der für solche Fälle zur Korrektur herangezogene objektive Maßstab darf indessen nicht dazu führen, daß der Boden der ehelichen Lebensverhältnisse verlassen und Einkünfte des Unterhaltspflichtigen als prägend zugrunde gelegt werden, die tatsächlich nie vorhanden waren. Ein Unterhaltsanspruch kann deshalb grundsätzlich nicht aus fiktiven Mitteln hergeleitet werden. Folglich erfordert auch die Bemessung des der Klägerin zustehenden Trennungsunterhalts die – hier fehlende – Feststellung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Beklagten. Darüber hinaus können auch die ehelichen Lebensverhältnisse dadurch geprägt gewesen sein, daß tatsächlich weitergehende Mittel für den Lebensunterhalt verwendet worden sind (vgl. hierzu die Ausführungen unter A II. 2. c).
C) Das Berufungsurteil kann deshalb auch insoweit keinen Bestand haben. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Falls sich herausstellen sollte, daß der Beklagte nicht in der Lage ist, den ungedeckten Unterhaltsbedarf der Kläger aus seinem laufenden Einkommen zu bestreiten und ihm angesonnen wird, den Stamm seines Vermögens zu verwerten, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, daß eine gegenständlich beschränkte Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft, wie sie hinsichtlich des Hauses H.-Straße 7 für zumutbar erachtet worden ist, über die Erfordernisse des § 749 Abs. 2 BGB hinaus zusätzlichen Voraussetzungen unterliegt. Sie kann etwa dann begehrt werden, wenn Nachlaßverbindlichkeiten nicht mehr bestehen und die Belange der Erbengemeinschaft oder einzelner dazugehörender Erben nicht beeinträchtigt werden (BGH Urteil vom 14. März 1984 – IVa ZR 87/82 – FamRZ 1984, 688, 689; Johannsen WM 1977, 270, 271). Von der Höhe des aufzubringenden Unterhalts dürfte es allerdings maßgeblich abhängen, ob der Beklagte sich darauf beschränken kann, die nach einer eventuellen Vermögensumschichtung zu erzielenden Erträge zur Erfüllung der Unterhaltsansprüche einzusetzen, oder ob er auch den Vermögensstamm angreifen muß. Dabei wird zu beachten sein, daß bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen dürften, dem Beklagten stünden auch die Erträge aus dem Erbschaftsanteil des Miterben M. zu. Das läßt sich allein aus dem Tatsachenvortrag der Kläger, M. habe seinen Erbschaftsanteil durch notarielle Urkunde zur Sicherung der dem Beklagten zustehenden Forderungen in voller Höhe an diesen abgetreten, nicht entnehmen. Der Sicherungsnehmer ist zwar im Außenverhältnis zur Einziehung wie auch zu allen anderen Verfügungen und Rechtshandlungen als Vollgläubiger unbeschränkt berechtigt. Im Innenverhältnis ist er zur Einziehung jedoch grundsätzlich erst nach Eintritt der Verwertungsbefugnis berechtigt und hat hierbei – wie auch im übrigen – stets die Interessen des Sicherungsgebers zu wahren. Wann die Verwertungsbefugnis eintritt, und insbesondere, ob der Sicherungsnehmer die Forderung erst nach erfolglosem Vorgehen gegen seinen Schuldner einziehen darf oder umgekehrt sich vor jedem Vorgehen gegen seinen Schuldner an das Sicherungseigentum halten muß, hängt von der Art der Sicherungsabreden ab (MünchKomm/Roth 3. Aufl. § 398 Rdn. 102; Staudinger/Kaduk BGB 12. Aufl. § 398 Rdn. 176, 179; Soergel/Zeiss BGB 12. Aufl. § 398 Rdn. 17). Zu der der Sicherungsabtretung zugrundeliegenden Vereinbarung haben die Parteien – soweit ersichtlich – bisher nichts vorgetragen schließlich wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob nicht ein Teilbetrag der nach § 48 SGB 1 abgezweigten Rente des Beklagten auf den bereits vorliegenden Unterhaltstitel über den Betrag von monatlich 125 Mark ausgezahlt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 609910 |
NJW 1997, 735 |
MDR 1997, 362 |