Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammentreffen von Ausfallzeit mit Beitragszeit

 

Orientierungssatz

Zeiten einer vormerkungsfähigen Hochschulausbildung verlieren grundsätzlich nicht deshalb, weil neben der Ausbildung Beiträge - auch Pflichtbeiträge - entrichtet worden sind, ihren Charakter als Ausbildungszeiten.

 

Normenkette

AVG § 36 Abs 1 Nr 4 Buchst b; RVO § 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst b

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.07.1987; Aktenzeichen L 8 An 98/86)

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil ist unzulässig.

Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.

In der Sache geht es - ausschließlich - um einen Anspruch auf Vormerkung der in Frankreich zurückgelegten Studienzeit der Klägerin als Ausfallzeit iS von § 36 Abs 1 Nr 4 Buchst b Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Diesen Anspruch hat das LSG mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe ihr Studium in Frankreich nicht abgeschlossen, hingegen zuvor in Deutschland ihre Hochschulausbildung (von 1967 bis 1975) bereits abgeschlossen gehabt. Nur diese zuerst begonnene und abgeschlossene Ausbildung könne bis zur Höchstdauer von fünf Jahren als Ausfallzeit vorgemerkt werden, wobei hierfür unerheblich sei, daß während der deutschen Studienzeit zugleich Beiträge entrichtet worden seien. Dies schließe den Tatbestand einer Ausbildungsausfallzeit nicht aus, da die Klägerin offensichtlich neben ihrer deutschen Hochschulausbildung in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.

Die Klägerin hat zwar mit ihrer Beschwerdebegründung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sinngemäß die Frage bezeichnet, ob die Zeit einer weiteren Hochschulausbildung dann als Ausfallzeit zu berücksichtigen ist, wenn eine vorhergehende Zeit einer (abgeschlossenen) Hochschulausbildung wegen des Zusammentreffens mit Beitragszeiten durch diese als Ausfallzeit verdrängt wird. Bezüglich dieser Frage fehlt es jedoch an einer ausreichenden Konkretisierung, insbesondere an der Darlegung ihrer Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist regelmäßig nur dann klärungsbedürftig, wenn sie nicht bereits geklärt ist. Ist sie durch die Rechtsprechung geklärt oder so gut wie unbestritten, ist eine auf ihre grundsätzliche Bedeutung gestützte Beschwerde ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn dargelegt wird, daß und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage gleichwohl umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Eine Rechtsfrage ist nur dann klärungsfähig, wenn das Revisionsgericht bei Zulassung der Revision notwendigerweise über sie entscheiden muß. Auch dies ist darzulegen.

Hat die Klägerin - wie hier - ihren Vormerkungsantrag ausschließlich auf die in Frankreich zurückgelegte Hochschulausbildung beschränkt und hätte sie diese Ausbildung - wie behauptet - im Sinne der vorgenannten Bestimmung abgeschlossen, stellt sich die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage schon deshalb nicht, weil dann diese zweite Hochschulausbildung - anstelle der nicht vorgemerkten ersten Hochschulausbildung - vorgemerkt werden könnte. War hingegen die französische Hochschulausbildung - wie das LSG festgestellt hat - nicht abgeschlossen, stellt sich die aufgeworfene Frage ebenfalls nicht, weil dann nur die in Deutschland abgeschlossene Hochschulausbildung - bis zu der hier bereits ausgeschöpften Höchstdauer von fünf Jahren - vorgemerkt werden könnte, und zwar unabhängig davon, ob neben der Hochschulausbildung Beiträge entrichtet worden sind. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die durch Beitragszeiten "verdrängten" Ausfallzeiten eine Verschiebung auf spätere Ausfallzeiten ermöglichen, ist nur dann rechtserheblich, wenn Ausfallzeiten durch eine gleichzeitige Beitragsentrichtung verdrängt werden. Diese Frage ist aber von der Rechtsprechung des BSG zur Vormerkung von Ausfallzeiten bereits verneint worden und damit grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, daß bei einem Streit um die Vormerkung einer Ausfallzeit lediglich zu prüfen ist, ob der Ausfallzeittatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Dabei entfällt ein Ausfallzeittatbestand nicht bereits deshalb, daß neben der Ausbildungszeit Beiträge - auch Pflichtbeiträge - entrichtet worden sind (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 82); insbesondere setzt die Vormerkung eines Tatbestandes des § 36 Abs 1 Nr 4 Buchst b AVG nicht voraus, daß während der Ausbildung kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat (BSG aaO in Fortentwicklung von BSG SozR 2200 § 1259 Nr 79). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Ausbildung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgt und Inhalt der Arbeits- bzw Dienstpflicht gewesen ist (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 79 unter Hinweis auf SozR 2200 § 1255 Nr 6; aaO § 1255a Nr 6). Ferner hat das BSG bereits entschieden, daß eine die Höchstdauer von fünf Jahren überschreitende Ausbildungszeit keine Ausfallzeit mehr darstellt, wobei es für die Feststellung der Höchstdauer auf den Studienbeginn als solchen ankommt, gleichviel, ob es sich bei der danach - im Inland oder Ausland - zurückgelegten Studienzeit um ein und denselben Studiengang, zwei verschiedene Studiengänge oder gar zwei - abgeschlossene - Hochschulausbildungen handelt (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 90). Denn die Höchstdauer gilt nicht für jeden Studiengang gesondert, sondern bezieht sich auf die Hochschulausbildung insgesamt. Dabei ist es auch für die Berechnung der Höchstdauer der Hochschulausbildung (Fünfjahresfrist) ohne Einfluß, ob während dieser - teilweise - Beiträge entrichtet worden sind (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 90 in Fortentwicklung von BSG aaO Nr 82).

Danach ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage bereits dahingehend beantwortet, daß Zeiten einer vormerkungsfähigen Hochschulausbildung grundsätzlich nicht deshalb, weil neben der Ausbildung Beiträge - auch Pflichtbeiträge - entrichtet worden sind, ihren Charakter als Ausbildungszeiten verlieren ("verdrängt werden") und aus diesem Grunde auf spätere, nicht vormerkungsfähige Ausbildungszeiten verschoben werden können. Die Frage einer derartigen "Verschiebung" würde sich ausnahmsweise nur dann stellen, wenn die - deutschen - Studienzeiten der Klägerin wegen des Zusammentreffens mit Beitragszeiten ihren Charakter als Ausfallzeiten verloren hätten, dh ihr Studium im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolgt und Inhalt ihrer Arbeits- bzw Dienstpflicht gewesen wäre. Daß ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat die Klägerin nicht dargelegt; sie hat aber auch sonst keine Ausführungen dazu gemacht, ob und inwieweit die vorgenannte Rechtsprechung des BSG zur Vormerkung von Ausfallzeiten bei gleichzeitiger Beitragsentrichtung gleichwohl umstritten und insoweit klärungsbedürftig geblieben ist.

Die Nichtzulassungsbeschwerde erweist sich nach alledem mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes als unzulässig und ist in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652568

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