Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 26.10.2017; Aktenzeichen S 15 SB 4168/16) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.06.2019; Aktenzeichen L 8 SB 4498/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Juni 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 70 anstelle des bisher zuerkannten GdB von 40 ab dem 5.1.2016. Dieses Begehren hat das LSG mit Urteil vom 28.6.2019 verneint, weil die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen auf der Grundlage der aktenkundigen medizinischen Befunde und insbesondere nach dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie, Dr. H., vom 11.9.2018, bei Antragstellung und seither ununterbrochen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit keinen Gesamt-GdB von mehr als 40 rechtfertigten. Nachdem bei dem Kläger vom Vorliegen eines zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 und weiteren GdB-Werten von 10 auszugehen sei und kein Fall vorliege, in dem ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirkten, könne der Senat einen Gesamt-GdB von mehr als 40 nicht feststellen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und sinngemäß einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung mit Schreiben vom 1.7.2019 (eingegangen am 26.7.2019) genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Soweit es der Kläger für klärungsbedürftig hält, dass eine bundeseinheitliche Rechtsprechung "weitgehend sichere Vorgaben für die anwendbaren Regeln zu Addition" mehrfacher Beeinträchtigungen fordere, formuliert er bereits keine fallübergreifende Rechtsfrage zur einem konkreten Tatbestandsmerkmal, sondern kritisiert in der Sache die aus seiner Sicht unzureichende GdB-Bewertung durch das LSG. Dieses Beschwerdevorbringen des Klägers betrifft jedoch lediglich Tatsachenfragen bezogen auf die Feststellung der tatsächlichen Umstände seines Einzelfalls, Fragestellungen medizinischer Art und deren Bewertung. Es enthält - anders als notwendig - keine klar formulierte Rechtsfrage, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals abzielt (vgl Senatsbeschluss vom 29.2.2016 - B 9 SB 91/15 B - juris RdNr 6). Die Fragestellung beinhaltet im Kern Fragen der Beweiswürdigung und Sachaufklärung. Die Zulassung der Revision kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG aber nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verstoßen. Der Kläger berücksichtigt insoweit insbesondere nicht, dass die Bemessung des GdB nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe ist (vgl Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - juris RdNr 5 mwN). Der bloße Hinweis, dass die bisherige Rechtsprechung des BSG zunächst jede Beeinträchtigung individuell selbstständig bewerte, ohne die Gesamtpersönlichkeit und den Leidensdruck zu berücksichtigen, stellt keine Auseinandersetzung mit der konkreten Rechtsprechung des BSG dar. Zudem setzt sich die Beschwerde weder mit den Grundsätzen der GdB-Bemessung nach der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (AnlVersMedV) noch mit der Vorschrift des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X und der hierzu ergangenen Rechtsprechung auseinander, sodass auch nicht erkennbar wird, ob und und inwieweit hierzu noch Klärungsbedarf bestehen könnte.
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.
a) Die Beschwerdebegründung genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, weil der Kläger den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Seinen Schilderungen sind nur Teile der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn einzelne Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in der Gesamtheit der ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob es die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - als möglich erscheinen lassen, dass die angegriffene Entscheidung darauf beruhe (vgl BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - juris RdNr 3; siehe auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - juris RdNr 5). Dies erfordert neben der Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen ua eine - in der Beschwerdebegründung weitgehend fehlende - geraffte Darstellung der tragenden Gründe der angegriffenen Entscheidung. Denn nur hierdurch wird das BSG in die Lage versetzt, festzustellen, dass der geltend gemachte Verfahrensmangel auch auf Grundlage der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - juris RdNr 5 mwN) entscheidungserheblich ist.
b) Abgesehen davon genügt die Beschwerdebegründung des Klägers aber auch im Übrigen nicht den Darlegungsanforderungen an einen Verfahrensmangel. Die Beschwerde rügt lediglich, dass die neu vom LSG eingeholten Gutachten in ihrem dogmatischen Ausgangspunkt falsch seien. Deshalb seien die vom LSG eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten rechtsfehlerhaft und müssten neu erstellt werden unter Auswertung neuster aktueller CT-Aufnahmen. Mit dieser sinngemäßen Rüge unzureichender Ermittlungen bezeichnet der Kläger allerdings keinen konkreten, bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 28.6.2019 vor dem LSG aufrechterhaltenen Beweisantrag. Ein solcher ist zwar im Protokoll des LSG vom 28.6.2019 als Hilfsantrag enthalten in der Gestalt, "das Gutachten von Dr. K. zur Feststellung der Ursachen der Erkrankungen beizuziehen". Auch setzt sich das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung ausdrücklich damit auseinander, weshalb kein weiteres Gutachten bei Dr. K. einzuholen sei. Auf diesen Beweisantrag bezieht sich der Kläger jedoch weder sinngemäß noch ausdrücklich im Rahmen seiner Beschwerde. Die ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des LSG gerichtete, also auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützte Rüge, kann nach der eindeutigen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG - wie oben bereits ausgeführt - nicht zur Revisionszulassung führen. Deshalb ist es für die Frage der Zulassung zur Revision unerheblich, dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der vorliegenden Arztberichte und Gutachten, insbesondere des Dr. H. vom 11.9.2018, durch das LSG bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht einverstanden ist (vgl Senatsbeschluss vom 16.11.2018 - B 9 V 26/18 B - juris RdNr 10).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13656410 |