Verfahrensgang

SG Augsburg (Entscheidung vom 04.10.2017; Aktenzeichen S 4 R 5/17)

Bayerisches LSG (Beschluss vom 24.02.2021; Aktenzeichen L 6 R 721/17)

 

Tenor

Der erneute Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente. Sein Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 8.2.2016, mit dem er die Berücksichtigung zusätzlicher rentenrechtlicher Zeiten und Entgeltpunkte forderte, hatte teilweise Erfolg. Die Beklagte berechnete mit Bescheid vom 23.6.2016 die Altersrente neu und wies im Widerspruchsbescheid vom 28.11.2016 den Rechtsbehelf im Übrigen zurück. Das SG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 4.10.2017). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Beschluss vom 24.2.2021). Ein erster Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, den der Kläger am 9.8.2021 beim BSG eingereicht hat, ist mit Beschluss des Senats vom 31.8.2021 (B 5 R 21/21 BH - WzS 2021, 281) wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt worden. Die hiergegen vom Kläger erhobene Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 6.10.2021 (B 5 R 32/21 C), zugestellt am 30.10.2021, als unzulässig verworfen. Mit Schreiben vom 25.1.2022 hat der Kläger seinen Antrag auf PKH wiederholt.

II

Auch der erneute Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Nach der im Beschluss des Senats vom 31.8.2021 ausgesprochenen Ablehnung der Bewilligung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten der vom Kläger erstrebten Rechtsverfolgung ist ein erneuter Antrag auf Gewährung von PKH nicht generell ausgeschlossen. Ein PKH ablehnender Beschluss erlangt keine materielle Rechtskraft (vgl BGH Beschluss vom 16.12.2008 - VIII ZB 78/06 - NJW 2009, 857 RdNr 9 mwN; s auch BSG Beschluss vom 24.10.2007 - B 5a R 340/07 B - SozR 4-1500 § 73a Nr 6 RdNr 4). Allerdings kann es am Rechtschutzbedürfnis für eine erneute Antragstellung fehlen, wenn auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts ein vorheriger Antrag gleichen Inhalts bereits zurückgewiesen worden ist (vgl BGH Beschluss vom 19.8.2015 - XII ZB 208/15 - juris RdNr 11 mwN). Werden jedoch mit einem erneuten PKH-Antrag neue Tatsachen vorgetragen, die bislang nicht berücksichtigt worden sind, ist eine Prüfung geboten, ob sich hierdurch die Sach- und Rechtslage geändert hat (vgl BSG Urteil vom 17.2.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 35 = juris RdNr 31; s auch Leopold in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 73a RdNr 80, Stand 1.2.2022).

Der Schriftsatz des Klägers vom 25.1.2022 enthält überwiegend Wiederholungen seines bisherigen Vorbringens und den Vorhalt, der Senat habe dies in seinen bisherigen Entscheidungen rechtlich unzutreffend gewürdigt. Der Umstand, dass der Kläger offenbar nicht bereit ist, die rechtlichen Bewertungen des Senats (etwa dazu, dass ihm der LSG-Beschluss vom 24.2.2021 ordnungsgemäß in beglaubigter Abschrift zugestellt worden ist) zu akzeptieren, führt nicht dazu, dass bei erneutem Vortrag derselben Umstände erneut über seinen PKH-Antrag zu befinden wäre.

Neu ist jedoch das Vorbringen des Klägers, die Zustellung des LSG-Beschlusses vom 24.2.2021 an ihn sei unwirksam, weil der Postzusteller auf dem Briefumschlag, in dem die zuzustellende Sendung in den Briefkasten eingelegt worden ist, lediglich ein Namenskürzel und nicht die vollständige Unterschrift auf dem dafür vorgesehenen Feld angebracht habe (vgl S 7 des Schriftsatzes vom 25.1.2022). Er hat das untermauert durch Vorlage einer Kopie des Briefumschlags, der handschriftlich das Zustelldatum "04.03.21" sowie die Buchstaben "Ti" ausweist.

Auch unter Berücksichtigung dieser neuen tatsächlichen Umstände verbleibt es bei der rechtlichen Bewertung, dass der LSG-Beschluss vom 24.2.2021 dem Kläger am 4.3.2021 wirksam zugestellt worden ist. Die Einreichung des PKH-Antrags erst am 9.8.2021 - und erst recht des erneuten Antrags am 25.2.2022 - führt mithin zu einer fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung, weil der Kläger nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um innerhalb der durch die Zustellung vom 4.3.2021 in Gang gesetzten und am 6.4.2021 abgelaufenen Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde PKH zu erlangen (vgl BSG Beschluss vom 24.10.2007 - B 5a R 340/07 B - SozR 4-1500 § 73a Nr 6 RdNr 3, 5; BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 8 SO 68/16 B - juris RdNr 2; s auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.2.2000 - 2 BvR 106/00 - juris RdNr 1).

Der Umstand, dass der Postzusteller das Datum der Zustellung auf dem Briefumschlag lediglich mit einem Namenskürzel ("Ti") quittierte, hat entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge. Die Zustellung von Entscheidungen im sozialgerichtlichen Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften der ZPO (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG). Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, richtet sich dessen Ausführung nach den §§ 177 bis 181 ZPO(vgl § 176 Abs 2 ZPO) , wobei zum Nachweis hierüber eine Zustellungsurkunde gemäß den Vorgaben in § 182 ZPO anzufertigen ist. Gemäß § 180 Satz 1 ZPO kann für den Fall, dass der Zustellungsadressat in seiner Wohnung nicht angetroffen wird und deshalb eine Übergabe iS des § 177 ZPO nicht möglich ist, das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt werden. In diesem Fall gilt das Schriftstück mit der Einlegung als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO - sog Ersatzzustellung). Dabei vermerkt der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO). Die zusätzlich anzufertigende Zustellungsurkunde muss darüber hinaus die Angabe des Grundes für die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO(§ 182 Abs 2 Nr 4 ZPO) , den Ort und das Datum der Zustellung (§ 182 Abs 2 Nr 7 ZPO) sowie den Namen, Vornamen und die Unterschrift des Zustellers (§ 182 Abs 2 Nr 8 ZPO) enthalten.

Der Kläger hat durch Vorlage einer Kopie des Briefumschlags, der bei der fraglichen Zustellung verwendet worden ist, glaubhaft gemacht, dass der dort aufgebrachte Vermerk über das Datum der Zustellung keine Unterschrift, sondern lediglich ein Namenskürzel enthält. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 180 Satz 3 ZPO muss auf dem Briefumschlag aber nur das Datum vermerkt werden; eine vollständige Unterschrift ist insoweit nicht angeordnet. Anders verhält es sich mit der Zustellungsurkunde; insoweit schreibt § 182 Abs 2 Nr 8 ZPO die "Unterschrift" des Zustellers vor. Aus den vom Senat erneut beigezogenen Akten des LSG ergibt sich, dass im Fall des Klägers auch der zuletzt genannten Vorschrift Genüge getan worden ist. Die Postzustellungsurkunde (Bl 221 der LSG-Akte) weist im Feld 13.3 eine vollständige Unterschrift ("T") und im Feld 13.5 "T, M" als Zustellerin aus. Ein Grund, der möglicherweise zur Unwirksamkeit der Zustellung am 4.3.2021 führen könnte, liegt somit nicht vor. Auf die Frage, ob eine Zustellung trotz gänzlich fehlender Angabe des Zustelldatums auf dem Briefumschlag wirksam sein kann (bejahend BGH Beschluss vom 14.1.2019 - AnwZ ≪Brfg≫ 59/17 - juris RdNr 8 f mwN; anders BFH Beschluss vom 6.5.2014 - GrS 2/13 - BFHE 244, 536 = juris RdNr 78: Heilung der unwirksamen Zustellung nach § 189 ZPO), kommt es hier daher nicht an.

Selbst wenn jedoch - wovon der Senat gerade nicht ausgeht - die Zustellung des LSG-Beschlusses am 4.3.2021 aufgrund des auf dem Briefumschlag verwendeten Namenskürzels "Ti" unwirksam wäre, obgleich die Zustellungsurkunde den Anforderungen des § 182 ZPO voll entspricht, wäre hier eine Heilung nach § 189 ZPO erfolgt (zur Heilbarkeit einer gänzlich fehlenden Datumsangabe vgl BFH Beschluss vom 6.5.2014 - aaO RdNr 63 mwN). Der Senat hat das bereits im Beschluss vom 31.8.2021 (B 5 R 21/21 BH - RdNr 10) näher ausgeführt. Der Kläger hat in seinem PKH-Antrag vom 6.8.2021 (zB auf Seite 2) mehrfach vorgetragen, ihm sei der LSG-Beschluss am 4.3.2021 zugestellt worden - wenngleich aus seiner Sicht in mangelhafter Weise (keine beglaubigte Abschrift, kein wirksamer Beglaubigungsvermerk, keine ausreichende Wiedergabe der Unterschrift der Richter usw). Auf dieser Grundlage ist der Senat in seiner lediglich hilfsweise hinzugefügten Erwägung von einem tatsächlichen Zugang beim Kläger iS des § 189 ZPO an diesem Tag ausgegangen. Dass er dies nunmehr in Frage stellt, ist angesichts der von ihm gerügten Formfehler nicht nachvollziehbar. Das braucht hier jedoch nicht weiter vertieft zu werden, weil es auf diese Umstände nicht entscheidungserheblich ankommt. Der Kläger hat vielmehr zur Überzeugung des Senats den LSG-Beschluss wirksam am 4.3.2021 zugestellt erhalten, sodass sein erstmals am 9.8.2021 angebrachter PKH-Antrag ebenso wie der erneute Antrag vom 25.1.2022 keine Aussicht auf Erfolg hat.

Da dem Kläger nach alledem PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Düring                                        Hannes                                  Gasser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15116922

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