Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 15.02.2022; Aktenzeichen S 9 SO 9/21) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.10.2023; Aktenzeichen L 7 SO 834/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit ist, ob der Beklagte auf einen Überprüfungsantrag des Klägers untätig geblieben ist.
Im Jahr 2001 lehnte der Beklagte einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ab(Bescheid vom 6.12.2001; Widerspruchsbescheid vom 28.1.2002; rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts ≪VG≫ Karlsruhe vom 22.4.2004 -2 K 490/02) . Nachdem der Kläger beim Beklagten seinen Fahrzeugbrief hinterlegt hatte, wurde ihm Hilfe zum Lebensunterhalt als Darlehen gewährt(Bescheid vom 7.3.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.7.2002; rechtskräftiges Urteil des VG Karlsruhe vom 22.4.2004 - 2 K 2135/02) .
Im Dezember 2020 hat der Kläger "Untätigkeits-Bescheidungsklage" erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, sein Widerspruch vom 21.3.2002 gegen den Bescheid vom 7.3.2002 sei auch als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch- Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) hinsichtlich des vorherigen Bescheids vom 6.12.2001 auszulegen. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben(Gerichtsbescheid vom 15.2.2022; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 19.10.2023) . Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Senat könne über die Berufung des Klägers in der geschäftsplanmäßigen Besetzung entscheiden, weil das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Richter rechtsmissbräuchlich sei. Die Berufung des Klägers sei unbegründet. Zwar sei die Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe mit Schreiben vom 21.3.2002 lediglich Widerspruch gegen den Bescheid vom 7.3.2002 erhoben, nicht jedoch einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 6.12.2001 gestellt. Der Beklagte sei auch nicht zur erneuten Entscheidung verpflichtet gewesen, weil zwischenzeitlich eine Mitwirkung nachgeholt worden sei. Der Bescheid vom 7.12.2001 stelle keinen Versagungsbescheid nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch- Allgemeiner Teil - (SGB I) wegen fehlender Mitwirkung dar. Vielmehr sei der Antrag in der Sache abgelehnt worden.
Für die Durchführung eines Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil beantragt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und sinngemäß die Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint( § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) ; daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten( § 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu( § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) . Es stellen sich keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit den Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage( § 88 SGG) , sondern allenfalls Fragen zur Anwendung dieser Norm im konkreten Einzelfall. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge( § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel( § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das LSG durfte unter Mitwirkung der abgelehnten Richter verhandeln und entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter zu verstoßen( Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ≪GG≫) . Erfolgt die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht durch Zwischenentscheidung(dazu Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 5.8.2003 -B 3 P 8/03 B- SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f) , sondern - wie hier - in den Urteilsgründen unter Mitwirkung der abgelehnten Richter, kann zwar ein Verfahrensfehler vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann(vgl BSG vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B- SozR 4-1500 § 60 Nr 4) . Das LSG durfte vorliegend aber ohne Verstoß gegen § 60 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO das Ablehnungsgesuch in dem angegriffenen Urteil unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbeachtlich werten, weil es in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsmissbrauch angenommen hat(vgl hierzu BSG Beschluss vom 13.8.2009 - B 8 SO 13/09 B- mwN) . Die Rechtsmissbräuchlichkeit des Ablehnungsgesuchs wird bereits durch die wiederholte Praxis des Klägers deutlich, beteiligte Richter wegen der seiner Ansicht nach jeweils unzutreffenden rechtlichen Bewertungen und verfahrensrechtlichen Vorgehensweisen abzulehnen(vgl ua BSG vom 23.5.2018 - B 8 SO 1/18 BH mwN) . Der Kläger hat auch hier keine objektiven Anknüpfungspunkte dafür genannt, dass die geschäftsplanmäßig zuständigen Richter voreingenommen seien. Der Befangenheitsantrag ist, ebenso wie es die in früheren Verfahren beim LSG und BSG gestellten Anträge zeigen, als prozesstaktische Mittel zu werten.
Ob sich anderweitig Verfahrensfehler ergeben, kann offenbleiben. Denn es fehlt insoweit jedenfalls an der erforderlichen Erfolgsaussicht in der Hauptsache(vgl zu dieser Voraussetzung nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 73a RdNr 7c mwN) . Nach summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ist nicht erkennbar, dass die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage in der Sache Erfolg haben könnte. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 88 SGG durch das LSG im konkreten Einzelfall und seine Rechtsauffassung, dass eine Untätigkeit des Beklagten nicht vorliege, weil der Kläger mit dem Schreiben vom 21.3.2002 keinen Überprüfungsantrag gestellt habe, ist nicht zu beanstanden. Darauf, dass ohnehin ein Fall der Verwirkung der Untätigkeitsklage bei Klageerhebung achtzehn Jahre nach Eingang des Überprüfungsantrags bei dem Beklagten vorliegen könnte(vgl dazu BT-Drucks 7/4324 S 13; vgl auch Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 88 RdNr 5c) , kommt es daher nicht an.
Demnach kommt auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör( Art 103 GG; § 62 SGG) aus der (wiederholten) Ablehnung von PKH - auch unter Würdigung des diesbezüglichen Vorbringens des Klägers - nicht in Betracht. Dies wäre nur der Fall, wenn bei rechtzeitiger Entscheidung ausgehend von dem damaligen Sach- und Kenntnisstand eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu bejahen gewesen wäre(vgl § 73a SGG iVm § 114 ZPO; dazu BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B- SozR 4-1500 § 62 Nr 9) . Eine solche lag hier zu keinem Zeitpunkt vor.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI16526282 |