Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.10.1997) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Oktober 1997 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil gerichtete Beschwerde, mit welcher der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichen (Divergenz) von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und Verfahrensmängel geltend macht, ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend Rechnung getragen.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 27. Mai 1997 – 2 BU 64/97 –). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching aaO IX RdNrn 65 und 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sieht der Kläger die Frage an, „ob es für eine „Beweislastumkehr” ausreichend ist, daß eine Partei nicht selbst für eine Beweisvereitelung verantwortlich ist, sondern hiervon nur profitiert”. Dazu trägt er vor, es sei zutreffend, daß teilweise nicht die Beklagte die Erhebung von Beweisen bewußt vereitelt habe, jedoch profitiere sie von dem entsprechenden Verhalten Dritter. Entgegen der Behauptung im Urteil sei es keineswegs zwischen den Beteiligten streitig, ob sich der Kläger im Oktober 1985 einer Ganzkörperuntersuchung unterzogen habe. Diese sei entgegen allen Vorschriften, was bisher unstreitig sei, nicht vorgenommen. Eine Ganzkörperuntersuchung hätte aber nach seiner Auffassung ergeben, daß er einer erhöhten radioaktiven Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Das Gericht gehe fälschlicherweise davon aus, daß die Urinuntersuchung am 10. Oktober 1985 die Ganzkörperuntersuchung habe ersetzen können.
Der Kläger hat es versäumt, sich mit der zur „Beweislastumkehr” bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinanderzusetzen und darzulegen, daß die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage damit nicht beantwortet werden kann. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSGE 24, 25; 41, 297, 300; BSG SozR Nr 60 zu § 128 SGG) tritt nämlich bei einem Beweisnotstand (den der Kläger hier für sich geltend macht), auch wenn er auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, keine Umkehr der Beweislast ein. An dieser Ansicht hat der Senat durch Urteil vom 27. Mai 1997 (– 2 RU 38/96 –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausdrücklich festgehalten.
Mit diesen Rechtsgrundsätzen hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt und auch nicht angegeben, inwieweit diese Rechtsprechung für die Entscheidung des vorliegenden Falls noch einer weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung bedarf. Dazu hätte jedoch Veranlassung bestanden. Denn wenn nicht einmal die Beweisvereitelung durch einen Beteiligten, der unmittelbar für sich Vorteile daraus ziehen kann, zu einer Umkehr der Beweislast führt, so muß dies erst recht für den vom Kläger dargestellten Fall gelten, daß ein Dritter die Beweisvereitelung bewirkt hat und der Beteiligte lediglich davon einen objektiven Nutzen hat. Damit hat der Kläger keine grundsätzlich bedeutsame Frage, die für den vorliegenden Rechtsstreit als klärungsbedürftig im Sinne einer grundsätzlichen Bedeutung anzusehen wäre, dargelegt (vgl Kummer aaO, RdNr 190 ff).
Auch soweit der Kläger seine Beschwerde darüber hinaus damit begründet, das Urteil des LSG weiche von einer Entscheidung des BSG ab (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), ist diese Rüge unzulässig. Zur formgerechten Rüge einer solchen Abweichung ist in der Beschwerdebegründung die höchstrichterliche Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, so zu bezeichnen, daß sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muß darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten ist. Er muß einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, daß die Divergenz erkennbar ist. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, daß die angegriffene Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29).
Diesen Kriterien wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar hat der Kläger ein Urteil des BSG genügend bestimmt mit einer Fundstelle in einer Fachzeitschrift angeführt (SGb 1976, 497 = BSGE 41, 297 = SozR 2200 § 1399 Nr 4), es jedoch versäumt, einen abstrakten Rechtssatz aus dieser höchstrichterlichen Entscheidung zu bezeichnen, aus dem eine Divergenz zu einem abstrakten Rechtssatz aus dem Berufungsurteil erkennbar wäre. Sein Vortrag, das Urteil des LSG weiche hinsichtlich seiner Ausführungen zu der seiner Ansicht nach hier anzuwendenden Umkehr der Beweislast hiervon ab, reicht nicht aus. Die hiermit allenfalls gerügte fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall begründet keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.
Auch soweit der Kläger seine Beschwerde mit einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG begründet, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Mit seiner Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht macht der Kläger eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) geltend. Auf eine Verletzung dieser Vorschrift kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG allerdings nur dann gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger bringt indes zunächst lediglich vor, das Berufungsgericht hätte ein Gutachten in Auftrag geben müssen, um zu klären, ob die vorgenommene Urinprobe die gleiche Aussagekraft wie eine Ganzkörperuntersuchung habe, statt zu unterstellen, die Urinprobe könne eine Ganzkörperuntersuchung ersetzen. Damit bezeichnet der Kläger keinen übergangenen Beweisantrag, sondern rügt im Kern die Beweiswürdigung des LSG. Darauf kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG.
Aber auch mit seinem Vortrag, das Berufungsgericht habe verkannt und sei insofern seinen Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, daß die Beklagte Beweiserhebungen vereitelt habe, bezeichnet der Kläger keinen Verfahrensmangel. Als übergangene Beweisanträge nennt der Kläger in diesem Zusammenhang die Benennung der Zeugen K. … und G. … in der Berufungsbegründungsschrift zum Beweis für die angebliche Unwahrheit einer Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten. Zugleich trägt er vor, das LSG habe auf die Einvernahme dieser Zeugen verzichtet und die in deren Wissen gestellten Tatsachen als wahr unterstellt. Abgesehen davon, daß der Kläger damit nicht – wie erforderlich – darlegt, daß er diese Beweisanträge in der dem angefochtenen Urteil vorausgegangenen mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat, versäumt er auch darzulegen, inwiefern sich das LSG angesichts der Unterstellung der zu beweisenden Tatsachen als wahr zur Erhebung dieser Beweise hätte gedrängt fühlen müssen.
Im Kern rügt der Kläger mit diesem Vortrag und auch mit seinen weiteren Ausführungen, eine „Mitschuld” (an der Vereitelung von Beweisen) seinerseits sei nicht nachvollziehbar; lediglich wiederum die berufungsgerichtliche Beweiswürdigung. Darauf kann jedoch – wie bereits dargelegt wurde – eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen