Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensfehler. Beweiswürdigung des LSG. Beweisantrag
Orientierungssatz
1. Rügt ein Kläger, das LSG habe seiner Entscheidung nicht einen in einer Akte des Leistungsträgers befindlichen Vermerk zugrunde legen dürfen, wendet er sich im Kern gegen die Beweiswürdigung des LSG, auf die eine Verfahrensrüge gem § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht gestützt werden kann.
2. Ist ein Beweisantrag nicht gestellt worden, kann nicht über den Umweg des § 106 Abs 1 und § 112 Abs 2 SGG ein nicht gestellter Beweisantrag zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG führen (vgl BSG vom 26.11.1975 - 5 BKn 5/75 = SozR 1500 § 160 Nr 13).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3 Fassung: 2008-03-26, § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 Fassung: 2008-10-30, § 106 Abs. 1 Fassung: 2005-03-22, § 112 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 19. Mai 2005. Der Kläger stellte am 19. Januar 2005 mündlich einen Leistungsantrag bei der Beklagten. Den ausgefüllten Formularantrag reichte er am 20. Mai 2005 ein. In den Leistungsakten der Beklagten befindet sich ein Vermerk, dass der Kläger am 20. Januar 2005 erklärt habe, er wolle Arbeitslosengeld II jetzt doch nicht beantragen, weil er sich im Januar 2005 selbständig machen und einen Existenzgründungszuschuss in Anspruch nehmen wolle. Das Sozialgericht Hildesheim hat mit Gerichtsbescheid vom 3. November 2006 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 31. März 2009 die Berufung zurückgewiesen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger einen Verfahrensmangel. Das LSG habe sowohl den Grundsatz des fairen Verfahrens als auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das LSG habe seine Auffassung, dass er seinen Leistungsantrag zurückgenommen habe, auf den Aktenvermerk gestützt. Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) kenne aber den Aktenvermerk als Beweismittel nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe am 20. Januar 1977 (8 RU 48/76) entschieden, dass ein Aktenvermerk ohne besonderen Grund nicht einer Zeugenaussage gleichgestellt werden könne, schon allein weil es an einer Protokollierung der Aussage und ihrer Genehmigung durch den Aussagenden und damit an der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme fehle. Das Gericht hätte den anwaltlich nicht vertretenen Kläger anhalten müssen, sachdienliche Anträge, ggf einen Beweisantrag zur Zeugenvernehmung zu stellen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auch insofern auf einem Verfahrensfehler, als ihm für die Rücknahme des Leistungsantrags die Darlegungs- und Beweislast auferlegt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind. Die Beschwerde war daher ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, § 160a Abs 4 iVm § 169 SGG.
Die Revision ist gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung eines Verfahrensmangels gehört, dass die verletzte Verfahrensnorm und die eine Verletzung begründenden Tatsachen substanziiert und schlüssig dargetan werden (stRspr, vgl. nur BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 10).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe seiner Entscheidung nicht den in der Akte der Beklagen befindlichen Vermerk zugrunde legen dürfen, wendet er sich im Kern gegen die Beweiswürdigung des LSG, auf die eine Verfahrensrüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG gerade nicht gestützt werden kann. Das Gleiche gilt für den Vortrag, dass das LSG von einer anderen Beweislastverteilung hätte ausgehen müssen. Dass die der freien Beweiswürdigung gezogenen Grenzen, etwa durch einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 41, § 164 Nr 31), überschritten wurden, hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit hierauf sein Vortrag zielt, das LSG habe sich auf ein unzulässiges Beweismittel gestützt, fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit den einschlägigen verfahrensrechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung hierzu. Der Aussagegehalt der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des BSG, die eine (aus anderen Gründen) durch das LSG zugelassene Revision betraf, ist weder für den dortigen Kontext noch für die vorliegende Fallkonstellation hinreichend dargelegt.
Kein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist damit bezeichnet, dass der Kläger meint, das LSG hätte auf die Stellung eines Beweisantrags hinwirken müssen. Ist ein Beweisantrag nicht gestellt worden, kann nicht über den Umweg des § 106 Abs 1 und § 112 Abs 2 SGG ein nicht gestellter Beweisantrag zur Zulassung der Revision führen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 13). Soweit der Vortrag des Klägers auch dahin zu verstehen ist, dass das LSG gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen habe, weil es eine Überraschungsentscheidung erlassen habe, fehlt es an einer Begründung, warum die ausweislich der Gründe des LSG-Urteils mit dem Kläger in der mündlichen Verhandlung erfolgte Erörterung des Aktenvermerks vom 20. Januar 2005 unzureichend gewesen sein soll.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen