Leitsatz (amtlich)
Zur Auswahl des Jugendamtes als Ergänzungspfleger unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 87c Abs. 3 SGB VII.I
Normenkette
BGB § 1916
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 22.08.2013; Aktenzeichen 2.1 F 6/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 4. wird der Beschluss des AG Strausberg vom 22.8.2013 (2.1 F 6/13) dahingehend abgeändert, dass anstelle des Jugendamtes des Bezirksamtes ... das Jugendamt des Landkreises ... zum Ergänzungspfleger bestellt wird.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I. Durch Beschluss vom 22.8.2013 hat das AG "die Gesundheitsfürsorge für die Kinder" L. M., J. M., und B. M. "mit Zustimmung der Mutter und unter Entzug dieses Teilbereichs der elterlichen Sorge des Vaters für J. M., geb. am ... 7.2010, befristet bis März 2015 auf das Bezirksamt ..., Jugendamt, als Pfleger übertragen." Gegen die Pflegerbestellung wendet sich das beschwerdeführende Jugendamt. Zur Begründung führt es aus, es sei für die Führung der Pflegschaft örtlich nicht zuständig, weil die Kinder zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Einrichtung der Jugendhilfe "L.", B. gehabt hätten. Danach ergebe sich die Zuständigkeit des Jugendamtes des Landkreises ... Aufgrund der räumlichen Entfernung sei es den Bediensteten des Jugendamtes des Bezirksamtes ... zeitlich nicht möglich, persönliche Besuche bei den Kindern durchzuführen.
Nach Anhörung der Beteiligten, in deren Rahmen das Jugendamt des Landkreises ... Einwände gegen die Übernahme der Pflegschaft nicht erhoben hat, entscheidet der Senat gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, § 58 ff. FamFG. Das Jugendamt ist beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG, weil es durch die Bestellung zum Pfleger in seinen Rechten betroffen ist (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 59 Rz. 65).
Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Änderung der Pflegerbestellung in der angefochtenen Entscheidung. Zum Pfleger wird das Jugendamt des Landkreises ... bestellt.
Für die nach § 1909 BGB angeordnete Pflegschaft gilt § 1916 BGB. Danach gelten die Vorschriften über die Benennung des Vormunds für die Auswahl des Ergänzungspflegers nicht. Maßgebend ist vielmehr das Interesse des Pflegebefohlenen (OLG München FamRZ 2012, 1071; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1916 Rz. 1). Dem trägt § 87c Abs. 3 SGB VIII Rechnung, wonach grundsätzlich das Jugendamt zuständig ist, in dessen Bereich das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das entspricht auch dem Wohl des Kindes. Allerdings ist das Familiengericht auch abweichend von § 87c Abs. 3 SGB VIII befugt, ein anderes Jugendamt zum Pfleger zu bestellen, wenn unter den konkreten Umständen sachliche Gründe wie die Kontinuität der Aufgabenwahrnehmung, dafür sprechen (Palandt/Götz, a.a.O., § 1791b Rz. 2; BayObLG FamRZ 1997, 897; OLG Hamm, Beschl. v. 19.1.1998 - 15 W 481/97 -, juris Rz. 14; OLG Dresden, Beschl. v. 14.6.2001 - Az.: 22 WF 316/01-, juris Rz. 23).
Das nach § 87c Abs. 3 SGB VIII zuständige Jugendamt, in dessen Bezirk die Kinder L., J. und B. ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist das Jugendamt des Landkreises ... Der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder, der sich nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I aus Umständen ergibt, die auf einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt hindeuten, kann nach Feststellungen im Hilfeplan über die Zielsetzung und Dauer der Hilfe im Einzelfall beurteilt werden (Eschelbach/Schinder in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl., § 87c Rz. 10; Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl., § 87c Rz. 13). Der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder ist seit dem 15.3.2013 in der Einrichtung "L." in B. Nach den auf ein psychologisches Sachverständigengutachten und die Stellungnahme des Jugendamtes gestützten Ausführungen des AG in dem angefochtenen Beschluss ist ein längerfristiger Aufenthalt der Kinder in der Einrichtung "L." erforderlich, da bei L., J. und B. ein überdurchschnittlich hoher Förderungsbedarf besteht, der in der Wohneinrichtung gewährleistet werden kann. Das Jugendamt M. hat in seinem Bericht vom 2.5.2013 ausgeführt, dass bei einer Hilfekonferenz am 12.3.2013 der längerfristige Aufenthalt der Kinder in der Einrichtung "L." besprochen worden sei. Die Anordnung der Pflegschaft ist im angefochtenen Beschluss bis März 2015 vorgesehen.
Es sprechen keine sachlichen Gründe dafür, von der Bestellung des nach § 87c Abs. 3 SGB VIII zuständigen Jugendamtes abzuweichen.
Zwar ist für die Bestellung des Jugendamtes des Bezirks ... anzuführen, dass dem sozialpädagogischen Dienst dieses Jugendamtes die Familie M. bereits seit mehreren Jahren bekannt ist. Allerdings kann aber für die hier übertragene Aufgabe der Gesundheitsfürsorge dem Jugendamt des Landkreises ... der notwendige Kenntnisstand über den Gesundheitszustand der Kinder durch das Jugendamt M. und die Mitarbeiter der Wohneinrichtung mit geringem Aufwand vermittelt werden. Personelle Kontinuität wäre auch bei Zustän...