Leitsatz (amtlich)
1. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage regelmäßig dann nicht, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage so gut wie unbestritten ist.
2. Bei einer Ausnahme von dieser Regel hat der Beschwerdeführer darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist.
3. Bei der Auslegung von Sozialversicherungsabkommen ist die Auffassung des beim Zustandekommen eines solchen Abkommens beteiligten Fachministers wegen dessen Kenntnis der Zusammenhänge und der mit dem Abkommen verbundenen Vorstellungen beider Vertragsteile von nicht geringer Bedeutung.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1974-07-30, § 160a Abs. 2 S. 3 Fassung: 1974-07-30; AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; GG Art. 116 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; FreundschVtr USA Fassung: 1954-10-29
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Juli 1975 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen (§ 169 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Da der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) stützt, hätte er in der Beschwerdebegründung hinreichend die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegen müssen (§ 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG). Das ist nicht geschehen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat es, wie bereits die Beklagte und das Sozialgericht (SG), abgelehnt, dem Kläger auf dessen Antrag gemäß Art. 2 § 49 a Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zu gestatten, freiwillige Beiträge (§ 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) für die Zeiten vom 1. Januar 1956 an bis 31. Dezember 1973 nachzuentrichten. Die Voraussetzungen der Nachentrichtung hat das LSG damit verneint, der Kläger habe weder seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, da er seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten von Amerika lebe, noch sei er Deutscher i.S. des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, da er seit 1944 amerikanischer Staatsbürger sei. Die Nachentrichtung sei auch nicht auf Grund der in Art. IV Abs. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 verfügten Inländerbehandlung gerechtfertigt. Nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn dieser Vorschrift erstrecke sich diese Inländerbehandlung nur auf Leistungen. Die in Abs. 1 des Art. IV genannten "anderen Vorteile" seien in Abs. 2 ausdrücklich nicht erwähnt. Der Bundesminister für Arbeit (BMA) habe in seinem Erlaß vom 10. Oktober 1956 (abgedruckt in: Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, XVI USA, Art. IV des Freundschaftsvertrags, Anm. 1) in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Vorschriften über die freiwillige Versicherung (§ 21 AVG damaliger Fassung) durch den Vertrag nicht berührt würden, weil Art. IV die Gleichbehandlung nur in bezug auf die innerstaatlichen Vorschriften vorschreibe, die Leistungen aus der Sozialversicherung oder der Arbeitslosenversicherung vorsehen. Das Recht auf Selbstversicherung stelle jedoch keine Leistung dar.
Der Kläger möchte der Sache deshalb grundsätzliche Bedeutung beimessen, weil das Bundessozialgericht bisher über die Auslegung des Art. IV Abs. 2 des Freundschaftsvertrages im Hinblick auf das Recht der Selbstversicherung noch nicht entschieden habe, eine solche Entscheidung aber für eine Unzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsam sei. Der Vertragstext des Art. IV Abs. 2 des Vertrages sei nicht so eindeutig, daß sich bereits von vornherein die Rechtsfrage nicht stelle. Wie er näher ausführt, hält er die Inländerbehandlung auch bei der Anwendung des Rechts zur Selbstversicherung für zulässig.
Diese Ausführungen des Klägers entsprechen nicht den Anforderungen an die dem Beschwerdeführer obliegende Pflicht, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (§ 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG). Eine Rechtsfrage hat u.a. nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig ist. Dies ist aber regelmäßig dann zu verneinen, wenn - wie hier - die Beantwortung der Rechtsfrage so gut wie unbestritten ist (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, NJW-Schriften 14, RdNr. 65 mit weiteren Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Der Kläger hätte daher, um die Ausnahme darzutun, im einzelnen darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist. Zu einer solchen Darlegung mußte sich der Kläger im vorliegenden Fall schon deshalb gedrängt fühlen, weil sich das LSG in seiner Begründung noch ausdrücklich auf den gegen die Auffassung des Klägers sprechenden, den Inhalt des Vertrages klarstellenden Erlaß des BMA vom 10. Oktober 1956 gestützt hat. Auf den Erlaß ist der Kläger aber überhaupt nicht eingegangen. Das wäre jedoch erforderlich gewesen. Bei der Auslegung von Sozialversicherungsabkommen - hier des Freundschaftsvertrages - ist nämlich die Auffassung des beim Zustandekommen eines solchen Abkommens beteiligten Fachministers wegen dessen Kenntnis der Zusammenhänge und der mit dem Abkommen verbundenen Vorstellungen beider Vertragsteile von nicht geringer Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen