Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 25.03.2019; Aktenzeichen S 16 AS 696/15) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 25.03.2019; Aktenzeichen S 16 AS 488/17) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 04.11.2019; Aktenzeichen S 16 AS 384/17) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 12.10.2020; Aktenzeichen L 7 AS 504/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom "12. Oktober 2020" (gemeint: 5. Oktober 2020) wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nicht in der gebotenen Weise bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Wenn ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip gerügt werden soll, ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (BSG vom 1.12.2020 - B 12 KR 74/20 B - juris RdNr 6 mwN). Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG vom 29.4.2020 - B 9 V 33/19 B - juris RdNr 5; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 160 RdNr 72, Stand 1.1.2021). Diese Tatsache ist möglichst präzise und bestimmt zu behaupten, und es ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte (BSG vom 29.4.2020 - B 9 V 33/19 B - juris RdNr 5). Nur dies versetzt das LSG in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit eines Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung ausreichend zu begründen. Für den Zeugenbeweis bestimmt § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 373 ZPO ausdrücklich, dass er durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Klägerin trägt zwar vor, den Beweisantrag gestellt und in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben, ihren Sohn als Zeugen zu laden "und hinsichtlich des als Vermögen berücksichtigten Bausparvertrages, welcher nach Angaben der Klägerin im Eigentum des Sohns der Klägerin stand, zu befragen." Damit ist aber kein ordnungsgemäßer Beweisantrag bezeichnet, denn es sind keine Tatsachen angegeben, zu deren Nachweis die Zeugenvernehmung erfolgen soll. Vielmehr zielt der Antrag mit der Frage nach den Eigentumsverhältnissen auf die Beantwortung einer Rechtsfrage, die als solche nicht durch Beweiserhebung erfolgen kann. Auf welche tatsächlichen Umstände sie ihre Rechtsauffassung zur Frage der Eigentümerschaft an dem Bausparvertrag stützt und die durch die Zeugenvernehmung bewiesen werden sollen, lässt sich dem von der Klägerin wiedergegebenen Beweisantrag nicht entnehmen.
Auch mit dem Schriftsatz vom 24.2.2021 hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit dieses Vorbringen überhaupt zu berücksichtigen ist, weil ihr anwaltlicher Bevollmächtigter dieses Vorbringen der Klägerin selbst weitgehend nur wiedergegeben, sich aber nicht in Gänze zu eigen gemacht hat. Dies ergibt sich aus dem vom Bevollmächtigten verfassten Einleitungssatz, wonach die Klägerin ergänzend vortragen lasse, und dem Umstand, dass er im Anschluss daran die Äußerungen der Klägerin selbst - aus deren Perspektive in "Ich-Form" formuliert - in Anführungszeichen und aufgrund Kursivdrucks in anderem Schriftbild wiedergibt. Aus den im Anschluss an die Wiedergabe des Textes der Klägerin erfolgenden Ausführungen des Bevollmächtigten ergibt sich, dass er sich das Vorbringen der Klägerin nur hinsichtlich der Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zu eigen gemacht hat, ohne dass das Vorbringen der Klägerin damit aber eine an den Darlegungserfordernissen bei der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde orientierte Struktur erhielte (vgl zu Letzterem BSG vom 20.2.2017 - B 12 KR 65/16 B - juris RdNr 15). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegt als Prozesshandlung nach § 73 Abs 4 Satz 1 SGG dem Vertretungszwang. Dieser soll eine eigenständige Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs durch einen qualifizierten Prozessbevollmächtigten sicherstellen (BSG vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B - juris RdNr 4; BSG vom 18.11.2020 - B 13 R 189/19 B - juris RdNr 4). Der Prozessbevollmächtigte muss dafür mit seiner Unterschrift die volle Verantwortung übernehmen. Es genügt nicht, wenn er ohne erkennbare eigene Prüfung lediglich ein von einer nicht postulationsfähigen Person verfasstes Schreiben unterzeichnet und an das BSG weiterreicht (BSG vom 20.2.2017 - B 12 KR 65/16 B - juris RdNr 15; BSG vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B - juris RdNr 4; BSG vom 18.11.2020 - B 13 R 189/19 B - juris RdNr 4).
Auch unabhängig davon ist mit dem Vorbringen aber keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinreichend bezeichnet. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (stRspr; BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 [145]; BVerfG vom 8.12.2020 - 1 BvR 117/16 - juris RdNr 12). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 [146] mwN; BVerfG [K] vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6 mwN; BSG vom 8.4.2020 - B 13 R 125/19 B - juris RdNr 14). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Klägerin rügt, dass das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, dass sie mit ihrem Überprüfungsbegehren bezüglich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nichts Konkretes vorgetragen habe, was Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide wecken könne. Dem hält die Klägerin entgegen, was sie im Rahmen des Überprüfungs- und anschließenden gerichtlichen Verfahrens vorgetragen habe. Hieraus ergibt sich aber bereits nicht, dass es sich um neuen Vortrag gehandelt hätte, also um Vorbringen, das der Berufungssenat bei seinem ersten Berufungsurteil vom 9.12.2013 (L 7 AS 575/11) noch nicht hätte berücksichtigen können; hierauf bezieht sich aber das LSG. Im Übrigen zielt die von der Klägerin wiedergegebene Formulierung des LSG ersichtlich nicht auf die Aussage, dass die Klägerin nichts vorgetragen habe, sondern darauf, dass sie nichts vorgetragen habe, was aus Sicht des LSG eine andere Beurteilung erfordere. Damit macht die Klägerin letztlich nur geltend, dass das LSG ihre Rechtsauffassung nicht geteilt habe. Aus Art 103 Abs 1 GG folgt aber kein Anspruch gegenüber dem Gericht darauf, dass es der eigenen Rechtsauffassung folgt (BVerfG [K] vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 13 mwN; BSG vom 8.4.2020 - B 13 R 125/19 B - juris RdNr 14).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14456205 |