Verfahrensgang
SG Lüneburg (Entscheidung vom 30.11.2016; Aktenzeichen S 9 KR 226/14) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 30.09.2019; Aktenzeichen L 4 KR 692/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. September 2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Verbeitragung von Leistungen aus einer Kapitallebensversicherung. Die frühere Arbeitgeberin der Klägerin hatte zu deren Gunsten eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen. 2006 wurde die Klägerin Versicherungsnehmerin, ohne jedoch selbst weitere Beiträge zu zahlen. Über das Vermögen der Klägerin ist am 13.11.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nachdem sie am 10.11.2013 von dem Versicherer eine Kapitalleistung in Höhe von 71 562,05 Euro erhalten hatte, ist am 13.11.2015 die Restschuldbefreiung erteilt worden. Gegen die mit Bescheid vom 5.2.2014 und Widerspruchsbescheid vom 28.8.2014 ab 1.12.2013 festgesetzten monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung auf 1/120 der Kapitalleistung hat die Klägerin eingewandt, dass die Kapitalsumme an den Insolvenzverwalter gezahlt worden sei; dieser habe zuvor die Abtretung des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag an ihre Mutter angefochten.
Das SG Lüneburg hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.11.2016). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Ob die Forderung abgetreten oder zur Befriedigung von Gläubigern verwendet worden sei, sei unerheblich. Es gehe auch nicht um Altschulden, die einer Restschuldbefreiung zugänglich gewesen wären, sondern um Neuverbindlichkeiten (Urteil vom 30.9.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde vom 11.10.2019.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a SGG, RdNr 97). Insoweit reicht es nicht, wenn die Klägerin erklärt, ihre Rüge "gegen die Art. 20, 14, 3 GG" aufrecht zu erhalten und zu wiederholen. Es muss deutlich werden, welche konkrete Regelung oder Auslegung des einfachen Rechts mit welchen Normen der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Dies ist hier nicht der Fall.
Soweit die Klägerin sinngemäß die Frage stellt, ob eine Heranziehung zu Beiträgen in Betracht kommen könne, obwohl ihr selbst nichts zugeflossen sei, setzt sie sich nicht hinreichend mit dem Wortlaut der anwendbaren beitragsrechtlichen Vorschriften (§§ 237, 226, 229 SGB V) sowie der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit reichen nicht allein Ausführungen dazu, dass sich die vorliegende Fallkonstellation von anderen bereits entschiedenen Fällen unterscheide. Denn eine Rechtsfrage gilt auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden worden ist, aber schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur ihrer Beantwortung geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Das BSG hat bereits entschieden (vgl BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 1/16 R - BSGE 124, 188 = SozR 4-2500 § 240 Nr 33, RdNr 14 mwN; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 KR 19/14 R - SozR 4-2500 § 226 Nr 2 RdNr 18 ff ≪Pfändung und Überweisung≫), dass der "Zahlbetrag" der Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahme zugrunde zu legen ist, unabhängig davon, ob sie an den originär Berechtigten tatsächlich ausgezahlt wird. Als Grund hierfür wird ua genannt, dass der Beitragsschuldner durch die anderweitige Auszahlung von einer Verbindlichkeit befreit wird. Soweit die Klägerin daran anknüpfend ausführt, dass sei hier nicht der Fall, weil sie - unabhängig von der Auszahlung der Direktversicherung - jedenfalls durch die Restschuldbefreiung von allen Verbindlichkeiten befreit worden sei, folgt allein daraus noch kein weiterer (oder erneuter) Klärungsbedarf. Denn sie setzt sich nicht damit auseinander, dass auch die Befriedigung der Massegläubiger im Insolvenzverfahren der Verringerung eigener Schulden dient - ebenso wie eine Pfändung im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens. Wenn sie sich stattdessen allein auf das Argument einer hypothetischen Ersatzursache - der späteren Befreiung von der Restschuld iS von § 301 Insolvenzordnung (InsO) - stützt, fehlt jede Befassung damit, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein solcher hypothetischer Kausalverlauf nicht zu berücksichtigen ist (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 KR 19/14 R - SozR 4-2500 § 226 Nr 2 RdNr 25).
Auch soweit sich die Klägerin direkt auf die Wirkung der Restschuldbefreiung nach § 301 InsO beruft, setzt sie sich nicht hinreichend mit den einschlägigen Vorschriften und der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander. Während sie zunächst (unter B b ihrer Beschwerde) noch erklärt, das LSG habe zu Recht festgehalten, dass insolvenzrechtliche Vorschriften ohne Belang seien, spricht sie später von einer Durchbrechung des insolvenzrechtlichen Systems. Hierzu erörtert sie aber weder, ob - wie der Wortlaut des § 301 InsO nahelegt - nur Insolvenzforderungen von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Noch beschäftigt sie sich hinreichend mit der Abgrenzung von Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), Masseverbindlichkeiten (§§ 53, 55 InsO) und Neuverbindlichkeiten. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung damit, wann der Beitragsanspruch im insolvenzrechtlichen Sinn begründet wird und im sozialrechtlichen Sinne entsteht (vgl dazu BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 KR 19/14 R - SozR 4-2500 § 226 Nr 2 RdNr 26). Hierfür reicht es nicht, zu behaupten, die Forderung sei "zweifelsohne" bereits vor Beginn des Insolvenzverfahrens angelegt gewesen.
Indem die Klägerin letztlich offen lässt, um welche Art von insolvenzrechtlicher Forderung es sich handeln soll, wird damit weder deutlich, welche konkrete Rechtsfrage überhaupt geklärt werden soll, noch liegen damit hinreichende Darlegungen zur Klärungsfähigkeit vor.
2. Zu dem "Aspekt der Divergenz" enthält die Beschwerdebegründung keine weiteren Darlegungen. Sollte die Klägerin mit ihren Ausführungen zu der Befreiung von einer Verbindlichkeit nahelegen wollen, das LSG habe das von ihr zitierte Urteil des BSG vom 16.12.2015 (B 12 KR 19/14 R aaO) in diesem Punkt nicht zutreffend umgesetzt, so läge darin von vorneherein keine zulässige Divergenzrüge, sondern lediglich eine unbeachtliche Subsumtionsrüge. Einen abstrakten widersprechenden Rechtssatz des LSG hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13855490 |