Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus Erwerbstätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres als überobligatorische Tätigkeit. keine Begrenzung/Befristung des Ehegattenunterhalts ohne abgeschlossenen Zugewinnausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, so handelt es um eine sog. überobligatorische Tätigkeit. Das Einkommen daraus ist nach den allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls anzurechnen. Bei Selbständigen, die üblicherweise über das 65. Lebensjahr hinaus tätig sind, ist das erzielte Einkommen regelmäßig in vollem Umfang für Unterhaltszwecke zu verwenden. Neben den tatsächlichen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ist auch die zusätzlich bezogene Altersrente bedarfserhöhend zu berücksichtigen.

2. Die Herabsetzung bzw. zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs kann noch nicht im Ausgangsverfahren ausgesprochen werden, sondern ist einem späteren Abänderungsverfahren zu überlassen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute mit hinreichender Sicherheit erst nach Verkündung des den Unterhalt erstmals festsetzenden Urteils entflochten sind (vgl. BGH, FamRZ 2007, 793 ff., Rz. 60 f.). Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn der Ausgleich des Zugewinns noch nicht stattgefunden hat, ein solcher aber von einem Ehegatten begehrt wird und hierüber zwischen den Parteien noch Streit im Hinblick auf die einzustellenden Vermögenspositionen besteht.

 

Normenkette

BGB §§ 1578, 1578b

 

Verfahrensgang

AG Bad Freienwalde (Urteil vom 07.06.2007; Aktenzeichen 60 F 135/03 sowie 60 F 137/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.01.2011; Aktenzeichen XII ZR 83/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Parteien wird das am 7.6.2007 verkündete Urteil des AG Bad Freienwalde teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Der Beklagte wird verurteilt, monatlichen Unterhalt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum Fünften eines jeden Monats, wie folgt, zu zahlen:

a) an die Klägerin zu 1.,

  • Trennungsunterhalt
  • 619 EUR für die Monate Februar bis Juni 2003,
  • 609 EUR für die Monate Juli bis Dezember 2003,
  • 370 EUR für die Zeit vom 1.1. bis zum 19.5.2004,
  • nachehelichen Unterhalt
  • 456 EUR für die Monate Juni bis Oktober 2004,
  • 601 EUR für die Monate November und Dezember 2004,
  • 1.126 EUR für die Monate Januar bis März 2005,
  • 1.081 EUR für die Monate April bis Juni 2005,
  • 1.076 EUR für die Monate Juli bis Dezember 2005,
  • 1.500 EUR ab Januar 2006,

davon jedoch monatlich

  • 724,56 EUR von März bis Juni 2007,
  • 727,56 EUR von Juli bis August 2007,
  • 721,94 EUR für September 2007,
  • 685,56 EUR von Oktober bis Dezember 2007,
  • 308,84 EUR von Januar bis Februar 2008,
  • 240,84 EUR für März 2008

an das Jobcenter Märkisch-Oderland.

b) an den Kläger zu 2.,

  • 461 EUR für die Monate Februar bis Juni 2003,
  • 491 EUR für die Monate Juli bis Dezember 2003,
  • 277 EUR für die Zeit vom 1.1. bis zum 19.5.2004,
  • 287 EUR für die Zeit vom 20.5. bis zum 31.12.2004,
  • 406 EUR für die Monate Januar bis Juni 2005,
  • 418 EUR für die Monate Juli bis Dezember 2005,
  • 505 EUR für die Monate Januar 2006 bis Juni 2007,
  • 499 EUR für die Zeit vom 1.7. bis zum 26.9.2007,
  • 498 EUR für die Zeit vom 27.9. bis zum 31.12.2007,
  • 499 EUR ab Januar 2008,

abzgl. gezahlter monatlicher

  • 288 EUR von Februar bis September 2003,
  • 400 EUR von Oktober 2003 bis September 2004,
  • 300 EUR von Oktober 2004 bis März 2008,

vom Differenzbetrag monatlich

  • 24,56 EUR von März bis Juni 2007,
  • 26,56 EUR von Juli bis August 2007,
  • 56,58 EUR für September 2007,
  • 56,56 EUR von Oktober bis Dezember 2007,
  • 17,79 EUR von Januar bis März 2008

an das Jobcenter Märkisch-Oderland.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu 28 % und dem Beklagten zu 72 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Der Beklagte wird von den Klägern auf Trennungsunterhalt ab Februar 2003 und nachehelichen Unterhalt ab Juni 2004 bzw. auf Kindesunterhalt ab Februar 2003 in Anspruch genommen.

Die am 7.10.1957 geborene Klägerin zu 1. und der am 2.1.1940 geborene Beklagte haben am 22.3.1989 geheiratet. Aus der Ehe ist der am 27.9.1989 geborene jetzige Kläger zu 2. hervorgegangen. Die Trennung der Eheleute erfolgte im März 2002. Durch Urteil des AG vom 19.4.2004, rechtskräftig seit 20.5.2004, wurde die Ehe geschieden.

Der Beklagte ist selbständiger Apotheker und als solcher nach wie vor tätig. Die Klägerin zu 1. ist von Beruf Sekretärin. Sie war während des ehelichen Zusammenlebens im Betrieb des Beklagten tätig.

Das Arbeitsverhältnis endete durch am 24.5.2004 ausgesprochene Kündigung seitens des Beklagten mit Wirkung zum 31.10.2004. Der Kündigungsschutzprozess wurde durch vor dem LAG Brandenburg am 15.7.2005 geschlossenen Vergleich (8 Sa 679/04) dahingehend beende...

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