Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 18 780,68 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) eine höhere Vergütung für psychotherapeutische Leistungen für die Quartale 4/2012 bis 4/2014.
Die Klägerin ist als psychologische Psychotherapeutin im Bezirk der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Für die streitgegenständlichen Quartale setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin jeweils bestandskräftig per Bescheid fest, teilweise nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens(Quartal 2/2014, Widerspruchsbescheid vom 2.12.2014) . Der letzte Honorarbescheid datiert vom 21.4.2015(Quartal 4/2014) .
Mit Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 22.9.2015(DÄ 2015, A-1739) wurden die Bewertungen der Gebührenordnungspositionen (GOP) 35200 bis 35225 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) rückwirkend ab dem 1.1.2012 um 2,6909 % angehoben. Außerdem konnten ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erstmals einen sog Strukturzuschlag (GOP 35251 und 35252 EBM-Ä) auf die antrags- und genehmigungspflichtigen Einzel- und Gruppentherapieleistungen(Leistungen nach GOP 35200 bis 35225 EBM-Ä in der hier maßgebenden, ua in den Quartalen 1/2013 und 2/2013 geltenden Fassung, im Folgenden: aF) erhalten(vgl hierzu auch Senatsurteile vom 6.3.2024 - B 6 KA 6/23 R - und - B 6 KA 7/23 R -, jeweils zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) .
Der am 18.3.2016 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch gegen die Honorarbescheide der Quartale 4/2012 bis 4/2014, mit dem die Klägerin aufgrund der rückwirkenden Änderung des EBM-Ä eine höhere Vergütung begehrte, wurde als unzulässig verworfen(Widerspruchsbescheid vom 11.8.2016) . Die Beklagte legte das Schreiben der Klägerin zudem als Antrag auf Rücknahme der bestandskräftigen Honorarbescheide(§ 44 Abs 2 SGB X ) aus, den sie ablehnte(Bescheid vom 8.6.2016; Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016) . Selbst bei unterstellter Rechtswidrigkeit der Bescheide könne der Antrag keinen Erfolg haben. Denn im Rahmen des auszuübenden Ermessens sei als maßgeblich anzusehen, dass die Belastung der Beklagten mit Rückerstattungs- und Nachzahlungsansprüchen einen sachgerechten Grund für die Ablehnung einer rückwirkenden Aufhebung darstelle.
Die anschließenden Klageverfahren sind erfolglos geblieben(SG-Urteile vom 21.3.2022) . Das LSG hat die Berufungen in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Streitsachen zurückgewiesen(Urteil vom 26.10.2022) . Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine höhere als die bereits festgestellte Vergütung und auch keinen Anspruch auf Neubescheidung. Die Honorarbescheide seien bestandskräftig und damit auch für die Gerichte bindend(§ 77 SGG ) . Insbesondere seien die Bescheide mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen gewesen, sodass nicht abweichend von der Monats- die Jahresfrist gegolten habe(§ 66 Abs 1 und 2 SGG) . Soweit die Klägerin meine, sie habe darauf hingewiesen werden müssen, dass infolge von Verhandlungen des EBewA eine Nachvergütung im Raum stehe, die es durch einen fristgerechten Widerspruch zu sichern gelte, wende sie sich gegen eine unterbliebene Beratung, nicht gegen eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand(§ 67 iVm§ 84 Abs 2 SGG ) lägen nicht vor. Auch die Entscheidung der Beklagten, die der Klägerin für die streitbefangenen Quartale erteilten Honorarbescheide nicht nach§ 44 Abs 2 Satz 2 SGB X zurückzunehmen, sei nicht zu beanstanden.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung sowie eine Rechtsprechungsabweichung(Zulassungsgründe gemäߧ 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet und zudem aufgezeigt werden, inwiefern diese in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich), klärungsbedürftig sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist(stRspr; zBBSG Beschluss vom 30.8.2004 - B 2 U 401/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff;BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5;BSG Beschluss vom 12.9.2018 - B 6 KA 12/18 B - juris RdNr 5 , jeweils mwN) . Dem wird die Beschwerde der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern umreißt nur die Thematik "des Eintritts von Rechtsverlusten durch die Verweigerung der Nachzahlung von nachträglich erhöhten Honoraren an psychologisch tätige Ärzte und/oder Psychotherapeuten … wegen der von ihnen unterlassenen Einlegung eines Rechts mittels gegen ursprünglich begünstigende Leistungsbescheide"(S 4 f der Beschwerdebegründung) .
a) Soweit den Ausführungen der Klägerin entnommen werden kann, dass sie geklärt wissen möchte, ob§ 44 Abs 1 SGB X analog auf bestandskräftige Honorarbescheide anzuwenden ist, wenn sich aufgrund einer rückwirkenden Änderung des EBM-Ä eine Nachzahlung ergibt, ist dies nicht klärungsbedürftig. Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der Senat bereits entschieden, dass vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung iS des§ 44 Abs 1 SGB X ist und dass daher auf Bescheide über vertragsärztliches Honorar§ 44 Abs 2 SGB X anzuwenden ist. Diese Vorschrift erfasst alle rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakte, die den Voraussetzungen des§ 44 Abs 1 SGB X nicht genügen(BSG Urteil vom 18.3.1998 - B 6 KA 16/97 R - BSGE 82, 50 = SozR 3-1300 § 44 Nr 23, juris RdNr 13 f;BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 6 KA 21/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 6 RdNr 13;BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 28/07 R - BSGE 101, 235 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 38) . Damit besteht schon keine Regelungslücke, die Raum für eine analoge Anwendung des§ 44 Abs 1 SGB X lassen würde.
Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, die bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide seien ursprünglich nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig gewesen, sodass§ 44 Abs 2 Satz 2 SGB X hier nicht greife. Anders als die Klägerin meint, sind die betreffenden Honorarbescheide nicht erst mit dem Beschluss des EBewA vom 22.9.2015 gleichsam rückwirkend rechtswidrig geworden. Trägt der BewA den Besonderheiten psychotherapeutischer Leistungen nicht durch eine angemessene Bewertung im EBM-Ä Rechnung, wie es§ 87 Abs 2c Satz 6 SGB V(hier noch idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes - GKV-WSG; jetzt§ 87 Abs 2c Satz 8 SGB V ) und auch die Rechtsprechung des Senats fordert(vgl hierzuBSG Urteil vom 28.5.2008 - B 6 KA 9/07 R - BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 53;BSG Urteil vom 11.10.2017 - B 6 KA 8/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 14 RdNr 19) , so sind die auf der unangemessenen Bewertung des EBM-Ä beruhenden Honorarbescheide rechtswidrig und auf Klage (teilweise) aufzuheben. Der Umstand, dass die beklagte KÄV selbst hinsichtlich der Regelungen des EBM-Ä keine Verwerfungskompetenz besitzt und diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden hat, ist insofern ohne Belang.
Vorliegend ist der BewA seiner Beobachtungs- und Reaktionspflicht nachgekommen, indem er Anhaltspunkten für einen Anpassungsbedarf nachgegangen ist und im Dezember 2013 beschlossen hat, die antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des EBM-Ä-Abschnitts 35.2 dahin gehend zu überprüfen, ob die seit dem 1.1.2009 gültige Bewertung dieser Leistungen die angemessene Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen sicherstellt(Beschluss des EBewA aus seiner 38. Sitzung vom 18.12.2013, DÄ 2014, A-94; vgl auch BSG Urteil vom 11.10.2017, aaO RdNr 28) und zwar auf der Basis der Daten von 2012(vgl die im Internet auf der Seite des Instituts des BewA veröffentlichten Entscheidungserheblichen Gründe zu dem genannten Beschluss vom 18.12.2013) . Aus der Analyse der vorliegenden Daten für das Jahr 2012 hat der EBewA die Notwendigkeit geschlossen, ab dem Jahr 2012 die Bewertungen der GOPen des Abschnitts 35.2 um 2,6909 % anzuheben und für die Personalaufwendungen für eine Halbtagskraft einen Strukturzuschlag einzuführen, um die Angemessenheit der Vergütung ab dem Jahr 2012 herzustellen(vgl S 5 f der Entscheidungserheblichen Gründe zum Beschluss des EBewA vom 22.9.2015) . Damit hat der EBewA mit der (rückwirkenden) Neuregelung ab 2012 auf eine von ihm selbst erkannte rechtswidrig zu niedrig angesetzte Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen reagiert.
b) Soweit die Klägerin vorträgt, "bei richtiger Rechtsanwendung" führe auch die Ermessensbestimmung des§ 44 Abs 2 Satz 2 SGB X aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null zu einem unmittelbaren Rechtsanspruch auf die von ihr begehrte Nachzahlung, macht sie im Kern lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG und keinen der drei in § 160 Abs 2 SGG genannten Zulassungsgründe, insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Grundsätze, nach denen die Ermessensentscheidung einer KÄV über die Korrektur bestandskräftiger Honorarbescheide überprüft werden kann, in der Rechtsprechung des BSG geklärt sind(vgl hierzuBSG Urteil vom 22.6.2005 - B 6 KA 21/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 6 RdNr 17 ff;BSG Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 28/07 R - BSGE 101, 235 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 42 ff; vgl auchBSG Urteil vom 18.3.1998 - B 6 KA 16/97 R - BSGE 82, 50 = SozR 3-1300 § 44 Nr 23, juris RdNr 19) . Dabei hat es der Senat in Fällen, in denen sich die Rechtswidrigkeit der Bescheide nicht jeweils aus singulären Fehlern bei der Rechtsanwendung ergibt, sondern darauf beruht, dass sich die den Bescheiden zugrunde liegenden normativen Bestimmungen der Honorarverteilung als fehlerhaft erwiesen haben, gebilligt, wenn die KÄV die finanziellen Auswirkungen im Falle einer gegenüber den betroffenen Ärzten positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder als ausschlaggebend berücksichtigt hat(BSG Urteil vom 18.3.1998, aaO; BSG Urteil vom 22.6.2005, aaO RdNr 18 f; BSG Urteil vom 17.9.2008, aaO RdNr 43) .
Die Klägerin kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch nicht erfolgreich damit begründen, dass im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz(Art 3 Abs 1 GG ) verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Differenzierung zwischen den Psychotherapeuten, die Widerspruch eingelegt haben, und solchen, die ihre Honorarbescheide haben bestandskräftig werden lassen, bestünden. Dies trifft nicht zu. Vielmehr ist der Umstand, ob ein Betroffener Rechtsmittel eingelegt hat oder nicht, als zulässiges Unterscheidungskriterium allgemein anerkannt. So bleiben etwa bestands- oder rechtskräftige Entscheidungen auch dann grundsätzlich unberührt, wenn das BVerfG die Norm, auf der die Entscheidung beruht, nachträglich für nichtig oder mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt(§ 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG ).
c) Auch soweit die Klägerin der Beklagten "arglistiges Verhalten" vorwirft, da sie die betroffenen Psychotherapeuten über die "möglicherweise anstehende Anhebung der Vergütung bewusst in Unkenntnis gelassen" habe(S 12 der Beschwerdebegründung) , stellt sie damit - unabhängig davon, dass zu den von ihr aufgestellten Behauptungen keine Feststellungen des LSG vorliegen - keine grundsätzliche Rechtsfrage zur Klärung, sondern macht wiederum nur die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG geltend.
2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG sind nicht erfüllt. Insofern genügt die Beschwerde bereits nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen.
Zur Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG müssen abstrakte Rechtssätze des Urteils des LSG und eines Urteils des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG bezeichnet und einander gegenübergestellt werden. Ferner ist darzulegen, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - juris RdNr 8 ;BSG Beschluss vom 26.5.2021 - B 6 KA 26/20 B - juris RdNr 7 , jeweils mwN) . Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen Divergenz(stRspr; vglBSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN) .
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt bereits an der erforderlichen Bezeichnung und Gegenüberstellung abstrakter nicht miteinander vereinbarer Rechtssätze. Die Klägerin macht lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG ("ist rechtsfehlerhaft") im vorliegenden Einzelfall im Hinblick auf die Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG zum Gleichheitsgebot desArt 3 Abs 1 GG und keine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen geltend. So bezeichnet sie die Anwendung des Gleichheitssatzes durch das LSG lediglich als "rechtlich nicht haltbar", zeigt aber nicht auf, inwiefern das LSG der Rechtsprechung des BVerfG widerspricht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm§§ 154 ff VwGO . Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen(§ 154 Abs 2 VwGO ) .
4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm§ 63 Abs 2 Satz 1 ,§ 52 Abs 1 und 3,§ 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, die von keinem Beteiligten infrage gestellt worden ist.
Fundstellen
Dokument-Index HI16461491 |