Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 25.06.2020; Aktenzeichen S 11 R 629/20) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.12.2022; Aktenzeichen L 13 R 2044/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Sache von der Beklagten die Leistung einer Altersrente als Vollrente anstelle einer Teilrente bereits ab Oktober 2019.
Die Beklagte bewilligte der im Jahr 1954 geborenen Klägerin ab dem 1.3.2018 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Wegen der Höhe des Hinzuverdienstes wurde die Rente zunächst nur als Teilrente geleistet. Mit Schreiben ihres früheren Bevollmächtigten vom 5.9.2019 teilte die Klägerin mit, dass der Hinzuverdienst ab dem 1.10.2019 entfalle, und begehrte ab diesem Zeitpunkt die Leistung einer Vollrente. Die Beklagte lehnte eine Neuberechnung der Rente unter Hinweis auf den im Jahr 2019 bereits erzielten Hinzuverdienst ab. Der kalenderjährlich zu bestimmende Hinzuverdienst weiche nicht um mindestens 10 % von dem bisher berücksichtigten Hinzuverdienst ab (Bescheid vom 27.11.2019; Widerspruchsbescheid vom 12.2.2020). Klage und Berufung dagegen waren nicht erfolgreich. Ein Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision ist anhängig unter dem Aktenzeichen B 5 R 19/23 B.
Aufgrund des Wegfalls des Hinzuverdienstes berechnete die Beklagte die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.1.2020 neu und bewilligte ab diesem Zeitpunkt mit Bescheid vom 23.12.2019 die Leistung einer Vollrente. Den Widerspruch mit der Begründung, die Rente sei bereits ab dem 1.10.2019 als Vollrente zu leisten, wies die Beklagte mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 12.2.2020 zurück. Der Bescheid vom 23.12.2019 habe eine Regelung über Rentenleistungen erst ab dem 1.1.2020 getroffen. Die Entscheidung über die Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes für die Zeit ab dem 1.10.2019 sei bereits Regelungsinhalt des Bescheides vom 27.11.2019.
Die Klage mit dem Begehren, den Widerspruchsbescheid vom 12.2.2020 aufzuheben, hilfsweise den Bescheid vom 23.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.2.2020 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Vollrente bereits ab dem 1.10.2019 zu gewähren, ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom 25.6.2020). Das LSG hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte habe den Widerspruchsbescheid vom 12.2.2020 rechtmäßig erlassen. Der Bescheid vom 23.12.2019 habe den Bescheid vom 27.11.2019 nicht geändert und sei deshalb nicht Gegenstand des dagegen geführten Vorverfahrens geworden. Die beiden Bescheide beträfen unterschiedliche Zeiträume der Rentenleistung (Urteil vom 20.12.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund einen Verfahrensmangel geltend (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Klägerin stützt ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf die "Nichtanwendung des § 86 SGG". Sie ist der Auffassung, der Bescheid vom 23.12.2019 über die Bewilligung einer Altersrente als Vollrente ab dem 1.1.2020 habe den die Neuberechnung ab dem 1.10.2019 ablehnenden Bescheid vom 27.11.2019 geändert. Der Bescheid vom 23.12.2019 könne nichts anderes sein als ein Teil-Abhilfebescheid auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.11.2019. Damit hat sie keinen Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet. Dafür ist die Geltendmachung eines Verfahrensmangels im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug erforderlich (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2017 - B 5 R 381/16 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 25.1.2023 - B 9 V 32/22 B - juris RdNr 14). Eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines Verfahrensmangels kann nur auf den Verstoß gegen eine Verfahrensnorm, die den Weg zur Entscheidung betrifft (error in procedendo), nicht hingegen auf die "falsche" Auslegung oder Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften, die den Inhalt der angefochtenen Entscheidung selbst bilden (error in iudicando) gestützt werden. Mängel des behördlichen Verwaltungsverfahrens oder eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Verwaltungsverfahrensrechts können nicht gerügt werden (vgl BSG Beschluss vom 21.11.2018 - B 13 R 280/17 B - juris RdNr 5 mwN). Mit der Rüge einer fehlerhaften Anwendung des § 86 SGG beanstandet die Klägerin nicht das Verfahren des LSG, sondern die Beurteilung einer das Vorverfahren betreffenden Frage durch das Berufungsgericht. Sofern dies auch als Rüge einer Verkennung des Streitgegenstands (§ 123 SGG) verstanden werden könnte, fehlt es an einer sorgfältigen Auseinandersetzung insbesondere mit den den Streitgegenstand bestimmenden Erklärungen (vgl zu den Anforderungen BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris RdNr 13 ff). Jedenfalls wird aus dem Vorbringen der Klägerin nicht deutlich, inwiefern die hier angefochtene Entscheidung des LSG (L 13 R 2044/20) in der Sache auf dem von ihr gerügten Mangel beruhen kann. Dass die Entscheidung des LSG, die Berufung zurückzuweisen, im Tenor und nicht nur in der Begründung anders hätte ausfallen müssen, wenn das Berufungsgericht den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 23.12.2019 für unzulässig gehalten hätte, erschließt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.
Mit ihrem Vorbringen, ein Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 23.12.2019 sei nicht zulässig gewesen, die Beklagte habe mit einer "widerstreitenden Rechtsbehelfsbelehrung" maßgeblich zum Verfahren beigetragen und es sei deshalb "natürlich bzgl. der Verfahrenskosten eine etwas andere Betrachtung vorzunehmen", begehrt die Klägerin letztlich eine für sie günstigere Kostenentscheidung. Die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung kann nach § 165 Satz 1 iVm § 144 Abs 4 SGG nicht Gegenstand einer Revision sein und deshalb auch nicht gesondert mit der Beschwerde geltend gemacht werden (vgl BSG Beschluss vom 28.10.2010 - B 13 R 229/10 B - SozR 4-1500 § 192 Nr 1 RdNr 14 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15912589 |