Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen eines geltend gemachten Impfschadens.
Der Kläger ist an multipler Sklerose (MS) erkrankt, die er auf eine 2001 erhaltene Impfung gegen Hepatitis-A mit dem Impfstoff Havrix 1440 zurückführt. Sein deshalb 2007 gestellter Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG blieb beim Beklagten und dem SG erfolglos.
Mit Urteil vom 5.11.2020 hat das LSG den Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens ebenfalls verneint. Ebenso wenig wie im parallel bis zum BSG geführten Verfahren auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung lasse sich feststellen, dass die Impfung die MS des Klägers verursacht habe. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand bestünden keine Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und der Auslösung einer MS, wie insbesondere die Ausführungen des vom LSG gehörten Sachverständigen M gezeigt hätten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das Urteil des LSG weiche von der Rechtsprechung des BSG ab und sei verfahrensfehlerhaft ergangen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie weder den behaupteten Verfahrensmangel, noch eine Divergenz ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Wer seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), muss bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegen. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will der Beschwerdeführer daher einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss er einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 373, 403 ZPO bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, obwohl er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (Senatsbeschluss vom 20.2.2019 - B 9 SB 67/18 B - juris RdNr 7 mwN). Für einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Diese ist möglichst präzise und bestimmt zu behaupten. Zudem ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit seines Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte oder unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (Senatsbeschluss vom 29.4.2020 - B 9 V 33/19 B - juris RdNr 5 mwN).
Diese Darlegungsanforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Sie versäumt es bereits, zusammenhängend und aus sich heraus verständlich die Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie den vom LSG festgestellten Sachverhalt und damit die Tatumstände darzulegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass hätten geben können (vgl Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - juris RdNr 9 mwN). Denn dafür genügt es nicht, wie die Beschwerdebegründung bruchstückhaft und selektiv aus dem Gerichtsurteil und dem Vortrag des Klägers in der Tatsacheninstanz zu zitieren.
Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen prozessordnungsgemäßen, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnet. Sein Hinweis auf einen Antrag im Schriftsatz vom 28.5.2020 genügt dafür schon deshalb nicht, weil das LSG, wie sich aus dem Beschwerdevortrag erschließt, davor und danach Beweis erhoben hat über den Kausalzusammenhang zwischen seiner Impfung und seiner MS-Erkrankung. Wie sich aus der Beschwerdebegründung entnehmen lässt, hat das LSG zu diesem Beweisthema ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellen lassen. Zudem hat es, nach dem genannten Beweisantrag, zusätzlich eine schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt und ihn außerdem in der mündlichen Verhandlung gehört. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger darlegen müssen, warum trotz dieser Ermittlungen noch weiterer Aufklärungsbedarf bestand und sich das LSG zu weiteren Nachforschungen hätte gedrängt sehen müssen (vgl Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 6 mwN).
Ebenfalls nicht ausreichend für eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge ist danach der im LSG-Urteil zitierte, hilfsweise Antrag des Klägers, ein immunologisches und pharmakologisches Zusatzgutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass seine MS-Erkrankung auf die Impfung zurückzuführen ist. Um in der aktuellen, von vorangegangener Beweiserhebung geprägten Prozesssituation das Beweisthema für das LSG hinreichend genau zu bezeichnen und das Gericht vor einer möglichen Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht zu warnen (vgl Senatsbeschluss vom 13.1.2021 - B 9 SB 32/20 B - juris RdNr 7 mwN), hätte der Kläger schon mit Blick auf das vom Gericht bereits eingeholte Sachverständigengutachten und die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung substantiiert und präzise angeben müssen, warum und welche konkreten Punkte trotzdem noch weiter klärungsbedürftig sein sollten (vgl Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 6 mwN). Ebenso wenig ersichtlich ist die erforderliche Angabe des hypothetischen Beweisergebnisses. Schließlich legt die Beschwerdebegründung auch nicht in substantiierter Auseinandersetzung mit bisherigen Beweisergebnissen dar, warum sich das LSG auf der Grundlage seiner maßgeblichen Rechtsauffassung vom Beweisbegehren des Klägers zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen (Senatsbeschluss vom 14.11.2013 - B 9 SB 17/13 B - juris RdNr 4 mwN).
Soweit der Kläger im Übrigen ungenügende Ermittlungen im unfallversicherungsrechtlichen Parallelverfahren rügt, kann diese Rüge die Angabe eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags schon deshalb nicht ersetzen, weil es maßgeblich auf die Amtsermittlungspflicht des LSG im vorliegenden Verfahren ankommt.
Unbeachtlich ist auch die Kritik des Klägers an der Beweiswürdigung des LSG, das nach seiner Ansicht aussagekräftige und fundierte Studien zum Schädigungszusammenhang sowie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Toxizität von Aluminium außer Betracht gelassen habe. Denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG entzieht die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) des Berufungsgerichts vollständig der Beurteilung durch das BSG als Beschwerdegericht. Sie kann kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Senatsbeschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10 mwN).
2. Die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen legt der Kläger ebenfalls nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Das LSG muss einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet haben (Senatsbeschluss vom 12.1.2017 - B 9 V 58/16 B - juris RdNr 21 mwN). Hierfür reicht deshalb die behauptete Nichtberücksichtigung der Rechtsprechung zu hypothetischen Ursachenverläufen (BSG Urteil vom 22.8.1990 - 8 RKn 5/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 4) nicht aus. Erst recht gilt dies für das Urteil des EuGH (vom 21.6.2017 - C-621/15) zur Produkthaftung. Zu den Mindestanforderungen einer Divergenzrüge gehört, ebenso wie einer Grundsatzrüge, zudem eine vollständige und aus sich heraus verständliche Schilderung des für die Entscheidung erheblichen Sachverhalts; denn es ist nicht Aufgabe des BSG, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren selbst die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil oder sogar aus den Akten herauszusuchen (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 4f mwN). Ohne die erforderliche umfassende Sachverhaltswiedergabe kann das BSG nicht beurteilen, ob sich entscheidungserheblich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder ob das LSG entscheidungserheblich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Wie ausgeführt, fehlt es an dieser zusammenhängenden und verständlichen Sachverhaltswiedergabe. Die auszugsweise Wiedergabe des Sachverhalts im Zusammenhang mit den rechtlichen Ausführungen der Beschwerde genügt insoweit nicht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14668806 |