Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. August 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Impfentschädigung nach einer Pockenschutzimpfung im Jahre 1957. Sie macht eine (Impf-)Poliomyelitis und allergische Beschwerden als Impfschaden geltend. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.4.1995). Der im Berufungsverfahren von Amts wegen beauftragte Sachverständige B hat ausgehend von dem behördlich dokumentierten Impftermin am 21.5.1957 einen Zusammenhang zwischen der Pockenschutzimpfung und der Poliomyelitis verneint. Der nach § 109 SGG beauftragte Gutachter K hat ausgehend von dem klägerseitig angegebenen Impftermin am 28.5.1957 eine acht Tage vor der Krankenhauseinweisung aufgetretene Mandelentzündung als erstes Symptom der anschließend aufgetretenen paralytischen Poliomyelitis gedeutet. Einen Zusammenhang mit den geltend gemachten Allergien hat keiner der Sachverständigen gesehen. Nach einer mündlichen Verhandlung am 8.10.1996 mit nachfolgendem Ruhen des Verfahrens bis Juni 2009 sowie Erörterungsterminen am 23.9.2013 und am 11.7.2018 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Ausgehend von dem behördlich dokumentierten Impftermin sei auf der Grundlage des von Amts wegen eingeholten Gutachtens weder eine Primärinfektion im Vollbeweis nachgewiesen noch lasse sich ein Kausalzusammenhang zwischen Pockenschutzimpfung und Poliomyelitis herstellen (Beschluss vom 7.9.2018). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat die Sache wegen eines Verstoßes gegen § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückverwiesen (Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B).
Das LSG hat im wiedereröffneten Berufungsverfahren einen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 4.9.2019 abgeladen, nachdem die Klägerin gesundheitliche Gründe angeführt hatte und der Prozessbevollmächtigte sich neu bestellt, Akteneinsicht beantragt sowie Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin geltend gemacht hatte. Hinsichtlich des ersatzweise anberaumten Termins am 4.8.2020 hat der Prozessbevollmächtigte Terminverlegung wegen Reiseunfähigkeit der Klägerin beantragt. Das LSG hat das persönliche Erscheinen der Klägerin aufgehoben, die Terminverlegung abgelehnt und anschließend die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die streitgegenständliche Pockenschutzimpfung habe nach den allein überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B schon nicht zu einer Primärschädigung der Klägerin im Sinne einer Impfkomplikation geführt. Insbesondere bei der Schwäche des rechten Beins handele es sich allenfalls um den beginnenden Impfschaden selbst. Auf eine weitergehende Klärung, ob diese Symptome entsprechend den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin vom 11.7.2018 früher als bisher angenommen aufgetreten seien, komme es deshalb nicht an (Urteil vom 4.8.2020).
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs und Fehler in der Beweiswürdigung.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Eine fehlerhafte Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) kann danach im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision nicht gerügt werden. Soweit die Klägerin geltend macht, das LSG habe die "Grenzen der Beweiswürdigung" überschritten, indem es ihre Angaben im Erörterungstermin vom 11.7.2018 zum zeitlichen Auftreten der Schwächesymptomatik im rechten Bein ohne Zuhilfenahme weiterer medizinischer Sachkunde nunmehr als Impfschaden und nicht (mehr) als Primärschaden eingeordnet habe, kann sie damit auch nicht "ausnahmsweise" gehört werden. Denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG entzieht die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts vollständig der Überprüfung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (stRspr; Senatsbeschluss vom 8.3.2018 - B 9 SB 93/17 B - juris RdNr 17; Senatsbeschluss vom 29.6.2015 - B 9 V 45/14 B - juris RdNr 5). Einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch Übergehen eines Beweisantrags und eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung (vgl Senatsbeschluss vom 17.10.2018 - B 9 V 20/18 B - juris RdNr 19 mwN) bezeichnet die Klägerin im Übrigen nicht (zur Anhörung eines Beteiligten vgl Senatsbeschluss vom 13.8.2015 - B 9 V 13/15 B - juris RdNr 13 mwN).
Ebenso wenig hat die Klägerin eine Gehörsverletzung des LSG dargelegt. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ist anzunehmen, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl Senatsbeschluss vom 12.5.2015 - B 9 SB 93/14 B - juris RdNr 9). Die Klägerin beanstandet nicht, dass das LSG ihren Vortrag zu einem früheren Auftreten der Symptomatik im rechten Bein unberücksichtigt gelassen hat. Im Kern rügt sie vielmehr, das LSG habe die Symptomatik nicht ohne Inanspruchnahme medizinischer Sachkompetenz dem Impfschaden zuordnen dürfen. Soweit sie damit den Vorwurf einer Überraschungsentscheidung erhebt (vgl Senatsbeschluss vom 21.10.2019 - B 9 V 11/19 B - juris RdNr 10 mwN), versäumt sie allerdings eine Auseinandersetzung mit den von ihr nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), B habe eine Primärschädigung nach der Pockenschutzimpfung im Mai 1957 bis zum Auftreten der Poliomyelitis verneint. Ebenso wenig beschäftigt sie sich damit, dass die Feststellungen von B bereits Grundlage der Entscheidung vom 7.9.2018 gewesen sind.
Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Ablehnung einer erneuten Terminverlegung hat die Klägerin ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Die Ablehnung eines Antrags auf Terminverlegung verletzt den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn der Beteiligte aus erheblichen Gründen am Erscheinen verhindert ist (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO) und die Ablehnung der Verlegung den Beteiligten in der sachgemäßen Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt (vgl Senatsbeschluss vom 13.8.2015 - B 9 V 13/15 B - juris RdNr 15). Hier fehlt es bereits an der Darlegung, warum eine persönliche Anwesenheit der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung zwingend notwendig gewesen wäre, um ihr rechtliches Gehör zu wahren, obwohl sie im Termin von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten wurde und sich vorher mehrfach zum Sachverhalt geäußert hat (vgl Senatsbeschluss vom 13.8.2015 - B 9 V 13/15 B - juris RdNr 16; Senatsbeschluss vom 5.3.2004 - B 9 SB 40/03 B - juris RdNr 6). Weder die fehlende Reisefähigkeit der Klägerin noch ihr ausdrücklicher Wunsch auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind insoweit ausreichend.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14456216 |