Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Bezugnahme auf Vorbringen der Vorinstanz. Verzicht auf Einholung eines Gutachtens bei Sachkunde der ärztlichen Beisitzer
Orientierungssatz
1. Zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache als Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gehört es, daß die bezeichnete Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Wenn das Bundessozialgericht diese Rechtsfrage in ständiger Rechtsprechung geklärt hat, muß in der Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision dargetan werden, inwiefern die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben oder geworden ist. Solange nicht auf Kritik in der Literatur oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte hingewiesen werden kann, muß das allgemeine Interesse an der Überprüfung der höchstrichterlichen Rechtsprechung besonders dargetan werden.
2. Bezugnahme auf ein Vorbringen des Klägers in den Vorinstanzen genügt den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung grundsätzlich nicht. Die Beschwerdebegründung muß vielmehr das Bundessozialgericht in die Lage versetzen, sich allein anhand der darin enthaltenen Angaben ein Urteil darüber zu bilden, ob nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ein Verfahrensmangel vorliegt.
3. Die Spruchkörper der Sozialgerichtsbarkeit, die über Kassenarztstreitigkeiten zu entscheiden haben, können sich der Sach- und Fachkunde ihrer ehrenamtlichen Richter, vor allem der ärztlichen Beisitzer, bedienen (vgl BSG 1968-05-28 BSGE 28, 73, 79).
Normenkette
SGG § 160 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1974-07-30, § 160a Abs 2 S 3 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.10.1980) |
Gründe
Der Kläger rügt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Diesen Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) hat er indessen nicht "dargelegt" (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gehört es, daß die bezeichnete Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Der Kläger hat aber die Klärungsbedürftigkeit in seiner Beschwerdebegründung nicht ausreichend dargetan.
Grundsätzliche Bedeutung hat nach seiner Ansicht die Rechtssache wegen der Frage, ob die Honorarforderungen der Ärzte wiederkehrende Leistungen iS des § 144 Abs 1 Ziff 2 SGG sind - auf diese Bestimmung gestützt hat das Landessozialgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Wie der Kläger selbst darlegt, hat das Bundessozialgericht (BSG) die Honorarforderungen der Ärzte gegen die Kassenärztlichen Vereinigungen in ständiger Rechtsprechung als wiederkehrende Leistungen iS des § 144 Abs 1 Ziff 2 SGG angesehen (BSG SozR 1500 § 144 SGG Nr 1). Wenn die Rechtsfrage in dieser Weise geklärt ist, muß der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung dartun, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen ihre Beantwortung doch umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben oder geworden ist (BSG SozR 1500 § 160 SGG Nr 17). Es genügt nicht, wenn der Beschwerdeführer selbst Gründe gegen die Rechtsprechung anführt. Damit ist zumindest noch nicht das über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Interesse an der erneuten Klärung der Rechtsfrage dargetan. Das allgemeine Interesse kann sich zB aus einer Kritik an der Rechtsprechung in der Literatur ergeben. Solange es daran fehlt, kann davon ausgegangen werden, daß die Rechtsprechung allgemein hingenommen wird. Deshalb muß der Beschwerdeführer, wenn er nicht auf Kritik in der Literatur oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte hinweisen kann, das allgemeine Interesse an der Überprüfung der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls besonders dartun. Das hat der Kläger nicht getan.
Der Kläger macht weiter die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend wegen der Rechtsfrage, ob das Gericht von der Einholung eines Gutachtens absehen kann, weil zwei seiner drei Mitglieder selbst sachverständig sind oder ob alle Mitglieder des Spruchkörpers sachverständig sein müssen. Auch insoweit hat der Kläger schon die Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt.
Die Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des Senats ebenfalls geklärt. Danach können die Spruchkörper der Sozialgerichtsbarkeit, die über Kassenarztstreitigkeiten zu entscheiden haben, sich dabei der Sach- und Fachkunde ihrer ehrenamtlichen Richter, vor allem der ärztlichen Beisitzer, bedienen (Beschluß vom 1. März 1979 - 6 BKa 7/78 -; vgl auch BSGE 21, 230, 234; 23, 97, 102; 28, 73, 79; Beschluß vom 4. Oktober 1966, Deutsches Ärzteblatt 1967, 663, 664). Die Klärungsbedürftigkeit ergibt sich nicht aus den vom Kläger erwähnten Ausführungen von Peters (Strafprozeß - Ein Lehrbuch, 2. Aufl 1966 S 264, 309) und Alsberg-Nüse (Der Beweisantrag im Strafprozeß, 2. Aufl 1956 S 256). Zum einen liegen diese Ausführungen zeitlich mindestens vor dem letzten Beschluß des BSG, zum andern hätte es der Darlegung bedurft, inwiefern diese Ausführungen zum Strafprozeß auch für das Verfahren der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Bedeutung haben.
Der Kläger will offenbar in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit der Verhandlung rügen. Er macht geltend, der Prozeßpartei sei es verwehrt, die ehrenamtlichen Richter wie einen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu befragen und deren Denkablauf nachzuvollziehen. Mit diesem Vorbringen wendet sich der Kläger grundsätzlich gegen die Verwertung der Sachkunde der ehrenamtlichen Richter. Diese ist aber nach der erwähnten Rechtsprechung zulässig. Eine andere Frage ist es, inwieweit das Gericht Tatsachen, die ihm erst aufgrund der Sachkunde eines ärztlichen Beisitzers bekanntgeworden sind, vor einer Verwertung im Urteil mit den Beteiligten erörtern muß. Solche Tatsachen hat der Kläger nicht angeführt.
Der Kläger rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Diesen Verfahrensmangel hat er indessen nicht "bezeichnet" (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Zur Bezeichnung gehört die substantiierte Angabe aller Tatsachen, deren Darlegung erforderlich ist, um den Verfahrensmangel zu ergeben (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 14; siehe auch Hennig/Danckwerts/König, Kommentar zum SGG, § 160a Anm 7.9.1). Daran fehlt es hier. Dasselbe gilt für die "wiederholt" gerügte Verletzung des Art 103 des Grundgesetzes (GG). Eine durch das Wort "wiederholt" möglicherweise angedeutete Bezugnahme auf ein Vorbringen des Klägers in den Vorinstanzen genügt den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung grundsätzlich nicht (BVerwG NJW 1961, 425). Die Beschwerdebegründung muß vielmehr das BSG in die Lage versetzen, sich allein anhand der darin enthaltenen Angaben ein Urteil darüber zu bilden, ob nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ein Verfahrensmangel vorliegt. Zumindest hätte der Beschwerdeführer durch genaue Bezeichnung der diesbezüglichen Schriftsätze in den Vorinstanzen und in diesen Seiten deutlich machen müssen, mit welcher Begründung er den Art 103 GG für verletzt hält. Der Begründungszwang der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) ist ersichtlich darauf gerichtet, dieses davon zu entlasten, sämtliche Eingaben des Beschwerdeführers in den Vorinstanzen darauf durchzusehen, worin die Verletzung des Art 103 GG und damit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu erblicken ist (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 17; BFHE 89, 117 ff). In dieser Beziehung hat der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen