Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 19.08.2021; Aktenzeichen S 3 R 2621/20) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.01.2023; Aktenzeichen L 5 R 3073/21) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Januar 2023 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Verrechnung einer Rückforderung überzahlter Arbeitslosenhilfe mit einer von der Beklagten geleisteten Altersrente.
Der Kläger bezieht von der Beklagten eine Regelaltersrente. Zudem erhält er aus der Schweiz eine Altersrente und eine Unfallrente der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt. Mit Bescheid vom 3.3.2020 erklärte die Beklagte die Verrechnung einer Erstattungsforderung der Beigeladenen in Höhe der Hälfte der vom Kläger bezogenen Altersrente (153,53 Euro). Die Beigeladene hatte die Beklagte zur Verrechnung ermächtigt, nachdem sie mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.1.2000 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 1.5.1991 bis zum 30.9.1999 aufgrund der vom Kläger nicht angegebenen Unfallrente der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt aufgehoben und die Arbeitslosenhilfe einschließlich von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 100 184,77 DM zurückgefordert hatte. Den gegen den Bescheid vom 3.3.2020 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück. Der Kläger habe seinen Widerspruch nicht begründet und keine neue Tatsachen vorgetragen (Widerspruchsbescheid vom 4.11.2020).
Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keine Nachweise über eine Hilfebedürftigkeit nach den Vorschriften des SGB XII oder SGB II vorgelegt (Gerichtsbescheid vom 19.8.2021). Das LSG hat den Kläger unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zu zwei Erörterungsterminen im August und September 2022 geladen. Vor beiden Terminen hat sich der Kläger jeweils krank gemeldet. In der mündlichen Verhandlung am 18.1.2023, zu der der Kläger ebenfalls nicht erschienen ist, hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig geworden sei (Urteil vom 18.1.2023).
Nach Zustellung des Berufungsurteils am 21.1.2023 hat der Kläger mit Schreiben vom 13.2.2023, eingegangen beim BSG mit Telefax vom selben Tag, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und "Einspruch gegen das Urteil vom 18.01.23" eingelegt. Mit Telefax vom 20.2.2023 hat er eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt. Nachweise über seine Einkünfte hat er nicht beigefügt.
II
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist abzulehnen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 73a Abs 1 Satz 1 iVm §§ 114, 115 ZPO). Der Kläger hat keinerlei Nachweise über seine Einkünfte vorgelegt. In dem mit Datum vom 20.2.2023 unterschriebenen Formular wurde zwar der Bezug von Rente/Pension bejaht, allerdings wurde weder die Höhe des Leistungsbezugs angegeben noch die geforderten Belege beigefügt. Jedenfalls kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten ist nicht zu erkennen, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das LSG-Urteil vom 18.1.2023 erfolgreich zu begründen.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber hat den Sozialleistungsträgern mit den Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I die Möglichkeit eröffnet, zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen mit diesen auch gegen den unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialhilferechts aufzurechnen bzw damit zu verrechnen. Die Regelungen bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger, die dem Empfänger einer Geldleistung bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen; Beitragsansprüche) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegenhalten können. Bei Verwirklichung dieser Geldleistungsansprüche sind die bei der Pfändung in laufende Geldleistungen für andere Gläubiger geltenden Pfändungsfreigrenzen der ZPO (§ 54 Abs 4 SGB I iVm §§ 850, 850c ZPO) unbeachtlich, weil dies im finanziellen Interesse der Versichertengemeinschaft liegt (vgl BSG Urteil vom 10.11.2022 - B 5 R 27/21 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 26 mwN). Auch sind die Voraussetzungen, unter denen eine Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen mit einem Rentenauszahlungsanspruch durch Verwaltungsakt erfolgen darf, bereits hinreichend geklärt (vgl BSG aaO, RdNr 24 unter Hinweis ua auf BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 39 ff). Zudem ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG mit Erfolg bezeichnen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich. Der Kläger wurde insbesondere zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 18.1.2023 ordnungsgemäß geladen (siehe dazu die in den Akten befindliche Zustellungsurkunde vom 17.12.2022).
2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen. Die Beschwerde konnte, worauf der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt werden (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 Satz 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16155011 |